Vor gut einem Jahr ist Natalija Kyrychenko zusammen mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern aus der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw nach Zeitz geflüchtet. Ihr Mann hatte bereits vorher beruflich Kontakt zu einer Firma in Zeitz. Diese hatte sich kurz nach Kriegsausbruch bei der Familie gemeldet und ihr angeboten, nach Zeitz zu kommen, erzählt die 41-Jährige. Die Firma hat sich auch um eine Wohnung und einen Job für ihren Ehemann gekümmert. Ihre Eltern, ihr Bruder und alle Verwandten sind dagegen in der Ukraine geblieben. Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni 2023 haben wir Natalija in Zeitz getroffen und über ihr Leben in Zeitz, ihr neues Herzensprojekt und mögliche Integrationshemmnisse gesprochen.
Wie geht es Ihnen jetzt nach gut einem Jahr in Zeitz?
Natalija: Einerseits ist es ganz in Ordnung, weil ich hier viele Freunde und Mitstreiter gefunden habe. In dieser Hinsicht ist erstmal alles gut. Aber mein Herz schmerzt natürlich sehr und ich habe sehr viel Mitleid mit meinen Landsleuten in der Ukraine, und unseren Soldaten, die dort kämpfen und mit all den Menschen, die unter diesem schrecklichen Krieg leiden.
Und die Stadt selbst, wie gefällt sie Ihnen?
Natalija: Natürlich, ich will nicht lügen, Kyjiw ist meine Heimatstadt und ich fühle mich dort viel wohler als in Zeitz. Aber aufgrund verschiedener Umstände bin ich nun eben mit meiner ganzen Familien hier in Zeitz und ein Mensch muss dort gute Taten verbringen, wo er gerade ist. Und wenn du etwas Gutes tust, kannst du darin neue Inspiration und auch einen neuen Lebenssinn finden.
Wahrscheinlich war das auch einer der Gründe, warum Sie den Verein „Ukrainisches Zentrum für Integration und Kulturaustausch e. V.“ gegründet haben, oder?
Natalija: Ja, das stimmt. Im vergangenen Jahr haben wir festgestellt, dass wirklich viele Ukrainerinnen und Ukrainer nach Zeitz gekommen sind und sie alle wollten die Ukraine gut vertreten und selbst aktiv werden. Zuerst war es eine lose Vereinigung und dann haben wir uns überlegt, dass wir einen richtigen Verein gründen, deren Vorsitzende ich jetzt bin. [Redaktion: Was der Verein genau macht, lesen Sie im Artikel „Ukraine-Flüchtlinge gründen Verein in Zeitz“]
Wie haben sich ihre Kinder in die Schule integriert?
Natalija: Ich bin eine echte Expertin geworden bezüglich des deutschen Schulsystems, weil ich drei Kinder habe und sie alle verschiedene Schulen besuchen. Grundsätzlich gefällt mir das deutsche Bildungssystem sehr gut. Es gefällt mir, wie mit den Kindern umgegangen wird und welche Lehrmaterialen es gibt. Allerdings gibt es ein riesiges Problem mit Deutsch als Fremdsprache, weil es einfach nicht genug Lehrer gibt, um Deutsch zu unterrichten. Mein ältester Sohn beispielsweise besucht ein privates Gymnasium und hat dort keinen Zugang zu Deutsch als Fremdsprache, sondern kann in seiner Klasse nur Deutsch und Englisch sprechen. Darum hat er es jetzt zwar viel schneller gelernt, aber natürlich wäre es besser, wenn es mehr Lehrer gäbe.
Neben den fehlenden Deutschkursen für Erwachse und Kinder, was könnte bei der Integration noch verbessert werden?
Natalija: Als Verein würden wir es gut finden, wenn wir einen eigenen Raum hätten, wo wir Zeitzer Bürgerinnen und Bürger einladen und verschiedene Veranstaltungen organisieren könnten. Idealerweise wäre es ein Raum, wo Einheimische und Flüchtlinge gemeinsam etwas machen könnten, zum Beispiel gemeinsame Kunstprojekte von Erwachsenen. Durch solche direkte Kommunikation würden wir einander besser verstehen lernen, könnten uns austauschen und eine Brücke zwischen den Menschen und den Kulturen bauen.
Es gibt ja Landsleute von Ihnen, denen gefällt es so gut, dass sie sich vorstellen können auch nach Ende des Krieges in Deutschland zu bleiben. Wie ist das bei Ihnen?
Natalija: Wir haben jetzt noch keine eindeutige Entscheidung getroffen, sondern treffen die Entscheidung als Familie alle zusammen, aber erst wenn der Krieg zu Ende ist und wenn es in der Ukraine wieder sicher ist.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Sie und Ihren Verein!