Wulf Gallert (DIE LINKE):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat auf die epochale Bedeutung dieses Gesetzes hingewiesen. Diese epochale Bedeutung allerdings schmilzt wie Schnee in der Sonne, wenn man sich einmal anschaut, was mit dem Gesetz eigentlich genau geregelt ist und - was viel schlimmer ist - was ab jetzt überhaupt nicht mehr geregelt ist. Klar, es gibt für uns eine einzige primäre Perspektive auf dieses Gesetz, und das ist tatsächlich nicht die Perspektive der Arbeitgeberverbände, sondern die Perspektive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und deren Interessenvertretungen Gewerkschaften. Diese Perspektive kann man einnehmen, wenn man dieses Gesetz beurteilt. Dann merkt man, es hält nicht, was es verspricht. Aus der Perspektive der Arbeitnehmerinneninteressen ist deren Schutz hierin so abgesichert wie bei einem Schweizer Käse, nämlich löchrig wie nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will das begründen: Die zentrale Änderung gegenüber dem alten Gesetz ist die von CDU und FDP gefeierte Anhebung der Schwellenwerte, und zwar im Baubereich von 50 000 € auf 120 000 € und im Bereich der Dienstleistungen von 25 000 € auf 40 000 €. Warum ist das so entscheidend? Das ist deshalb so entscheidend, weil wir wissen, dass viel mehr im kommunalen Bereich als auf der Landesebene viele Aufträge, die der öffentliche Auftraggeber geben wird, genau diese Schwellenwerte unterschreiten werden.
Jetzt kommen wir, Herr Hövelmann, zu Ihrem Beispiel, nämlich der Reinigungskraft in der Amtsstube einer Gemeinde. Da haben wir genau dieses Problem, dass wir schon bei dem alten Grenzwert von 25 000 € die Situation hatten, dass auf einmal Leistungen unterschiedlich ausgeschrieben wurden. Da gab es Ausschreibungen, bei denen in einer Schule jede Etage extra zur Reinigung ausgeschrieben wurde. Warum? - Weil man den Schwellenwert von 25 000 € unterschreiten wollte. Den erhöhen wir jetzt auf 40 000 € und laden geradezu dazu ein, dieses Gesetz nicht anzuwenden, indem man die Ausschreibung so macht, dass man diesen Schwellenwert unterläuft. Das ist eine Niederlage.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist eine ganz eindeutige Niederlage. Ich befürchte, die von Ihnen angeführte Reinigungskraft wird nichts von diesem Gesetz haben. Aber es geht weiter.
(Der Redner hustet)
Es verschlägt einem die Sprache.
(Heiterkeit - Sandra Hietel-Heuer, CDU: Dann hören Sie doch auf!)
Wir hatten zumindest beim Entwurf noch die Möglichkeit, dass es dezidiert soziale und ökologische Kriterien gibt, die in diesen Bereich hineingenommen werden würden. - Kann nicht jemand einmal eine Frage stellen?
(Heiterkeit)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Gallert, möchten Sie vielleicht ein Bonbon?
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Nein, ein Bonbon wird zu gefährlich für die erste Reihe.
(Heiterkeit)
Das lassen wir jetzt einmal - Wir hatten noch im Entwurf, dass soziale und ökologische Kriterien ausdrücklich hineinkommen. Sie sind aufgezählt worden. Inzwischen ist der gesamte § 4 zur Makulatur geworden - Kollege Silbersack nickt übrigens -, und zwar deshalb, weil es im Grunde genommen nur noch eine Kannregelung ist. Jemand kann sich dafür interessieren, wie die soziale Situation in den Unternehmen ist, wenn er ausschreibt, er muss es nicht.
(Ulrich Thomas, CDU: Das war doch vorher auch schon so!)
- Ja, aber nicht bei Ihrem Entwurf. Darin stand explizit „sollen“. - Jetzt kommen wir noch zu einer anderen Situation: last minute, ILO-Kernarbeitsnorm, dass wir in der Beschaffung keine Produkte aus Zwangsarbeit, aus Kinderarbeit, aus ähnlichen Dingen nehmen. Dazu hat sich die Bundesrepublik Deutschland längst verpflichtet, nicht in den beiden Dingen, die wir neu angepackt haben, aber zumindest in den alten. In der letzten Sekunde ist diese Sollvorschrift, die im zweiten Absatz ausdrücklich festgelegt hat, die Leute müssen nachweisen, dass sie solche Produkte nicht einsetzen, einfach zu einer Goodwill-Entscheidung gemacht worden. Wenn ihr wollt, könnt ihr darauf achten, ansonsten könnt ihr machen, was ihr wollt. Da sage ich noch einmal ganz klar, das ist eine radikale Verschlechterung dieses Gesetzes.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt eine einzige Verbesserung, die während dieser Beratung stattgefunden hat, nämlich dass die Bestimmung, der Wirtschaftsminister kann im Grunde genommen dieses Gesetz nach Gutdünken außer Kraft setzen, wieder gestrichen wurde. Aber sie wurde nicht gestrichen, weil die Koalition das Einsehen hatte, dass man so etwas nicht macht, sondern weil der GBD gesagt hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist schlichtweg verfassungswidrig. Ihr könnt kein Gesetz verabschieden, in dem steht, ob es angewendet wird, entscheidet der Wirtschaftsminister je nach Einschätzung der Lage. Das funktioniert nicht. Das ist das einzige, was gestrichen wurde.
An der Stelle sagen wir noch einmal ganz klar: Dafür kann sich die SPD feiern, aber die Löcher in diesem Gesetz sind so groß, dass die dicken Überschriften dazu in Wahrheit so klein werden müssten. - Danke.
(Beifall bei der LINKEN)