Nach seiner Wiederwahl als Ministerpräsident hielt Dr. Reiner Haseloff in der Oktober-Sitzungsperiode seine erste Regierungserklärung in der 8. Wahlperiode. Sie stand unter dem Titel „Wir gestalten Sachsen-Anhalt. Stark. Modern. Krisenfest. Gerecht. Chancen nutzen, Risiken minimieren – für ein modernes und krisenfestes Land“. Anschließend hatten die Fraktionen die Möglichkeit, zum Gesagten Stellung zu beziehen.
Land der Moderne und Innovationen
„Sachsen-Anhalt ist ein liebens- und lebenswertes Land der Moderne und Innovationen“, sagte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU), diese Prämisse soll der Zukunftsarbeit zugrunde gelegt werden. Der Koalitionsvertrag von CDU, SPD und FDP umfasse 157 Seiten, man stehe vor eine Fülle von Aufgaben und Problemen, darunter die Corona-Pandemie und der menschengemachte Klimawandel. Man müsse sich den Auswirkungen des Kohleausstiegs und der Transformation der Automobilbranche, aber auch dem demographischen Wandel stellen, so Haseloff. Die gesetzlichen Grundlagen für den Strukturwandel (auch vom Bund) müssten eine verlässliche Lebensplanung ermöglichen.
Ein klarer Akzent werde auf die Stärkung der Wirtschaft gesetzt, versprach Haseloff. Neue Lieferketten und Strukturen sollen geschaffen, nachhaltige Geschäftsideen gefördert werden. Innerstädtischer Handel und Tourismus als Querschnittsbranche sollen gestärkt werden. Die Daseinsvorsorge spiele eine entscheidende Rolle – sowohl in als auch durch den ländlichen Raum. Die Infrastruktur müsse sowohl im technischen (Digitalisierung, Verkehr) als auch im menschlichen (Bildung, Kultur, Gesundheit) Bereich gutaufgestellt sein. Unabdingbar sei auch ein gutfunktionierender Polizei- und Justizapparat für die innere Sicherheit.
Viele „Worthülsen“, wenig konkrete Lösungen
Es werde weder Politik für das Land noch für die Leute gemacht, kritisierte Oliver Kirchner (AfD). Die Landesregierung hätte es in den vergangenen Jahren versäumt, aktiv Einfluss auf die Zukunft des Landes zu nehmen. Nachhaltig an der skizzierten Politik sei nur die „Schuldensuppe“, die nachfolgende Generationen auszulöffeln hätten. Den Ministerpräsidenten bezeichnete Kirchner lediglich als „Befehlsempfänger“ aus Berlin. Der ländliche Raum in Sachsen-Anhalt habe jedoch andere Interessen und Probleme als die Menschen in der Hauptstadt, so der AfD-Fraktionsvorsitzende.
Außerdem kritisierte Kircher erneut die Corona-Politik der Landesregierung und ihre Folgen für die Bevölkerung. Der direkte Mehrwert durch Windkraft sei lediglich, dass die Menschen weiterhin die höchsten Stromrechnungen zahlen müssten. Im Koalitionsvertrag stünden oft nur „Worthülsen“, die wenig konkrete Lösungen unterbreiteten. „Der neue Rohstoff heißt Bürokratie, anders als Braunkohle wird er nicht abgebaut, sondern vermehrt sich auf wundersame Weise.“ Die Regierung sollte ihren Fokus besser darauf legen, den Menschen unter die Arme zu greifen, welche die Gesellschaft am Laufen hielten, so Kirchner abschließend.
Umwandlungen müssen gerecht erfolgen
Dr. Katja Pähle (SPD) unterstrich, wie wichtig die Einführung eines Mindestlohns von 12 Euro sei, da dieser für viele Menschen in Sachsen-Anhalt einen echten Mehrwert bedeutete. Zu einer „Kultur des Respekts“ gehöre neben einer auskömmlichen Rente auch eine anständige und bezahlbare Wohnung. Die SPD-Fraktionsvorsitzende betrachte die Energiewende als große Chance für die Gesellschaft: „Eine gelungene Energiewende wird man dem Land ansehen.“
Der ländliche Raum dürfte nicht länger als eine „Defizitregion“ im Vergleich zur Stadt betrachtet werden. Wenn die Digitalisierung gelinge, entstünden neue Möglichkeiten für bislang abgehängte Regionen. Daneben müsste und werde sich die Krankenhauslandschaft ändern. Die SPD stehe dafür ein, dass es bei zukünftigen Entwicklungen gerecht zuginge. Daher müsste Klimaschutz auch ein industriepolitisches Konzept sein und die öffentlichen Kosten der Umbrüche müssten solidarisch verteilt werden.
Wo wird der Rotstift angesetzt?
