Die Landesregierung brachte im November den Entwurf eines Nachtragshaushaltsbegleitgesetzes 2021 in den Landtag ein. Einer der wesentlichen Punkte des Gesetzentwurfs ist die Errichtung des Sondervermögens „Corona“ mit einem Volumen von 1,95 Milliarden Euro, das durch die Zuführung von Mitteln aus dem Landeshaushalt finanziert werden soll. Das Sondervermögen soll der Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie dienen. In einem zweiten Nachtragshaushaltsgesetz der Landesregierung sollen vor allem die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zur Einrichtung des Sondervermögens „Corona“ geschaffen werden. Parallel legte die Landesregierung einen Entschließungsantrag zur Bekämpfung der unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie vor. In diesem wird sich für die Aufnahme von Krediten in Höhe von 2,6 Milliarden Euro ausgesprochen.
Sechzig Maßnahmen mit Pandemiebezug
Die Landesregierung habe mit dem Gesetzentwurf einen Weg entwickelt, wie das Land die Pandemie überwinden und daraus gestärkt hervorgehen könne, erklärte Finanzminister Michael Richter (CDU), um die Aufnahme neuer Kredite werde man allerdings nicht herumkommen. In außergewöhnlichen Notsituationen – die Corona-Pandemie sei eine solche – sei dies auch vor dem Hintergrund der in der Landesverfassung verankerten Schuldenbremse (Haushaltsaufstellung ohne Aufnahme neuer Kredite) möglich. Alle Corona-Maßnahmen belasteten den Landeshaushalt erheblich, beispielsweise neue Hygienestandards und die Weiterentwicklung der Krankenversorgung. Geändert werden soll auch das Gewerbesteuerausgleichsgesetz des Landes, wodurch es zu einem Ausgleich von Gewerbesteuermindereinnahmen der Gemeinden infolge der Covid-19-Pandemie kommen soll.
Im Zuge des Sondervermögens Corona hat die Landesregierung einen Maßnahmenplan mit sechzig Einzelpunkten erstellt, die zwischen 2022 und 2027 umgesetzt werden sollen, darunter die Stärkung der Universitätskliniken des Landes, die Digitalisierung der Landesverwaltung, das Aufholen der Lernrückstände von Kindern und Jugendlichen, der Einbau von Luftfiltern und die Förderung der Pflegeberufe. Alle Maßnahmen sollen spätestens im Juni 2022 gestartet werden.
Die Landesrechnungshöfe achteten darauf, pandemiebedingte Kreditaufnahmen kritisch zu begleiten, sagte Richter, das halte er auch für richtig. Die Ausgestaltung des Sondervermögens sei maßvoll und dennoch mangele es nicht an Entschiedenheit. Während das Corona-Sondervermögen in Hessen verfassungsrechtliche Bedenken aufgeworfen habe (zu hoch für zu wenige Maßnahmen), sei die Rechtmäßigkeit des Sondervermögens in Sachsen-Anhalt gegeben, betonte Richter. Für jede der sechzig Maßnahmen sei ein Zusammenhang mit der Corona-Pandemie belegt.
Keinen „Schattenhaushalt“ mit der AfD
Die Landesregierung wolle das Sondervermögen nutzen, um die Schuldenbremse auszuhebeln und einen Schattenhaushalt aufzustellen, der sich gegen zukünftige Generationen richte, erklärte Dr. Jan Moldenhauer (AfD). Der Schuldenstand des Landes sei ohnehin schon auf über 21 Milliarden Euro gestiegen, die Kinder- und Altersarmut habe eine beschämende Höhe erreicht, in den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt sei viel zu wenig investiert worden.
Der Haushalt sei ohne neue Schulden zu erstellen, erinnerte Moldenhauer. Die aktuelle desolate finanzielle Lage sei allerdings weniger ein Ergebnis der Corona-Pandemie, sondern ein Resultat der Politik der letzten Jahre. Es werde eine „vorgebliche Notsituation“ skizziert, für die Maßnahmen bis zum Jahr 2027 finanziert werden sollen. Die Landesregierung nehme „einen kräftigen Schluck aus der Schuldenpulle“, um Geld in Jahren auszugeben, in denen es gar keine Notsituation mehr gebe. Dies sei keine verantwortungsvolle Finanzpolitik. Die Verbindung der aufgeführten Maßnahmen zur Corona-Lage sei nicht immer nachvollziehbar. Die AfD stimme einer Überweisung in die Ausschüsse nicht zu, sie behalte sich zudem eine „Klage gegen den geplanten Schattenhaushalt“ vor, so Moldenhauer.
Drei Säulen der Maßnahmen
Der Entwurf des Nachtragshaushalts zeige die Handlungsfähigkeit und Kraft der Koalition, betonte Rüdiger Erben (SPD). Man wolle das Land für künftige Pandemien fitmachen und mit einer beherzten Finanzpolitik die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.
