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Plenarsitzung

Transkript

Chris Schulenburg (CDU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Der Verfassungsschutz ist ein wichtiger Eckpfeiler der deutschen Sicherheitsarchitektur,

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

der sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten bewährt hat. Wer die politische Axt an den Verfassungsschutz anlegt, der gefährdet nicht nur die freiheitliche demokratische Grundordnung, sondern auch die Sicherheit unserer Bürger.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Legislative hat per Gesetz festgelegt, was der Verfassungsschutz darf und was nicht. Wenn Sie der Auffassung sind, dass der Verfassungsschutz seine Kompetenzen überschreitet, dann steht Ihnen der Rechtsweg offen. Das ist das Gute, das ist der Vorteil, dass wir in einem Rechtsstaat leben und nicht in einer Diktatur.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Die Gefährdungslage hat sich in den letzten Jahren verändert. Es geht nicht nur um die Beobachtung von Links- und von Rechtsextremismus, sondern seit den Anschlägen am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und auf das Pentagon ist ein weiteres Beobachtungsobjekt hinzugekommen: Die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus und Extremismus ist unverändert hoch und wir müssen auch in Deutschland mit Anschlägen rechnen.

Ich erinnere an dieser Stelle an den schweren Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz mit zwölf Toten und mehr als 50 Verletzten. Der Verfassungsschutz muss zwingend potenzielle Gefährder in Deutschland beobachten und dort eng mit den internationalen Partnern zusammenarbeiten.

(Zuruf von der AfD: Abschieben!)

Die Beobachtung dient auch dazu, gerichtsfeste Erkenntnisse über die Szene zu sammeln. Dass dieser Weg effektiv ist, zeigen die vielen Vereinsverbote und verhinderten Ausreisen im Bereich des islamistischen Terrorismus und Extremismus.

Wachsende Strukturen müssen frühzeitig im Kern durch staatliches Handeln erstickt werden. Nur dadurch können wir eine flächendeckende Vernetzung von Extremisten verhindern. In einer Zeit der Globalisierung ist die Spionageabwehr ein weiteres Aufgabengebiet des Verfassungsschutzes: zum Schutz der deutschen Wirtschaft und unseres Wohlstandes.

Fremde Nachrichtendienste wollen an sensible Daten gelangen, um die eigene Wirtschaft zu stärken und um unsere zu schwächen. Außerdem unterwandern fremde Dienste Oppositionelle, versuchen und betreiben Desinformation in ihrem Interesse. Der Technologiediebstahl für Massenvernichtungswaffen und für Trägersysteme gefährdet auch unsere Verteidigungs- und Sicherheitsstruktur. Die Wirtschaft und die Wissenschaft in Deutschland sind Zielobjekt von staatlichen Diensten, und der Verfassungsschutz sammelt Informationen, er klärt Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf und wehrt so Spionagetätigkeiten und Sabotageaktivitäten ab.

Eine weitere Bedrohungslage ist in den letzten Jahren massiv angewachsen: Cyberangriffe durch Kriminelle und ausländische Nachrichtendienste. Unsere sensible Infrastruktur in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, aber auch in den Bereichen der Exekutive, der Judikative und der Legislative beschäftigen den Verfassungsschutz und die Strafverfolgungsbehörden zunehmend. Die Cyberabwehr des Verfassungsschutzes hat deshalb eine wichtige Aufgabe. Es geht darum, Cyberangriffe frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Die gefährdeten Institutionen müssen sensibilisiert werden und die Schutzmaßnahmen müssen entsprechend der veränderten Sicherheits- und Bedrohungslage angepasst werden. Nur so können wir in Deutschland unseren Wohlstand und unser Wirtschaftswachstum sichern.

Aber warum hören wir immer wieder Forderungen - egal ob nun von links oder von rechts  , dass der Verfassungsschutz angeblich seinen gesetzlichen Auftrag überschreitet oder am liebsten abgeschafft werden sollte? Werfen wir einmal einen Blick nach rechts. Die Junge Alternative für Deutschland, JA, ist bekanntlich die offizielle Jugendorganisation der AfD. Im Verfassungsschutzbericht des Bundes aus dem Jahr 2021 heißt es - ich zitiere  :

„Die Verlautbarungen und die Programmatik der JA sind durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt. Sie verstoßen gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes und stehen im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“

Jetzt einmal ein Blick nach links. Im Verfassungsschutzbericht des Bundes aus dem Jahre 2021 heißt es - ich zitiere  :

„Insbesondere Trotzkisten streben auch politischen Einfluss im parlamentarischen Raum an. Dazu soll die Partei DIE LINKE zu einer revolutionären Arbeiterpartei umgeformt werden. Trotzkistische Strukturen wie das Netzwerk ‚marx21‘ oder Bundesarbeitsgemeinschafen wie die ‚Antikapitalistische Linke‘ (AKL) agieren offen im Bereich der Partei. Die AKL nutzt dabei - genau wie die marxistisch-leninistische KPF - bewusst die finanziellen und strukturellen Vorteile, mit denen die Partei ihre Bundesarbeitsgemeinschaften unterstützt.“

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

Ich glaube, diese beiden Beispiele machen deutlich, warum es immer Forderungen von links oder auch von rechts gibt und warum diese im Kern versuchen, den Verfassungsschutz zu diskreditieren. Man fühlt sich beobachtet. Man hat Angst davor, dass die Bevölkerung die tatsächlichen Aktivitäten und Bestrebungen der Partei kennt. Die CDU wird eben nicht die politische Axt an den Verfassungsschutz anlegen,

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und Stefan Ruhland, CDU)

Wir werden alles dafür tun, dass der Verfassungsschutz die technischen, die personellen und die finanziellen Mittel erhält, damit sie ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen können. Der Verfassungsschutz muss in alle Richtungen blicken können und erst recht bei denen, die zum politischen Sturz aufrufen und deren Äußerungen nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Dafür werden wir sorgen und, ja, der Verfassungsschutz ist in einer guten Verfassung.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Schulenburg, es gibt Fragen, zuerst von Frau Quade. Wollen Sie diese beantworten?


