In der Bekämpfung der Pandemie braucht es kurzfristig wirksame Maßnahmen auf Bundes‐ und Landesebene, um viele weitere Tote zu verhindern und zu verhüten, dass viele schwer erkrankte Menschen zurückbleiben, befindet die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die bislang beschlossenen Maßnahmen reichten nicht aus. Daher beantragte sie eine Aktuelle Debatte, um zu diskutieren, wie Sachsen‐Anhalt verlässlich aus der Krise geführt und die Pandemiebekämpfung wirksam, solidarisch und gerecht organisiert werden kann.
Dringend Infektionszahlen senken
„Realismus ist ein guter Berater in der Krise“, sagte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), es laufe nicht gut mit dem Weg aus der Krise, die Corona-Zahlen sprächen da für sich. Eine starke Anspannung sei in den Krankenhäusern und bei Ärztinnen und Ärzten sowie im Pflegebereich zu beobachten. „Jetzt ist die Zeit, Leben zu schützen. Erst wenn wir die Notbremse nicht mehr brauchen, können wir wieder Modellprojekte machen.“ Es gelte, die Zahl der Neuinfektionen so weit abzusenken, dass Infektionswege wieder nachvollziehbar würden.
Die Grünen begrüßten die bundeseinheitlichen Corona-Abstimmungen auf Basis des Infektionsschutzgesetzes (bzw. des Bevölkerungsschutzgesetzes), so Lüddemann. Mit der Corona-Krise habe sich auch eine Vertrauenskrise in die Politik entwickelt, mit klaren politischen Rahmenbedingungen müsse verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden: durch gezielte Maßnahmen, nicht durch Sonderwege in den einzelnen Bundesländern. Neben der Testpflicht in den Schulen sei eine Testpflicht in der Arbeitswelt zwingend notwendig, diese müsse – wie die Helmpflicht auf der Baustelle – vom Arbeitgeber gewährleistet werden.
„Sind uns der großen Verantwortung bewusst“
Das Leben stehe seit einem Jahr im Zeichen der Corona-Pandemie, resümierte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). „Die Inzidenzen müssen runter, da ist sich das Land mit dem Bund einig.“ Infektionswege müssten nachvollziehbar sein, das Gesundheitssystem müsse handlungsfähig bleiben. Die Landesregierung sei sich ihrer großen Verantwortung gegenüber der Bevölkerung bewusst, das Wohl eines Einzelnen müsse gegen das Wohl der Gesamtheit abgewogen werden. Die Landesregierung agiere keineswegs planlos, ungerecht oder zu lasch, konstatierte Grimm-Benne.
So groß die Sehnsucht nach Unbeschwertheit sei, die Nach-Pandemiezeit liege erst noch vor uns, so die Ministerin. Sie warb nachdrücklich fürs Impfen, Testen und für mehr Umsicht. Die neuen Testkonzepte des Landes trügen zur Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten bei. Um beispielsweise die Kitas in Sachsen-Anhalt offenzuhalten, stütze man sich auf vier Säulen: die Kitas haben alle ein Hygienekonzept, die Beschäftigten sind in die Impf-Prioritätsgruppe 2 aufgerückt, es gibt ein kostenloses Angebot an Schnelltests für Beschäftigte und das Sozialministerium stellt Selbsttests für Kinder zur Verfügung.
Bei der Impfquote liege Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich mit vorn: 22,4 Prozent der Bevölkerung hätten ihre Erstimpfung erhalten, 5,9 Prozent die Zweitimpfung, so die Ministerin. Der Bund habe nun die gesetzliche Basis geschaffen, um die Lage in den Griff zu bekommen, die bundeseinheitlichen Maßnahmen seien transparent und nachvollziehbar.
„Die Leute wollen Taten sehen!“
Bisher habe es von den Grünen noch keinen Proteststurm hinsichtlich der Corona-Maßnahmen gegeben, deswegen verwundere es, dass eine Regierungsfraktion plötzlich ihren Oppositionsgeist entdecke, meinte Stefan Gebhardt (DIE LINKE). Er habe keine inhaltlichen Positionen erkennen können, die sich deutlich von dem unterschieden, was bisher im Land geschehen sei. Die Schulabbrecherquote habe sich in einem Jahr verdoppelt, allein in Sachsen-Anhalt seien 11 000 Leute aus den Sportvereinen ausgeschieden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Fußballmillionäre durch die Welt reisten und Fußball spielten, aber den Kindern der Freizeitsport untersagt werde.
„Die Leute wollen Taten sehen!“, aber das Abstimmungsverhalten im Parlament – auch das der Grünen – spreche da eine Sprache für sich, konstatierte Gebhardt. „Impfen, Testen, Helfen – in allen drei Bereichen habe die Landesregierung versagt.“ Solange Maßnahmenhärte im privaten Bereich herrsche, die Wirtschaft aber möglichst geschont werde („Wo bleibt der Unternehmerlohn?“), brauche man sich über die geringe Akzeptanz der Maßnahmen nicht zu wundern.
