„Die Ruhe vor dem Sturm“
Welche waren die Erfolge und Rückschläge im politischen Alltag in 2015? Die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen zogen eine kleine Bilanz und stellten sich den Fragen der Onlineredaktion des Landtags. Hier: Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).
Welche sind die drei wichtigsten politischen Entscheidungen 2015 des Landtags aus Sicht Ihrer Fraktion und warum?
Die Landesregierung von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff zeichnet sich bei Zukunftsaufgaben eher durch Nicht-Entscheidungen aus.
Thema Artenvielfalt: Wir erleben ein dramatisches Artensterben – auch in Sachsen-Anhalt. Wir tragen beispielsweise eine besondere Verantwortung für den Rotmilan. Sein Bestand ist jedoch in den letzten 20 Jahren dramatisch eingebrochen, nämlich um 50 Prozent. Hier sehe ich keinerlei Aktivitäten der Landesregierung. So können wir die Erde für unsere Enkel nicht erhalten.
Thema Unterrichtsausfall an den Schulen: Hier verweigert sich die Landesregierung der Realität. Sie muss sich endgültig vom Personalentwicklungskonzept verabschieden und die tatsächlichen Bedarfe decken.
Thema Ehe für alle: Hier beweist die Landesregierung immer wieder, wie rückwärtsgewandt sie denkt und hat sich der Bundesratsinitiative dazu verweigert. Hier ist die Bevölkerung schon längst einen Schritt weiter und sagt „Gleiche Liebe verdient Gleichbehandlung“.
Wie sollten Sachsen-Anhalt und Deutschland im kommenden Jahr der drängenden Flüchtlingsproblematik begegnen?
Das Asylrecht kennt keine Obergrenzen. Menschen, die zu uns kommen und hier mit uns Zukunft gestalten wollen, sind eine große Chance für Sachsen-Anhalt. Natürlich ist es auch eine große Herausforderung. Aus diesem Grund erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie hier den Kommunen ausreichend Geld zur Verfügung stellt, denn sie müssen die Menschen unterbringen. Außerdem muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Asylverfahren endlich beschleunigt werden.
Wir hier in Sachsen-Anhalt müssen die Kommunen dabei unterstützen, dass sie die Geflüchteten dezentral unterbringen. Wir brauchen darüber hinaus schon in den Zentralen Aufnahmestellen Deutschunterricht für alle – vom ersten Tag an. Wichtig ist auch, dass wir zusammen mit der Agentur für Arbeit die Berufsabschlüsse der Geflüchteten so schnell wie möglich anerkennen.
Reichen die herkömmlichen Wahlkampfkonzepte und fröhliches Händeschütteln noch aus, um im März 2016 Nichtwähler und Demokratieskeptiker zu erreichen?
Herkömmlicher Wahlkampf und fröhliches Händeschütteln reichen nicht aus. Die Frage ist, warum gibt es Nichtwähler und Demokratieskeptiker? Ich denke, die gibt es, weil sich immer mehr der Eindruck von „Die da oben und wir hier unten“ verfestigt. Die da oben machen ihr Ding, und das hat gar nichts mit uns zu tun. Diese Kluft gilt es zu überwinden.
Von daher machen Wahlkampfstände nur Sinn, wenn da auch die Kandidaten stehen und mit den Menschen sprechen. Genau dieses Miteinanderreden – das ist authentisch. Wir brauchen den direkten Kontakt. Aus diesem Grund müssen wir Politiker aber auch auf andere Weise den Kontakt zu den Menschen suchen. Ich mache da zum Beispiel Wohnzimmertouren und lade zum Kaffeeklatsch ein.
Abseits vom politische Alltag: Bringen Weihnachten und Jahreswechsel die gewünschte Entspannung oder sind sie nur die Ruhe vor dem Sturm?
Natürlich werde ich Zeit mit meiner Mutter verbringen. Wir werden auch besinnliche Weihnachtstage haben, aber faktisch ist es die Ruhe vor dem Sturm …