Wulf Gallert (DIE LINKE):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde heute im Parlament noch einmal ein ganz besonderer Höhepunkt: ein Antrag der AfD, der eine Korrelation zwischen geschlossenen Grenzen und dem Automatisierungsgrade der Industrie herstellt. Darüber könnte man sich erst einmal wundern. Am Ende des Tages wird sich diese Verwundung wahrscheinlich humoristisch auflösen. Denn wenn dieser Kontext wirklich so funktionieren würde, dann hätte Nordkorea wahrscheinlich den höchsten Automatisierungsgrad der Welt. Das ist ja offensichtlich nicht so.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Guido Kosmehl, FDP, lacht)
Übrigens trifft das auch nicht auf die Nrn. 1 und 2 der Welt, Singapur und Südkorea, zu.
Interessant ist nicht nur diese falsche Konnexion. Interessant ist auch, von wem sie kommt. Diese Debatte, dass wissenschaftlich technischer Fortschritt Arbeitsplätze vernichtet und dass man dem substanziell skeptisch gegenübersteht, habe ich mir in den letzten Jahren häufig anhören dürfen. Ich habe es mir vor allen Dingen von AfD-Leuten anhören müssen. Deswegen lese ich einmal etwas vor:
Die permanente Hetze gegen den Diesel unterfüttert mit der CO2-Lüge hat schon dazu geführt, dass wir massive Einbrüche bei den Arbeitsplätzen, bei den Autozulieferern haben und dass die großen Autofirmen massiv Arbeitsplätze abbauen. Ich bringe nur beispielhaft ein paar Zahlen aus diesem Bereich der Zulieferer. Bosch hat gesagt, beim Diesel haben wir zehn Mitarbeiter, beim Benziner noch drei und beim E-Auto nur noch einen einzigen. Das heißt, sie werden ihre Belegschaft auf ein Drittel herunterfahren. - Von wem stammt das? - Von Herrn Farle, AfD,
(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
der sagte, wir dürften auf keinen Fall Elektroautos haben, weil sie die Arbeitsplätze in unserer Autoindustrie vernichten. Wir müssten die Dieselautos unbedingt beibehalten.
Jetzt kommt Herr Moldenhauer und will die Automatisierung haben, damit er die Grenzen zulassen kann. Manchmal wird es halt auch lustig bei den AfD-Anträgen.
(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)
Kommen wir noch einmal zu dem Bereich, in dem es wirklich wehtut. Man kann sich Statistiken darüber anschauen, in welchen Bereichen es den höchsten Anteil an Menschen gibt, die über die Arbeitsmigration zu uns kommen. Das ist der Bereich der personennahen Dienstleistungen.
(Katrin Gensecke, SPD: Richtig! - Zurufe von der AfD)
Schauen Sie sich doch einmal die Situation im Bereich Tourismus an. Schauen Sie sich das Gaststättengewerbe an. Schauen Sie sich den Bereich der Pflege an.
(Zustimmung bei der LINKEN und von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Ja, ich weiß, auch dort wird darüber diskutiert.
(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)
Aber ehrlich gesagt: Der Pflegeroboter ist für mich nicht die Alternative. Deswegen läuft Ihr Antrag vollständig ins Leere und er geht vollständig an der Realität vorbei, werter Herr Moldenhauer.
(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)
Ich möchte ein Argument ansprechen, das durchaus zu diskutieren ist. Es geht um die Frage, dass Leute nach Deutschland kommen, weil sie bei uns mit ihrer Qualifikation Tätigkeiten ausführen können, die sie in ihren Heimatländern nicht ausführen können.
(Zuruf von Lothar Waehler, AfD)
Ich habe bereits es gesagt: Den höchsten Grad von Zuwanderung haben wir in dem Bereich der personenbezogenen Dienstleistung. In diesem Bereich ist die Qualifikation vorhanden, die Sprache nicht immer.
