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Plenarsitzung

Transkript

Monika Hohmann (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz ehrlich, es ist wirklich beschämend, wie hier im Hohen Haus mit Menschen umgegangen wird, die ein geringes Einkommen haben und die im Hartz-IV-Bezug sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Also es ist beschämend, wie sie hier gegeneinander ausgespielt werden und mit welchen, ich sage einmal, Unwissenheiten und Halbwahrheiten hier argumentiert wird. Also da muss man wirklich tief Luft holen.

Vielleicht noch einmal ganz kurz zu Herrn Kurze. Man muss oder man kann den Eindruck gewinnen, dass Sie meinen, dass in Zukunft alle nur noch Bürgergeld haben wollen, weil keiner mehr arbeiten gehen möchte.

(Markus Kurze, CDU: Es melden sich jetzt schon viele ab!)

Sie sagten, dass sie sich jetzt vom Arbeitsmarkt abmelden.

(Zuruf: Ja!)

Aber bevor sie ins Bürgergeld kommen,

(Dr. Katja Pähle, SPD: Kriegen sie doch erst mal Arbeitslosengeld I!)

kriegen sie doch erst mal Arbeitslosengeld I, und das mindestens ein Jahr lang, je nachdem, wie lange sie vorher gearbeitet haben. Also zieht auch dieses Argument nicht. Dann haben Sie eine Berechnung aufgemacht, woraufhin Sie gesagt haben, dass diejenigen, die im SGB-II-Bezug sind, natürlich die Bildungs- und Teilhabeleistungen erstattet bekommen. Dazu zählt natürlich auch die Erstattung der Kosten für den Kita-Beitrag.

Diejenigen, die Wohngeld und Kinderzuschlag bekommen, erhalten ebenfalls genau die gleichen Leistungen. Sie haben vergessen, das zu erwähnen,

(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)

bzw. haben Sie es ganz diskret weggelassen.

Noch ein letztes Wort, bevor ich zu meiner Rede komme.

(Zuruf: Ihre Redezeit! Das wollte ich schon immer mal sagen!)

Die CDU kämpft für bessere Gehälter. Ich habe gerade in dieser Woche in der „MZ“ lesen müssen, dass Ihr Kollege Herr Thomas sich sehr über die Einführung des Mindestlohnes ab dem 1. Oktober 2022 in Höhe von 12 € echauffiert hat. Das geht aus seiner Sicht überhaupt nicht in Ordnung. Und Sie sagen, dass Sie für bessere Gehälter sind. Also irgendwas passt dabei natürlich nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun komme ich aber zu meiner Rede. Herr Pott hat es schon angesprochen. Ja, tatsächlich, wir haben in der letzten Landtagssitzung einen Antrag von uns zum Thema Bürgergeld gehabt, der von der Koalition abgelehnt worden ist. Wie es schon in der letzten Plenarsitzung erwähnt wurde, stellt auch dieser aktuelle Gesetzentwurf auf der Bundesebene keine Überwindung von Hartz IV dar. Er führt dementsprechend auch nicht zu einem grundsätzlichen Systemwechsel.

So sind die Ansätze des Entwurfs zu befürworten, aber leider reichen diese nicht zur Etablierung einer armutsfesten Grundsicherung aus. Die Logik und die typischen Charakteristiken des bestehenden Hartz-IV-Systems werden weiterhin bedient. Hierzu zählen bspw. die niedrig gerechneten Regelleistungen sowie die Sanktionen. Dementsprechend haben wir schon beim letzten Plenum erläutert, dass es weiterer notwendiger Schritte bedarf, um allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen und um Teilhabe am Erwerbsleben zu befördern. Es stellt für die Betroffenen und Leistungsbezieherinnen in Summe nur einen Tropfen auf den heißen Stein dar.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Selbst wenn nur bestimmte Personengruppen die Verbesserungen des Bürgergeldes spürbar im Alltag vernehmen würden, ist es unter den gegebenen Inflations- und Teuerungsraten mehr als verwerflich, an diesen rütteln zu wollen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

CDU und CSU wollen, obwohl mit dem Bürgergeld im Wesentlichen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nachvollzogen werden, mit denen das bestehende Hartz-IV-System abgemildert werden soll, selbst diese Verbesserungen nicht mittragen. Hierbei stellt sich zwar noch die Frage, ob die CDU ein Problem mit dem Urteil hat oder dieses noch nicht zur Kenntnis nehmen konnte; es zeigt aber die grundlegende Verachtung all jener, die, aus welchen Gründen auch immer, im Leistungsbezugssystem sind.

Der Umgang mit dem Bürgergeldentwurf sowie die Äußerung über Menschen im Leistungsbezug waren in den letzten Wochen mehr als herabwürdigend, und es wurden Menschen in einer Art und Weise stigmatisiert, die ich einfach nur entsetzlich finde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

So haben CDU und CSU ihr Ziel erreicht und am 14. November 2022 mit einer parteipolitisch motivierten Blockade im Bundesrat das Bürgergeldgesetz in den Vermittlungsausschuss gebracht.

