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Plenarsitzung

Attentat-Aufklärung durch neuen Ausschuss

In der ersten Plenarsitzung nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt wandte sich Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff mit einer Regierungserklärung im Plenarsaal an die Menschen in Sachsen-Anhalt. Unter dem Titel „Wir sind es den Opfern schuldig, unsere Art zu leben zu bewahren“ sicherte er wirksame Hilfen für die Betroffenen, die konsequente Aufklärung aller Tatumstände und grundsätzliche Konsequenzen aus dem Anschlag in Magdeburg zu. Nach der Regierungserklärung nutzten die Fraktionen und die fraktionslosen Abgeordneten die Möglichkeit, Stellung zu beziehen.

Auf Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und FDP hat der Landtag die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beschlossen. Er soll, so der Wortlaut der Beantragung, das Geschehen, die Umstände und die Hintergründe des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 untersuchen. Der Untersuchungsausschuss soll 13 Mitglieder und 13 stellvertretende Mitglieder haben. Zur Besetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses reichten die Fraktionen entsprechende Anträge ein.

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff während seiner Regierungserklärung zum Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt.

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff während seiner Regierungserklärung zum Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt.

Geschehen rückhaltlos aufklären

Der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt stelle eine Zäsur in der Geschichte des Landes Sachsen-Anhalt dar, erklärte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU), er dankte für die Anteilnahme der Bevölkerung und die unschätzbare Hilfe durch die Rettungskräfte. „Viele Schwerstverletzte werden zeit ihres Lebens gezeichnet sein, die Wunden vieler werden lange oder überhaupt nicht verheilen“, so Haseloff. „Die Aufarbeitung dieser Tat wird umfassend erfolgen, ich werde mich persönlich dafür einsetzen, dass das Geschehen und seine Vorgeschichte rückhaltlos aufgeklärt werden.“

Haseloff erinnerte daran, dass es der Attentäter sei, der allein die Schuld am Tod und den Verletzungen der Menschen trage, dafür müsse er konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Die Landesregierung habe schnellstmöglich alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um den Opfern zu helfen. Der Generalstaatsanwalt habe die Ermittlungen übernommen, 118 Ermittelnde der Kriminalpolizei seien in der „Sonderkommission Markt“ mit der Aufklärung beschäftigt. „Natürlich müssen auch Lehren aus dem Anschlag gezogen werden, das sind wir den Opfern schuldig“, betonte Haseloff. Die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sei hier ein wirksames Element.

Unsere Art zu leben gelte es zu bewahren, so der Ministerpräsident. Integrationserfolg müsse eine höhere Relevanz eingeräumt werden. Konflikte mit Herkunftsländern dürften nicht in Deutschland ausgetragen werden. Wir müssten energisch gegen alle vorgehen, die unsere Werte geringschätzten und unsere Lebensart missachteten, so Haseloff.

Er warnte vor Ausländerfeindlichkeit, der die Landesregierung ebenfalls entschieden entgegentrete. „Wir können nicht die Rücksichtlosigkeit des Täters verurteilen und gleichzeitig hinnehmen, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu Opfern werden.“ Sachsen-Anhalt sei auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen. Viele dieser Menschen in Sachsen-Anhalt seien bestens integriert, sie leisteten in vielen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens einen unverzichtbaren Beitrag.

„Alles kommt auf den Tisch“

„Der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ist eine schreckliche Tragödie“, sagte Guido Heuer (CDU). Am 20. Dezember habe sich das Leben der Betroffenen nachhaltig verändert, „die Unterstützung der Betroffenen ist jetzt das wichtigste Thema, wir dürfen die Opfer nicht alleinlassen“. Die Tat habe das Land tief erschüttert, sie dürfe nicht parteipolitisch benutzt werden. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss solle unter anderem klären, ob und inwiefern bestehende Genehmigungsverfahren, Sicherheits- und Einsatzkonzepte sowie deren praktische Umsetzung für den Weihnachtsmarkt in der Stadt Magdeburg die Durchführung des Anschlages begünstigt oder ermöglicht hätten, so Heuer. Geklärt müsse werden, wie es zum mangelhaften Datenaustausch zwischen den verschiedenen Behörden habe kommen können, aber auch, warum das Tatfahrzeug nicht an eigentlichen Sicherheitsmaßnahmen (Bremsassistent, Airbag) gescheitert sei. Bis zum Ende der Legislatur werde alles auf den Tisch kommen, so Heuer, er versprach die konsequente parlamentarische Aufklärung anhand von Fakten und Ermittlungsergebnissen.

AfD fordert Rücktritt der Innenministerin

Die Landesregierung habe bisher keine Verantwortung für den Anschlag übernommen, kritisierte Matthias Büttner (AfD), sie versuche, „sich durchzumogeln“. „So kann das hier nicht weitergehen.“ Er verstehe nicht, wie der spätere Täter trotz verschiedener Kritikpunkte weiter im Maßregelvollzug habe arbeiten können. Auch die Sicherheitsbehörden des Landes hätten umfänglich versagt, darunter der Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt. Der Täter sei in den Social Media militant aufgetreten, es habe aber keine Konsequenzen gegeben, so sei das Attentat ermöglicht worden. Büttner forderte den Rücktritt von Innenministerin Dr. Tamara Zieschang, damit die Menschen das Vertrauen in den Staat zurückgewinnen könnten.

