Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte eine Aktuelle Debatte über eine „Reform der Schuldenbremse“ beantragt. Es wurden der Stand zur Reform der Schuldenbremse sowie die Auswirkungen und Handlungsbedarfe in Sachsen‐Anhalt erörtert.
Aus dem von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Sondervermögen „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ fallen an die Länder 100 Milliarden Euro. Zudem wird für Ausgaben für die Landesverteidigung die Schuldenbremse ausgesetzt. Dies betrifft alle Ausgaben, die über ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen.

Die Schuldenbremse war nun auch wieder Thema im Landtag von Sachsen-Anhalt.
„Die Koalition ist jetzt am Zuge“
Der über Jahrzehnte angewachsene Investitionsstau beeinträchtige die Menschen und die Wirtschaft im Land, kritisierte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Erhöhung der Ausgaben für Landesverteidigung sei vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen „drängend und existenziell“. Die Sonderlasten aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren, wäre allerdings sozial unverantwortlich und schlicht nicht gangbar. Das habe zuletzt auch die CDU eingesehen und aus simpler Parteitaktik erst nach der Bundestagswahl Rekordschulden mitbeschlossen. Es müsse mit Blick auf die eigene Landesverfassung und vor dem Hintergrund der auf die Länder zu verteilenden 100 Milliarden Euro sichergestellt werden, dass neue Schulden des Landes nur dann aufgenommen würden, wenn das Geld in Infrastruktur- und Zukunftstechnologien sowie in die Klimaneutralität flösse, so Meister. Die Koalition sei hier am Zuge.
Schuldenbremse und zwei Modifikationen
„Wir brauchen jetzt konkretisierende Gesetze, die für alle Bundesländer umsetzbar sind“, betonte Staatsminister Rainer Robra (CDU) in Vertretung des Finanzministers Michael Richter. Hintergrund der Grundgesetzänderung seien fundamentale Veränderungen der Sicherheitsarchitektur in Deutschland und Europa und ein gesteigerter Investitionsbedarf im Infrastrukturbereich. Zu der fortbestehenden Schuldenbremse seien zwei Modifikationen hinzugefügt worden, der erweiterte Schuldenaufnahmespielraum und das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen. Von diesem flössen 100 Milliarden Euro in die Länder ab und 100 Milliarden Euro in Maßnahmen zur Klimaneutralität. Man werde die Interessen Sachsen-Anhalts im Streit um die besten Projekt-Ideen nachdrücklich vertreten.
„Konjunkturpakt II“ als Vorbild
Der Bund habe sich auf den Weg gemacht, die unhaltbar gewordenen Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, meinte Dr. Andreas Schmidt (SPD). Die Schuldenbremse werde für Investitionen gelöst, „und dieser Schritt ist richtig“. Schmidt erwarte Investitionen „nicht nur in Straßen und Bauten“; der Bund müsse in Schiene, Straße, Hochschule und Krankenhäuser investieren. Die Sozialdemokraten wollen zunächst die Kommunen nach dem Vorbild „Konjunkturpaket II“ in die Lage versetzen, zielgenau in ihre Infrastruktur investieren zu können, „damit der Effekt schnell eintritt“. Förderprogramme für Bäder, Schulen und Kitas gehörten ebenso dazu wie moderne Gerätehäuser für die Feuerwehren. Neben Investitionen in die wirtschaftsnahe und digitale Infrastruktur müsse es auch Geld für die energetische Sanierung (auch Verwaltungsgebäude) geben.