Nicht nur, dass die Einführung zum 1. Januar 2023 vorab schon gefährdet war, wird dieses Verhalten jetzt definitiv die Menschen in Sachsen-Anhalt zu den Leidtragenden machen. Wer genau wird dieses Verhalten mittragen müssen? - Zum einen all jene, die auf die Grundsicherung und aktuell auf jeden Cent mehr angewiesen sind, zum anderen die Beschäftigten in den Jobcentern, welche schlussendlich unter Hochdruck die Reform umsetzen und praktizieren müssen und ggf. auch das Leid sowie den Unmut der Leistungsbezieherinnen vernehmen können, weil diese Blockade alles verzögert hat.

Doch schauen wir uns die Aussagen seitens der CDU einmal genau an. So war das grundlegende Argument, das Arbeiten würde sich nicht mehr lohnen, wenn das Bürgergeld wie geplant eingeführt wird, und die Grundsicherung käme dann einem bedingungslosen Grundeinkommen gleich. Begründet werden diese Aussagen mit der vollständigen und unbegrenzten Heizkostenübernahme, mit den Karenz- und den Vertrauenszeiten, mit den an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts angepassten Leistungsminderungen und mit dem anfänglich erhöhten Schonvermögen. All dies soll die Motivation, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren, hemmen - laut Friedrich Merz. Ich finde dies schwierig und kann dies auch nicht nachvollziehen.

Wie wir schon feststellten, bleibt das Bürgergeldgesetz vollkommen im Sinne der bestehenden Grundsicherungslogik. Das ALG II ist als Teil eines Leistungs- und Maßnahmenkatalogs zu verstehen, das die Arbeitsmarktintegration als Ziel hat. Neben den gewährten Geldleistungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts sind weitere Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik in Form von Sach- und Dienstleistungen vorgesehen und die Leistungsempfängerinnen sind an ein Fallmanagement gebunden.

Das SGB II verfolgt explizit das Prinzip Fördern und Fordern. Damit ist das Prinzip der Eigenverantwortung und der Mitwirkung des Leistungsempfängers gemeint. Damit verbunden sind auch Sanktionen in Form von Leistungskürzungen, wenn die Mitwirkung nicht geschieht. Falls ein Leistungsempfänger ohne wichtigen Grund die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit verweigert, kann die Regelleistung gekürzt werden.

Da das Bürgergeld eben keine Abwendung von dem Prinzip des Förderns und Forderns mit sich bringt, wie in der letzten Plenarsitzung erläutert, erfüllt es somit eben nicht den Charakter eines Grundeinkommens. Ich kann aus dieser Behauptung nur schließen, dass die CDU jede sachliche Debatte über die Webfehler ihrer Denkmuster verweigert, um ihren Kollegen Hermann Gröhe in Teilen zu zitieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den nächsten Aspekt der Blockadehaltung der CDU eingehe, möchte ich noch einmal die Zahl der erwerbslosen Leistungsberechtigten in Deutschland im Juni 2022 nennen. Das wäre vielleicht auch für die AfD sehr interessant. Es sind 3,8 Millionen Menschen. Hiervon befinden sich 2,28 Millionen Menschen im aufstockenden Leistungsbezug. Mehr als die Hälfte der Menschen befindet sich im aufstockenden Leistungsbezug!

Auf der Webseite der Bundesagentur für Arbeit findet sich hierzu die folgende Erläuterung: Wenn Ihr Einkommen nicht für Ihren Lebensunterhalt bzw. den Ihrer Bedarfsgemeinschaft reicht, können Sie es mit Arbeitslosengeld II ergänzen - ich sage einmal: aufstocken. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie angestellt oder selbstständig sind. Sie können diese Leistungen beim Jobcenter beantragen.

Liebe CDU in Sachsen-Anhalt, Sie sind dem Aufruf der Bundes-CDU unter dem Argument „Arbeit muss sich lohnen“ gefolgt und haben sich aufgrund der Nichteinigung der Koalition am Montag der Stimme enthalten, obwohl Ihnen klar ist, dass wir in Deutschland 2,28 Millionen Erwerbstätige haben, welche mit ihren eigenen Einkommen nicht für ihren Lebensunterhalt bzw. für diejenigen, die mit in der Bedarfsgemeinschaft leben, aufkommen können.

DIE LINKE setzt sich seit Jahren für den Mindestlohn, für die Sozialversicherungspflicht in jedem Arbeitsverhältnis sowie für die Tarifbindung ein und kämpft für die Umwandlung von Leiharbeit in reguläre Jobs und steht an der Seite der Gewerkschaften sowie der Arbeitskämpfe.

Sie können sich darauf verlassen, dass aus unserer Sicht das Bürgergeld eben keine Überwindung von Hartz IV darstellt. Ich kann Ihnen auch jetzt schon sagen, dass unsere Vertreterinnen im Vermittlungsausschuss sich für den Entwurf des Bürgergeldgesetzes, wie vom Bundestag beschlossen, einsetzen werden, wohlwissend, dass es noch nicht der große Wurf war. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)