Dank an alle Helfenden

„Wir wollen und wir müssen über den Anschlag sprechen, weil wir damit auch das Andenken der Getöteten und Verletzten würdigen“, sagte Dr. Katja Pähle (SPD). Sie dankte allen Helferinnen und Helfern vor Ort und in den Kliniken und wertschätzte die Spendenbereitschaft der Menschen. Pähle drängte auf die vollständige Aufklärung der Tat, deren Hintergründe und Motive. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss sei mehr als angemessen, wenn es um die Aufklärung des schwersten Verbrechens auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts seit Jahrzehnten gehe. Drängende gesetzliche Änderungen könnten bereits parallel auf den Weg gebracht werden. „Die Welle der Solidarität ist die richtige Antwort auf das Geschehen, Gewalt ist es nicht“, ergänzte Dr. Falko Grube (SPD). „Der Täter wird nicht gewinnen, die Stadt ist stärker.“

„Warum wurde der Täter nicht ernst genommen?“

„Unser tiefes Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen“, betonte Eva von Angern (Die Linke). Die Menschen seien im Laufe jener Nacht zusammengerückt. Unmittelbar nach der Tat seien Menschen im Umfeld zu Helfenden geworden. Die Opferhilfe müsse vereinfacht werden, der entsprechende Fonds müsse finanziell ausreichend sein. Auch die rassistischen Folgetaten müssten aufgeklärt werden, forderte von Angern. Menschen aus zwanzig Nationen arbeiteten beispielsweise im Städtischen Klinikum Magdeburg, sie hätten sich um die Opfer gekümmert, und seien dann aufgrund ihres Migrationshintergrunds auf dem Weg nachhause angegriffen worden. Der Täter habe Aufmerksamkeit gesucht, er sei nicht unter dem Radar geflogen – warum also habe ihn niemand ausreichend ernst genommen?, fragte von Angern. Die Linke werde der Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses selbstverständlich zustimmen.

„Aufklärung ist Verpflichtung“

Die AfD nutze das Ereignis lediglich, um die Gesellschaft zu spalten, monierte Andreas Silbersack (FDP). „Unsere Gedanken sind indes bei den betroffenen Familien und Freunden.“ Dank gelte allen Helfenden. Den Anschlag zu vergessen, werde wohl niemandem gelingen, hoffentlich aber, mit entsprechender Hilfe in ein halbwegs normales Leben zurückzufinden, so Silbersack. „Die vollumfängliche Aufklärung ist unsere Verpflichtung und sind wir den Opfern schuldig.“ Fraktionskollege Guido Kosmehl (FDP) ergänzte: „Wir werden natürlich alles daransetzen, die staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht zu behindern, wir alle haben Fragen, auf die wir Antworten wollen.“ Aufgabe der Politik sei es, aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen, um dadurch besser für die Zukunft aufgestellt zu sein.

Konstruktiv in U-Ausschuss einbringen

Den Opfern dieser grausamen und nicht nachvollziehbaren Tat gälte alles Mitgefühl, sagte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Menschen im Land erwarteten zurecht eine lückenlose Aufklärung der Tat. „Schuld an dieser Tat trägt der Täter, und er wird sich verantworten müssen“, so Lüddemann. Gefahren seien insgesamt falsch eingeschätzt worden, so habe der spätere Täter öffentlich Drohungen ausgesprochen, ohne belangt zu werden; zudem habe das Sicherheitskonzept für den Weihnachtsmarkt Mängel aufgewiesen und sei nicht konsequent umgesetzt worden. Die Grünen würden sich konstruktiv in die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses einbringen, so die Fraktionsvorsitzende.

Anbindung an extreme Rechte

Der Anschlag von Magdeburg lasse jeden empathiefähigen Menschen fassungslos zurück, so Henriette Quade (fraktionslos). Das Sicherheitskonzept sei mangelhaft gewesen – insbesondere in Zeichen diffuser Gefahrenlagen sei es unverständlich, dass es in der Verantwortung privater Veranstalter gelegen habe und möglicherweise von Kosteneinsparungen beeinflusst gewesen sei. Sicherheitskonzepte dürften nicht allein auf dem Papier wirken, sondern müssten vor Ort in der praktischen Umsetzung geprüft werden. Das Attentat sei nicht allein eine Folge falscher Datenweitergabe, sondern einer falschen Datenanalyse. Die Fachstellen zur Erkennung von Gefahren hätten versagt. Die Radikalisierung des Täters sei durch die ideologische Anbindung an die extreme Rechte befeuert worden.

Verantwortung und Konsequenzen

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt habe die Stadt verändert, sagte Daniel Roi (fraktionslos). Die weihnachtliche Stimmung sei durch einen wahnsinnigen Täter zerstört worden, der sechs Menschen ermordet und dreihundert weitere verletzt habe. Das Verbrechen sei nicht nur eine Tragödie für die Betroffenen, sondern zöge auch politische Verantwortung und Konsequenzen nach sich. Es sei Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen sowie Illegale und Verbrecher abzuschieben.

Parlamentarischer Untersuchungsausschuss

Der Ausschuss soll planmäßig mit folgenden 13 Mitgliedern besetzt sein: Christian Albrecht, Thomas Krüger (Obmann), Tobias Krull, Xenia Sabrina Kühn und Karin Tschernich-Weiske (alle CDU), Matthias Büttner (Staßfurt), Ulrich Siegmund und Oliver Kirchner (alle drei AfD), Eva von Angern und Andreas Henke (beide Die Linke), Rüdiger Erben und Dr. Falko Grube (beide SPD), Guido Kosmehl (FDP) sowie Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses soll das Mitglied des Landtags Karin Tschernich-Weiske (CDU) werden.

Beschlüsse und Dokumente

Beschlüsse zur Regierungserklärung wurden nicht gefasst. Im Anschluss an die Debatte wurde die Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beschlossen. Die Änderungsanträge der Fraktionen von AfD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren zuvor abgelehnt worden. Bestätigt wurden die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des neuen Untersuchungsausschusses.

Alle Debattenbeiträge können imVideoarchiv des Landtags noch einmal angeschaut werden.