Aber das hat im Endeffekt dazu geführt, dass qualitative Tätigkeiten z. B. in Polen und Tschechien heute deutlich höher bezahlt werden, weil der Wettbewerb um die qualifizierten Arbeitskräfte zu einem Schub von Lohnentwicklungen in diesen Ländern geführt hat. Das finde ich ausdrücklich positiv, und zwar für Polen und für Tschechien. - Danke.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Gallert. - Herr Dr. Moldenhauer hat eine Zwischenintervention.
Dr. Jan Moldenhauer (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte eine kurze Anmerkung machen. Diese Einlassung mit den geschlossenen Grenzen ist natürlich grober Unfug, weil natürlich
(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja, ja! - Zurufe von Dr. Falko Grube, SPD, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Sage ich ja auch.
Dr. Jan Moldenhauer (AfD):
- ich warte einfach, bis Ruhe ist - die deutschen Außengrenzen geöffnet bleiben. Es war von außereuropäischer Zuwanderung die Rede. Sie alle kennen das EU-Recht. Darauf muss ich nicht weiter eingehen. Es gibt die Freizügigkeit; das ist Ihnen bekannt. Damit ist das mit Nordkorea auch Affentheater. Also Sie können das so sagen, aber das geht völlig am Thema vorbei.
(Guido Kosmehl, FDP: Nordkorea ist Affentheater!)
Sie haben auf den Gesundheitssektor angespielt. Dabei muss man natürlich genau gucken, an welchen Stellen Technisierung Sinn macht und an welchen nicht. Aber ich weiß nicht, ob ihnen bekannt ist, dass der Deutsche Ethikrat in bestimmten Feldern der Pflege und des Gesundheitswesens Automatisierung befürwortet und dass es auch sehr interessante Pilotprojekte gibt. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Gallert, wollen Sie darauf reagieren?
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Ja. Wie ich die Rede von Herrn Farle herausgesucht habe - die AfD, der Feind der Automatisierung der Automobilindustrie -, könnte ich Ihnen, Herr Moldenhauer, die Reden von AfD-Leuten heraussuchen, die die Europäische Union ausdrücklich deswegen ablehnen, weil es in der Europäischen Union die Arbeitnehmerfreizügigkeit gibt.
(Dr. Katja Pähle, SPD: Richtig! - Zuruf von Thomas Korell, AfD)
Ich meine, das ist doch im Grunde genommen sozusagen Ihre Argumentationslinie. Herr Moldenhauer, Sie müssen doch einmal überlegen, welche Argumentation Ihre Kollegen und zum Teil Sie selber hier anführen.
(Zuruf von Dr. Jan Moldenhauer, AfD)
Dann gehen Sie ins genaue Gegenteil und widerlegen im Grunde genommen das, was Sie ansonsten an Forderungen in Ihrer Fraktion aufstellen. Ich weiß, dass diese Widersprüche in den sozialen Medien innerhalb von 30 Sekunden nicht zum Ausdruck kommen. Aber Sie müssen schon akzeptieren, dass hier Leute sitzen, die mitdenken und die die Widersprüche, die Sie hier vorn produzieren, aufklären.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Jeden Tag ein anderer! - Zuruf von Dr. Jan Moldenhauer, AfD)
Natürlich gibt es in allen Bereichen die Automatisierungsmöglichkeiten. Es gab vor Kurzem
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Gallert, Sie nehmen das jetzt aber nicht zum Anlass, noch einen Redebeitrag in voller Länge zu halten?
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Das ist aber schade, Frau Keding.
(Lachen bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Sie selbst haben darauf hingewiesen, dass wir noch einiges vorhaben.
(Zurufe von der AfD und von der SPD)
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Ich werde darauf verzichten, weiter für Aufklärung zu sorgen
(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Da können Sie noch was lernen!)
und werde mich gemäß Ihrem Wunsch vom Rednerpult entfernen. - Danke.