Die Maßnahmen sollen schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Darunter befinden sich unter anderem 975 Millionen Euro, die für die Stärkung des Gesundheitssystems (besserer Zugang zu Gesundheitsleistungen, neue medizinische Großgeräte) und 719 Millionen Euro für die Digitalisierung des Landes. 400 Millionen Euro sollen in den Restart von Wirtschaft und Gesellschaft fließen.
Manche Mittelzuweisungen noch hinterfragen
Die Pandemiebekämpfung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagte Andreas Henke (DIE LINKE), der Entwurf der Landesregierung werde kritisch begleitet. Der Doppelhaushalt 2020/2021 sei nicht geeignet gewesen, den Folgen der Pandemie vollumfänglich begegnen zu können. Die Einrichtung des Sondervermögens – auch abseits der „schwarzen Null“ im Haushalt – hätte schon viel früher erfolgen müssen. Die Folgen der Pandemie und des Lockdowns würden noch einige Jahre zu spüren sein.
Zwei Drittel des Sondervermögens würden durch zwei Ministerien ausgereicht. Manche Mittelzuteilungen seien noch zu hinterfragen, so Henke. Seine Fraktion plädiere schon jetzt für eine größere Stärkung der Kommunen durch mehr Investitionsförderung und ein schnelleres Agieren in den Schulen des Landes. Auch der ÖPNV brauche mehr Geld, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abfedern zu können.
Kein Freibrief für expansive Haushaltspolitik
Man wolle eine ausgewogene und stabilitätssichernde Finanzpolitik sicherstellen, erklärte Jörg Bernstein (FDP). Manche Probleme habe das Land schon vor Corona gehabt. In den vergangenen Jahren sei es durch die Landesregierung versäumt worden, weitere Rücklagen zu bilden, bestehende seien sogar aufgebraucht worden. Das Land schiebe einen enormen Investitionsstau vor sich her.
Mit dem von der Landesregierung aufgestellten Maßnahmenpaket sollen unter anderem der Gesundheitssektor und die Verwaltung pandemiesicher gemacht werden. Alle Maßnahmen müssten jedoch einen eindeutigen Corona-Bezug haben, so Bernstein. Das Sondervermögen dürfe kein Freibrief für eine expansive Haushaltspolitik sein. Man müsse Maßnahmen ergreifen und Unterstützung bei belegbaren Investitionen leisten, um wieder aus der Krise herauszukommen, müsse dabei aber auch generationengerecht haushalten.
Zukunftsverantwortliche Haushaltsführung leisten
Mit dem zweiten Nachtragshaushalt komme ein ungewöhnliches Element in der Geschichte der Finanzpolitik des Landes zum Einsatz, stellte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fest. Noch nie seien in Sachsen-Anhalt mehr Schulden auf einmal aufgenommen worden, insgesamt seien es so viele Schulden wie insgesamt seit dem Jahr 2005. Bei einigen Maßnahmen fehle der Corona-Bezug; die Digitalisierung des Landes sei beispielsweise auch ein Thema jenseits der Pandemie, so Meister. Seine Fraktion dränge zu einer zukunftsverantwortlicheren Haushaltsführung. Natürlich sei die Wirtschaftsförderung wegen Corona-Schäden nötig, aber man müsse im Haushalt auch für Themen wie Klimawandel, Agrarwende, Verkehrswende und Waldumbau eine Lösung vorlegen.
Der Krisenfestigkeit des Landes dienen
Die Ergebnisse der Novembersteuerschätzung zeigten, dass die Mindereinnahmen des Landes „nur“ bei 135 Millionen Euro lägen, sagte Guido Heuer (CDU). Der zuvor geschätzte Minderbetrag von 66 Millionen Euro bei den Gewerbesteuern der Kommunen liege nun bei „nur“ 22 Millionen Euro. Die Differenz von 44 Millionen Euro sollten als Investitionspauschale an die Kommunen ausgereicht werden, schlug Heuer vor. Das bundesweite Infektionsgeschehen zeige, dass die Pandemie noch lange nicht bewältigt sei, so Heuer. Er erwarte nun deutliche Signale von der Bundesregierung.
Es werde immer wieder Krisen wie die Corona-Pandemie geben (Hochwasserkatastrophe, Flüchtlingskrise), deswegen müsse die Tilgung von neuaufgenommenen Schulden in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen gehalten werden. Die von der Landesregierung aufgestellten Maßnahmen müssten zwingend einen direkten Corona-Bezug haben. Die eingeplanten Mittel sollen investiv eingesetzt werden, zudem sollen die Maßnahmen und Mittel in die Zukunft gerichtet sein und der Krisenfestigkeit des Landes dienen.
Im Anschluss an die Debatte wurden die beiden Gesetzentwürfe und der Entschließungsantrag in alle Ausschüsse (außer Petitionen) überwiesen. Der Finanzausschuss agiert federführend, die anderen kommen mitberatend zum Einsatz.