Chris Schulenburg (CDU):

Ich kenne ja die Frage noch nicht.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann, Frau Quade, können Sie die Frage stellen.


Henriette Quade (DIE LINKE):

Herr Schulenburg, weil Sie den Anschlag auf den Breitscheidplatz im Jahr 2016 ernsthaft als Beispiel für die gute Arbeit des Verfassungsschutzes gebracht haben, will ich, obwohl ich sehr versucht wäre, hier viele Dinge in einer Kurzintervention zu hinterfragen, Ihnen nur die simple Frage stellen: Was genau hat aus Ihrer Sicht der Verfassungsschutz beim Fall Anis Amri zur Verhinderung des Anschlages und zur Sicherheit beigetragen?

(Zuruf von der AfD: Nichts!)


Chris Schulenburg (CDU):

Sehr geehrte Frau Kollegin, es sollte nur ein Beispiel dafür sein, dass die Gefahr weiterhin groß ist,

(Zuruf von der AfD)

weil es auch zu Anschlägen kam. In der Vergangenheit sind Anschläge im islamistischen Bereich durch den Verfassungsschutz auch verhindert worden.

(Zustimmung von der CDU - Zuruf von der AfD: Der aber nicht!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Noch eine kurze Nachfrage, Frau Quade?


Henriette Quade (DIE LINKE):

Herr Schulenburg, aus Ihrer Antwort schließe ich, dass Sie sich mit dem Fall Anis Amri nicht beschäftigt haben; denn es ist so, dass der Verfassungsschutz nicht nur einen V-Mann im unmittelbaren Umfeld des Attentäters hatte, sondern auch über die eigene Rolle, wie beim NSU und wie bei vielen anderen Fällen, die Öffentlichkeit und das Parlament getäuscht hat. Das ist umfassend dokumentiert. Ausgerechnet mit dem Fall Anis Amri hier zur Legitimation des Verfassungsschutzes zu kommen, zeigt, dass Sie sich nicht einmal ernsthaft mit der Kritik beschäftigt haben.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können noch einmal reagieren, wenn Sie wollen.


Chris Schulenburg (CDU):

Nochmals, Frau Quade: Ich habe mit diesem Beispiel nur deutlich machen wollen, dass es eine latente Gefahr gibt. Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wir können nicht jeden Anschlag verhindern, weil diese Strukturen gerade im Verborgenen agieren. Deshalb brauchen wir einen Verfassungsschutz. Das zeigen auch die Beispiele aus der Vergangenheit, weil der Verfassungsschutz in der Vergangenheit auch Anschläge verhindert hat, durch seine Arbeit.

(Beifall bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

So. Dann gibt es noch eine Frage von Herrn Kirchner. Wollen Sie sie beantworten? - Ja. - Herr Kirchner, Sie können sie stellen.


Oliver Kirchner (AfD):

Ich habe es mir sehr genau angehört, was Sie gesagt haben, Herr Schulenburg. Wäre es ob der Vorfälle, die Sie in Ihrer eigenen CDU hatten, mit einem Kai M., der „Glückwunsch und Sieg Heil, Herr Hauptmann!“ in einer Mail geschrieben hat, Mitgliederbeauftragter der CDU, oder mit einem Denny O., der einen Hitlergruß am Mahnmal der russischen Soldaten gezeigt hat, vielleicht nicht wichtiger, sich selbst zu überprüfen und den Verfassungsschutz gegen sich selbst zu richten? Ich weiß, dass es schwer ist, weil Sie selbst den Verfassungsschutz unter sich haben, im Innenministerium. Vielleicht sollte man dort anfangen, bevor man in die rechte oder linke Ecke schaut; denn bei Ihnen gibt es genug diesbezüglich zu finden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD - Guido Heuer, CDU: Oh!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort, bitte.


Chris Schulenburg (CDU):

Der große Unterschied, Herr Kirchner, ist, dass es Einzelfälle gibt,

(Oliver Kirchner, AfD: Viele!)

aber bei Ihnen ist das systematische, das strukturelle Problem in der JA vorhanden.

(Oliver Kirchner, AfD: Bei uns hat so was keiner gesagt!)

Das ist der große Unterschied, warum die JA genauer beobachtet wird und die Junge Union eben nicht.

(Zustimmung bei der CDU - Stefan Ruland, CDU: Das ist das Problem!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Damit sind wir am Ende der Debatte angelangt. Wir können auch diesen Tagesordnungspunkt schließen, da, wie bekannt ist, in einer Aktuellen Debatte nichts beschlossen wird.