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Plenarsitzung

Transkript

Andreas Silbersack (FDP): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Lebensmittelpreise, Teuerung der Lebensmittel treibt uns tatsächlich alle um im Land, in Sachsen-Anhalt, aber auch in Deutschland insgesamt. Preissteigerungen von bis zu 30 % in den letzten zehn Jahren gehen nicht spurlos an der Bevölkerung vorbei. Insofern ist es richtig, dass wir darüber reden. 

Was ich aber nicht richtig finde, das ist - Frau Eisenreich, an Sie gerichtet  , dass diese Debatte zu einer Neiddebatte verkommt

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP - Kerstin Eisenreich, Die Linke: Nein, das ist keine Neiddebatte!)

- doch, genau das ist es - und dass Sie im Grunde nicht auf den Kern der Thematik eingehen. Das ist das Grundproblem. 

(Zuruf von Kerstin Eisenreich, Die Linke!)

Deshalb ist Ihre Gewichtung falsch. Sie werden dem Thema gar nicht gerecht. Sie müssen fragen, wie Sie dem Thema tatsächlich strukturell Herr werden können. Das geht aus unserer Sicht, aus der Sicht der Liberalen, nur dadurch, dass wir das Steuerrecht insgesamt reformieren, meine Damen und Herren. 

Wir brauchen klare Ansätze, nicht nur im Bereich der Mehrwertsteuer, sondern wir müssen den Grundfreibetrag anheben. Wir müssen darüber reden, dass wir die Bemessungsgrenzen nach oben ziehen. Wir müssen darüber reden, dass wir den Solidarzuschlag abschaffen. 

(Unruhe bei der Linken - Zurufe von Hendrik Lange, Die Linke, und von Kerstin Eisenreich, Die Linke)

Das sind alles Themen, die wir brauchen. Wir müssen die Steuern für Unternehmen senken. 

Wir brauchen diese Steuerreform. Wir brauchen eine Entschlackung unseres Gesamtsteuersystems. Dann führt das auch zur Entlastung der Menschen im Lande. Ohne diese Steuerreform wird es jedenfalls strukturell nicht gelingen, meine Damen und Herren. 

(Zuruf von Hendrik Lange, Die Linke)

Die steigenden Lebensmittelpreise treffen alle Menschen direkt. Gerade dann, wenn man weniger Einkommen hat, ist der Preis von 4 € für Butter extrem schmerzhaft. Das ist überhaupt keine Frage. Das ist eine Tatsache, die wir ernst nehmen. Unsere Aufgabe ist es aber, in dem Bereich echte Lösungen zu finden. Mit Ihrer Forderung, die Mehrwertsteuer von 7 % auf null herabzusetzen, machen Sie es sich zu einfach in der Sache. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Aha!)

Auch den Ansatz des Herrn Scholz, des Bundeskanzlers, die Mehrwertsteuer von 7 % auf 5 % abzusenken, finden wir nicht ausreichend, um das Thema anzugehen. 

Wir Liberalen wollen eine echte, allumfassende Steuerreform über alle Steuerarten hinweg, meine Damen und Herren. Für uns ist es wichtig, dass wir auch diese Stilblüten des Steuerrechts - das wurde hier schon angedeutet - tatsächlich anpacken. Es ist doch niemandem zu erklären, dass man auf Äpfel und Wasser jeweils 7 % Mehrwertsteuer zahlt, aber auf Apfelsaft zahlt man 19 % Mehrwertsteuer. Das ist nicht vermittelbar. 

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Auch nicht vermittelbar ist, wenn ich mir einen schwarzen Kaffee als Coffee to go kaufe, dann zahle ich 19 % Mehrwertsteuer, wenn ich mir einen Milchkaffee kaufe, dann bin ich bei 7 % Mehrwertsteuer, weil der Milchanteil höher ist. Das funktioniert nicht. Genau diese Stilblüten müssen wir herausnehmen. Es muss uns doch gelingen, eine Steuerreform hinzubekommen, die die Menschen verstehen, die die Menschen auch annehmen. Deshalb ist die Antwort auf die Frage „Wie können wir das Ganze steuerlich angehen?“ natürlich: insgesamt Steuern runter. 

Im Bereich der Mehrwertsteuer, die Mehrwertsteuerrichtlinie - das habe ich ja gesagt  , sind wir als Liberale auch dafür, dass wir das angehen, dass wir die Mehrwertsteuer senken. 

Wir haben natürlich den normalen Steuersatz von 19 % bzw. den ermäßigten Steuersatz von 7 %. Das heißt aber nicht, dass wir gleich auf null schalten, sondern wir müssen einen Weg finden, der es uns erlaubt, in der Mitte irgendwo einzusetzen. Die EU hat uns doch den Rahmen vorgegeben. Das heißt 5 % als ermäßigten und 15 % als normalen Steuersatz. Wir müssen schauen, in welcher Richtung wir bleiben. Deshalb, glaube ich, ist der Gesamtansatz für uns von ganz wesentlicher Bedeutung. 