„Schuldenmachen für die Ukraine“
Das deutsche Gesundheits- und Bildungssystem befinde sich im Niedergang; hinzu komme eine gescheiterte Klima-, Energie- und Verkehrswende sowie eine Dauerrezession, monierte Dr. Jan Moldenhauer (AfD). „Illegale Masseneinwanderung“ stehe einer nicht mehr vorhandenen inneren Sicherheit gegenüber, es gebe altersarme Rentner und im Stich gelassene Familien. Die AfD wehre sich gegen das „Schuldenmachen für die Ukraine“. Die „staatsgefährdende Krise“ sei nun mit einem „finanzpolitischen Staatsstreich“ gekrönt worden. Bereits vor seinem möglichen Amtsantritt habe sich Friedrich Merz selbst beschädigt. Der finanzpolitische Kontrollverlust sei in Sachsen-Anhalt allerdings längst in Kraft getreten, denn die Schuldenbremse des Landes würde jedes Jahr ausgehebelt.
„Musterbeispiel für Intransparenz“
Beim Thema Schuldenbremse stehe die FDP zu dem Motto „Prinzipientreue vor Schuldenkoalition“, betonte Jörg Bernstein (FDP). Kern der Kritik: „Die Schuldenbremse war kein Hindernis für den Fortschritt, sondern eine Versicherung für unsere Kinder und Enkel.“ Das neue Sondervermögen sei „ein Musterbeispiel für Intransparenz und Zweckentfremdung“. Es bedeute 500 Milliarden Euro Schulden ohne konkrete Zweckbindung. Die Mittel aus dem Sondervermögen, die an die Länder flössen, bedeuteten einen „Blindflug mit Milliardenrisiken“. Die FDP fordere klare Prioritäten und die Konzentration auf die Kernaufgaben des Staates.
„CDU-Wahlkampf war unseriös“
„Fakt ist, der Wahlkampf der Union zum Thema Schuldenbremse war unseriös, der Oppositionspolitiker Friedrich Merz war unseriös, und das sind keine guten Vorzeichen für seine Kanzlerschaft“, erklärte Eva von Angern (Die Linke). Für ihre Fraktion bleibe die Schuldenbremse eine Investitionsbremse. Während über Jahre hinweg dringend benötigtes Geld angeblich nicht da gewesen sei, sei nun mit dem Finger geschnippt worden – und plötzlich sei Geld da. Von Angern sprach sich für eine kluge Steuerpolitik aus. Investitionen in Bildung sei ein Garant für steigende Steuereinnahmen. Die Chance, die Schuldenbremse gänzlich aus dem Grundgesetz zu streichen, sei ungenutzt geblieben. Die Linke fordert zudem die Wiedererhebung der Vermögenssteuer, der Staat habe diese Möglichkeit, „weil in Deutschland Reichtum unbegrenzt wachsen kann“.
„CDU ist nach der Wahl umgefallen“
„An der grundgesetzlichen Schuldenbremse wollten Sie festhalten“, nun hätten selbst die Grundschüler mitbekommen, dass die CDU einen Tag nach der Wahl umgefallen sei“, konstatierte Daniel Roi (fraktionslos). Die CDU habe zudem „den Grünen ihre feuchtesten Träume erfüllt“, indem die Klimaneutralität Einzug ins Grundgesetz gehalten habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass vom alten Bundestag noch weitreichende Entscheidungen getroffen worden seien. Auch die linke Seite des Parlaments brauche keiner mehr, so Roi.
38 Milliarden Euro fehlen noch
Die Schuldenbremse ist nicht weg, sagte Stefan Ruland (CDU). Und die im Bund beschlossenen Änderungen hätten allesamt keine Auswirkungen auf den Landeshaushalt von Sachsen-Anhalt. Durch die Inanspruchnahme des Sondervermögens würden nun 100 Milliarden Euro an die Länder fließen, die Verteilung der Mittel müsse allerdings noch beschlossen werden. „Wer jetzt glaubt, die ganzen Probleme sind weg – das sind Ammenmärchen“, so Ruland, 38 Milliarden Euro würden nach wie vor im Bundeshaushalt fehlen. Es müsse weiter an der Konsolidierung gearbeitet werden, man werde nicht nur einfach das Füllhorn auskippen.
Beschlüsse zur Sache wurden am Ende der Aktuellen Debatte wie gewohnt nicht gefasst.