Brauchen „multifaktoriellen Ansatz“
Die CDU unterstütze den Kurs der Landesregierung, mit Vernunft, Augenmaß und mit einem Plan für Sachsen-Anhalt diese Pandemie zu bewältigen, betonte André Schröder (CDU). Man wolle niedrige Infektionszahlen und eine Kontrolle des Infektionsgeschehens, aber mittlerweile bedürfe es eines „multifaktoriellen Ansatzes“, der auch andere Perspektiven in die Strategie einbeziehe; „die Menschen im Land brauchen eine Perspektive“, so Schröder.
Je länger der Lockdown dauere, umso größer seien die Auswirkungen auf die Verschuldung des Landes. Spielräume für Öffnungen sollten genutzt werden. Das Impfgeschehen solle beschleunigt werden, „alle zugelassenen Vakzine sollten ohne Wenn und Aber eingesetzt werden“. Die CDU begrüße die Verlängerung der Kurzarbeiterregelungen und der Überbrückungshilfen, sagte Schröder am Ende seiner letzten Rede im Parlament.
Sämtliche Corona-Maßnahmen aufheben
Für Menschen unter siebzig Jahren und ohne Vorerkrankungen bedeute die Corona-Krankheit ein „normales Lebensrisiko“, konstatierte Robert Farle (AfD). Zwischen den Lockdownmaßnahmen und den Inzidenz- bzw. Sterbezahlen bestehe kein Zusammenhang, mutmaßte Farle. Dass sich die Pandemie dem Ende zuneige, gehe nicht auf die Zunahme der Impfungen zurück. Die Coronatests lieferten nur unzureichende Ergebnisse, er bezeichnete die daraus ermittelten Zahlen als „Betrugsschwindel“. Auch die millionenfachen Tests in den Schulen sollen nur dazu führen, zusätzliche Fälle zu kreieren, glaubt Farle. Er plädierte dafür, sämtliche Corona-Maßnahmen im Außenbereich aufzuheben, um die Wirtschaft und den Tourismus zu retten. Die CDU führe die Bevölkerung in die Diktatur, so Farle, aber: „Wir wollen hier keine chinesischen Verhältnisse.“
„Keine Selbstreflexion bei den Grünen“
Als Mitverantwortliche verlässliche Maßnahmen zu fordern, sei merkwürdig, sagte André Poggenburg (fraktionslos) in Richtung Grüne. Mit dem Finger auf die Koalitionskollegen zu zeigen, sei anrüchig. „Wer die Grünen in der Koalition hat, braucht keine politischen Gegner in der Opposition mehr“, meinte Poggenburg. Sie seien für den wirtschaftlichen und kulturellen Kahlschlag mitverantwortlich und dafür, dass Kinder, Jugendliche und Studenten in ihrer Ausbildung stark eingeschränkt worden seien. Es sei verwunderlich, wie locker mit dem Grundgesetz umgegangen werde. Es gebe bei den Grünen keine Selbstreflexion; alle, die deren Politik nicht folgten, seien demnach offenbar „CovIdioten“.
Landesregierung hat Rückendeckung verdient
Sachsen-Anhalt müsse nicht wie ein gefühltes Schlusslicht durch die Gegend laufen, das gelte auch bei der Bewältigung der Pandemie, konstatierte Dr. Katja Pähle (SPD). Bei den Tests in den Kitas sei das Land vorangegangen, auch bei den Impfzahlen liege das Land mit vorn. Wer auch immer in Bund und Ländern Verantwortung trage, alle Regierungen wollten mit der Vielfalt der Instrumente drei übergeordnete Ziele erreichen, so Pähle: die besonders gefährdeten Gruppen auf besondere Weise schützen, die Überlastung des Gesundheitssystems verhindern und die Kosten der Pandemie so gering wie möglich halten, indem der totale Lockdown und die Unterbrechung der Lieferketten verhindert würden.
Dieser Instrumentenkasten werde jetzt seit einem Jahr strapaziert, immer wieder gebe es neue Erkenntnisse über die Pandemie und deren Bewältigung, sagte Pähle. Die Bürgerinnen und Bürger forderten Konsequenz bei der Umsetzung der Maßnahmen. Hier komme das Infektionsschutzgesetz des Bundes ins Spiel. Pähle sei tief davon überzeugt, „dass wir nicht mehr lange diese Debatten führen müssen“, denn es würden so viele Bürgerinnen und Bürger geimpft sein, dass die Maßnahmen nicht mehr nötig seien. Die Landesregierung habe ob der Leistungen der letzten Wochen Rückendeckung bei der Pandemiebekämpfung verdient.
Beschlüsse zur Sache der Aktuellen Debatte wurden am Ende wie üblich nicht geschlossen.