Der Fotograf Jan Schenck verfolgt bereits seit dem Jahr 2013 mit seinem Projekt „Verbrannte Orte“ ein wichtiges historisches Anliegen: Er bereist Orte, in denen es insbesondere im Jahr 1933 zu von den Nationalsozialisten initiierten Bücherverbrennungen kam. Kaum waren die Nazis im Januar 1933 an die Macht gekommen und hatten mit dem am 24. Februar 1933 in Kraft getretenen Ermächtigungsgesetz im Grunde eine absolute Macht errungen, begannen sie, sukzessiv politische Gegner oder gegensätzliche gesellschaftliche und kulturelle Strömungen auszuschalten.
Bücherverbrennungen im Mai 1933
Im großen kollektiven Gedächtnis und ein immer wieder ins Bewusstsein gerücktes Ereignis sind die Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933 in Berlin (Opernplatz) und rund zwanzig weiteren deutschen Universitätsstädten. Nicht selten wird Heinrich Heines Ausspruch „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“ in Bezug gesetzt, er sollte – obwohl 110 Jahre früher geäußert – Recht behalten. Diese Bücherverbrennungen galten als vorläufiger Höhepunkt der „Aktion wider den undeutschen Geist“, der ausgerechnet vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund organisiert worden war. Nichts weniger als die systematische Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderweitig politisch verbrämte Schriftsteller war das Ziel.
Genau hier setzt das Projekt von Jan Schenck an: „Viele Menschen wissen, dass es in Deutschland Bücherverbrennungen gab, kennen jedoch oft nur die Verbrennungen im Rahmen der ‚Aktion wider den undeutschen Geist‘. Der Großteil der über 90 Verbrennungen ist der Allgemeinheit kaum bekannt“, erklärt Jan Schenck auf seinem Blog. Denn Verbrennungen habe es auch vor der großen Mai-Aktion schon gegeben. Zwar gebe es viele wissenschaftliche Forschungen und einige Publikationen zu dem Thema, jedoch wenig Bekanntheit darüber hinaus. Schenck und sein Team zeichnen derweil auch für Ausstellungen und Unterrichtsmaterial zum Thema verantwortlich.
Geschehnisse der Vergessenheit entreißen
Durch das Projekt „Verbrannte Orte“ sollen diese Orte dokumentiert und mit geschichtlichen Erläuterungen und Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dargestellt werden. Wie sehen diese Orte so viele Jahrzehnte nach den Bücherverbrennungen aus? Was passiert dort heute und betrachten wir diese Orte anders, wenn wir wissen was dort passiert ist? „Die Tatsache, dass es an kaum einem der Orte der Bücherverbrennungen Gedenktafeln oder andere Hinweise gibt und meine Leidenschaft für Bücher von einigen Autoren, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, brachten mich zu dem Entschluss, ein fotografisches Projekt zu entwickeln“, so Schenck.
Bücherverbrennung in Magdeburg
Bereits im März 1933 sei es in vielen deutschen Städten zu Bücherverbrennungen gekommen, erklärt Jan Schenck auf seinem Blog. In dieser Phase seien sie hauptsächlich als Mittel der Einschüchterung gegen die politischen Gegner verwendet worden. „So kam es nach Plünderungen, Durchsuchungen und Verhaftungen an einigen Orten zu spontanen Bücherverbrennungen.“ Auch die heutige Landeshauptstadt Magdeburg gehört zu diesen Orten. Hier – auf dem Domplatz – fand bereits am 5. April 1933 eine Verbrennung von Dokumenten und Büchern statt.
In der Nacht zum 3. April 1933 hatte ein 50-köpfiges Bataillon der SS das Haus der sozialdemokratischen „Volksstimme“ und des sozialdemokratischen Verlagshauses Pfannkuch & Co. in Magdeburg gestürmt, durchsucht und geplündert. Zwei Tage später wurden Flugblätter, Fahnen und die Bibliothek mit rund 10 000 Bänden auf demDomplatz in Magdeburg verbrannt. Zahlreiche Schaulustige nahmen an der Aktion teil. Die Schriften und Bücher waren bereits unter dem Jubel der Umstehenden durch die Innenstadt zum Domplatz gebracht worden.
Auch inHalle (Saale) wurden im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ Bücher verbrannt, am 12. Mai 1933 auf dem Universitätsplatz.
Mehr Informationen zum Projekt „Verbrannte Orte“ auf:https://blog.verbrannte-orte.de/