Der Ministerpräsident spreche von Krisenfestigkeit, habe gleichzeitig aber immer noch keine Luftfilter in den Schulen installiert und wisse nicht, wie der wichtige Katastrophenschutz finanziert werden solle, kritisierte Eva von Angern (DIE LINKE). Das Regierungsprogramm habe die „Unverbindlichkeit eines Poesiealbums“. Die Menschen benötigten konkrete Antworten und Zukunftsvisionen. Mit Blick auf die anstehenden Haushaltsberatungen vermutete sie, dass der Ministerpräsident plane, mit globalen Minderausgaben weiter am Parlament vorbei zu regieren. Das sei jedoch nicht akzeptabel.
Sozialschädliche Kürzungen werde es mit der Fraktion DIE LINKE nicht geben. Besonders Menschen mit kleinen Einkommen würden beispielsweise die Inflation bei jedem einzelnen Einkauf im Supermarkt spüren. Sie räumte ein, dass das Corona-Sondervermögen ein paar Finanzlöcher stopfen könnte. Dennoch sei es fatal, dass das Land die Niedrigzinsphase nicht für dringend nötige Investitionen nutze und nicht bereit sei, Schulden aufzunehmen. Außerdem hätten die Menschen ein Recht darauf zu erfahren, in welchem Bereich „der Rotstift“ angesetzt werden soll.
Leuchtturm der Innovation
Die 157 Seiten des Koalitionsvertrags beinhalteten Hoffnung, Aufbruch und Zukunft, konstatierte Andreas Silbersack (FDP). Dieses Positive brauche das Land, denn es stehe durch den Klima- und Strukturwandel vor Veränderungsprozessen. Wir leben in einer globalisierten Welt, so Silbersack, das Land zu entwickeln gelinge nur mit Hilfe von außen, durch eine gelebte Willkommenskultur. Das Land müsse es schaffen, ein „Leuchtturm für Innovation, Wissenschaft und Forschung“ zu werden. Denn so werde das Land auch für Arbeitsuchende interessant.
Die FDP wirbt für eine Erleichterung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Zum Thema Fachkräftemangel merkte der Fraktionsvorsitzende an: „Wir brauchen Zuwanderung“, mit den Menschen, die schon hier lebten, werde man die Herausforderungen in den unterschiedlichen Bereichen nicht bewältigen können. Es bedürfe zudem internationaler Projekte für die Entwicklung von Zukunftstechnologie. Das Land gewinne umso mehr an Attraktivität, je mehr die Digitalisierung vorangebracht werde.
Ambitionsloser Koalitionsvertrag
Allerorten seien Veränderungen zu gestalten, aber der Koalitionsvertrag von CDU, SPD und FDP enthalte viele Allgemeinplätze, die so ambitionslos seien wie der gesamte Koalitionsvertrag, so Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). „Schwarz-Rot-Gelb gestaltet nicht“, es handle sich um einen „Koalitionsvertrag in Sinne des Alten“, an den Interessen der jungen Generationen vorbei. Doch Klimaschutz beispielsweise brauche feste Leitplanken, es bedürfe eines Klimaschutzgesetzes, das die Ziele und deren Umsetzung klar benenne.
Lüddemann kritisierte das Verharren des Landes beim Kohleausstieg erst in 2038. Sie warb für Photovoltaikanlagen auf allen geeigneten Dächern im Land. Zu oft werde im Koalitionsvertrag auf den Bund und Europa verwiesen und sich vor der Verantwortung im Land weggeduckt. Statt die Historie des Landes als Müllimportland zu beenden, sollen noch mehr Deponien angelegt und noch mehr Müll importiert werden, monierte Lüddemann. Ein Demokratiefördergesetz werde es mit dieser Koalition nicht geben, gegen Hasskriminalität gebe es nach wie vor keine konkreten Handlungsoptionen.
Für nachhaltige Jobs sorgen
Die Lage in Sachsen-Anhalt sei vor 31 Jahren dramatisch gewesen, erinnerte Siegfried Borgwardt (CDU). Seither sei die soziale Infrastruktur enorm entwickelt worden, das Land sei verkehrstechnisch gut angeschlossen, die Arbeitslosigkeit sei kontinuierlich verringert worden. CDU, SPD und FDP hätten mit dem Koalitionsvertrag die Grundlage für eine stabile Regierung in den kommenden fünf Jahren geschaffen. Langfristig solle eine belastbare finanzielle Situation für das Land erreicht werden.
Durch den Kohleausstieg werde es zu einem enormen Strukturwandel im Süden des Landes kommen, hier wolle man (auch mit den Mitteln des Bundes) für nachhaltige Jobs sorgen. Der Bildungssektor soll auskömmlich und transparent gestaltet und komplett ans Glasfasernetz (schnelles Internet) angeschlossen werden. Die Ausbildung in den Erziehungs- und Gesundheitsberufen soll den dualen Ausbildungsberufen gleichgestellt und vergütet werden. Die Koalition wolle den CO2-Ausstoß verringern und sich für den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft im Land starkmachen, so Borgwardt.
Beschlüsse wurden am Ende der Regierungserklärung und deren Aussprache nicht gefasst.