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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich sagen: Die Koalitionsfraktionen lehnen nach Ausschussbefassung die drei vorliegenden Anträge ab, weil sie in der Sache durch das Handeln der Bundesregierung aktuell erledigt sind; möglicherweise nicht immer zur Zufriedenheit der Antragsteller, aber die Bundesregierung hat alle aufgeworfenen Fragen bearbeitet. Der Bundestag ist zum Teil noch dabei, eine entsprechende Gesetzgebung zu erarbeiten. Alles ist sozusagen in Arbeit.

Wir haben bereits vor der Ausschussbefassung im Plenum im Einzelnen zu den Themen debattiert. Ich muss meine Beiträge dazu nicht wiederholen. Wir haben in den vergangenen Monaten in diesem Haus mehrfach über Übergewinnsteuern debattiert und zusammen erarbeitet, dass solche Steuern rechtlich möglich sind, erhoben werden könnten und historisch bereits erhoben wurden. Wer noch zweifelt, der kann dazu in der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen vom Juli 2022 nachlesen.

Wir haben unsere Differenzen in der Frage offengelegt, ob eine solche Erhebung geboten, sinnvoll oder wünschenswert wäre. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung einen anderen Weg gewählt hat, um dafür zu sorgen, dass die Profiteure der Energiepreiskrise auch an den Lasten beteiligt werden. Der erwähnte Wissenschaftliche Beirat ist übrigens kein kommunistischer Havanna-Raucherklub und rät von der Erhebung einer Übergewinnsteuer ab. Er stellt aber fest, dass Gewinne ohne besondere Leistungen die Frage nach Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit sehr wohl evozieren. Er stellt des Weiteren fest - ich zitiere  :

    „Tatsächlich muss die Politik sich in solchen Gerechtigkeitsfragen positionieren und gesellschaftliche Entscheidungen zu Fragen der Verteilung und Umverteilung treffen.“

Dieser Aufforderung will ich gern nachkommen. Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2021 hat die öffentliche Hand Steuern in Höhe von 833 Milliarden € eingenommen. Davon entfielen 218 Milliarden € auf die Lohnsteuer und immerhin 72,3 Milliarden € auf die Einkommensteuer von Selbstständigen - zusammen ca. 300 Milliarden €. Ganze 145 Milliarden € kamen aus der Kapitalertragsteuer, der Körperschaftsteuer, der Gewerkschaftsteuer und der Erbschaftsteuer zusammen.

Arbeit trägt in diesem Land doppelt so viel Steuerlast wie Kapital. 25 % plus Solidaritätszuschlag plus ggf. Kirchensteuer beträgt die Kapitalertragsteuer, egal wie hoch der Ertrag ist.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Und wer hat das eingeführt?)

Im progressiven System der Lohnsteuer erreicht ein allein Veranlagter diesen Steuersatz bei etwas über 4 000 € Arbeitnehmerbrutto.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Das heißt, einer berufserfahrenen Grundschullehrerin in der Entgeltgruppe E 11 knöpfen wir mehr Steuern auf den Ertrag ihrer Arbeit ab als dem Privatier, der von den Zinsen seines Vermögens lebt, für den Ertrag desselben. Oder anders: Die Führungskraft mit ordentlichem Anlagevermögen aus fleißigem Führungskraftdasein zahlt für den Ertrag aus dem täglichen, ggf. langen und harten Arbeitstag weit mehr Steuern als für die Dividenden aus dem Aktienportfolio, das ganz allein und still vor sich hinarbeitet und nur gelegentlich einen kontrollierenden Blick auf den Tagesstand des Dax benötigt. Das ist ungerecht und leistungsfeindlich.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das stimmt!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gerade in den letzten drei Jahren gelernt, dass ein schwacher, outgesourcter Staat nach dem Motto „Der Markt regelt die Dinge des Lebens schon“ nicht funktioniert,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das stimmt gar nicht!)

in Krisen nicht, bei der Bewältigung großer gesellschaftlicher Veränderungen nicht und bei der Herstellung von Gerechtigkeit schon gar nicht.

Die Probleme der Finanzierung eines Schattenstaates, auch außerhalb von Krisen, sind nicht auf die Weise zu lösen, wie wir in diesem Land gegenwärtig Steuern einnehmen, ohne dass wir in die Schuldenfalle geraten würden. Die Aufgabe, eine anständige Besteuerung von Kapitalerträgen - Kapitalerträge im weitesten Sinne - zu erreichen, bleibt bestehen. Das könnte das Problem lösen und würde dann auch Debatten zu Übergewinnsteuern überflüssig machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)