Die Frage ist - dazu möchte ich auf das Thema des Herrn Schwarz eingehen, der hier schon mehrfach benannt wurde  : Warum haben wir denn eine Struktur, wie wir sie haben, im Lebensmitteleinzelhandel? - Das hat auch etwas damit zu tun, dass sich Deutschland in den letzten 20, 30 Jahren genau in diese Richtung bewegt hat. Für welchen Einzelhändler von Lebensmitteln, für welchen Fleischer oder Ähnliches ist es denn noch attraktiv, kleine Geschäfte zu betreiben und die Waren anzubieten? 

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Auch dort müssen die Steigerungen, ob das bei den Löhnen ist, ob das bei den Energiekosten ist, getragen werden. Wenn wir keine Verelendung wollen im Bereich des Einzelhandels und wenn wir nicht nur große Ketten wollen, dann müssen wir auch bereit dazu sein, eben Diversität in diesem Bereich walten zu lassen. Das macht Frankreich, das macht Spanien, das macht Italien. Es gibt kaum ein Land in Europa, das so uniform im Bereich des Lebensmittelhandels aufgestellt ist wie Deutschland.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Es gilt, sich ehrlich zu machen. Das bedeutet eben auch, dass wir für unsere Landwirte natürlich diese Preise bezahlen, ob das Äpfel oder Birnen sind oder ob das Gemüse ist, oder für den Fleischer, dass wir bereit dazu sind, diese Preise zu bezahlen. 

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Also, insgesamt ist es uns wichtig, dass wir den Markt greifen lassen. Was für uns überhaupt nicht geht, das ist das, was Sie einführen wollen, eine Preisbeobachtungsstelle. Was wollen Sie denn? Wir brauchen weniger Staat, nicht mehr Staat. 

(Beifall bei der FDP - Zuruf von Hendrik Lange, Die Linke)

Wir brauchen eine Situation, dass wir die Wirtschaft tatsächlich frei walten lassen und nicht hingehen und sagen, na ja, lasst uns mal alles beobachten, im Zweifel kontrollieren wir alles. Dieser Kontrollwahn, der hier im Haus immer um sich greift, der ist in keiner Weise zu verstehen. Die Menschen entscheiden am Ende des Tages mit den Füßen. Sie machen einfach nicht mit. Das, meine Damen und Herren, wollen wir als Liberale nicht. Wir wollen eine breite Entlastung im Bereich der Steuer. Wir wollen die Steuerreform insgesamt. Wir wollen auch, dass sich die Mehrwertsteuer nach unten bewegt. 

Für uns ist es aber wichtig, dass wir ganzheitlich an die Sache herangehen. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Silbersack!


Andreas Silbersack (FDP): 

In dem Zusammenhang werden wir uns auch äußern und bitten um Überweisung des Antrags an die Ausschüsse in den Bereichen Finanzen, Landwirtschaft, Wirtschaft und Soziales. - Vielen Dank, meine Damen und Herren. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Silbersack, es gibt gleich drei Nachfragen, zuerst von Herrn Gallert, dann von Herrn Striegel und dann noch von Herrn Gebhardt. Wollen Sie sie zulassen? 


Andreas Silbersack (FDP): 

Natürlich. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Natürlich. - Das verlängert die Redezeit ganz ungeheuer. - Herr Gallert. 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Also, Herr Silbersack, dass Sie bei allem, was an Steuerentlastung die oberen 5 % betrifft, ganz klar sind, aber eine Mehrwertsteuerabsenkung im Bereich der Grundnahrungsmittel als zu kompliziert erachten, das ist klar sozusagen mit dem politischen Profil der FDP verbunden. 

(Zustimmung von Hendrik Lange, Die Linke)

Das ist aber nicht meine Frage. Sie haben gesagt, für Sie gibt es offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen Lebensmittelpreisen auf der einen Seite und dem Vermögen von Herrn Schwarz auf der anderen Seite. Jetzt will ich Ihnen kurz sozusagen die Entwicklung des Vermögens von Herrn Schwarz aufzeigen. Im Jahr 2020 hatte er ein Nettovermögen von 19,8 Milliarden Dollar, also, können wir sagen, in etwa 18,5 Milliarden €. 

(Zuruf von der AfD: Privatsache!)

Heute hat er ein Vermögen von 43,7 Milliarden €. 

(Zurufe von der AfD: Er hat tüchtig gearbeitet! - Kluger Geschäftsmann!)

Wir glauben nicht, dass es inzwischen dreimal mehr Lidl-Märkte gibt als noch im Jahr 2020. Woher, meinen Sie, stammen die 25 Milliarden €, die Herr Schwarz heute mehr besitzt als vor vier Jahren? 

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)


Andreas Silbersack (FDP): 

Herr Gallert, darauf kann ich Ihnen eine ganz einfache Antwort geben. Sie reden hier über das Thema Gewinnspanne, woher, möglicherweise oder mit Sicherheit, die Gelder kommen, die er verdient. Ihr Antrag beinhaltet aber das Thema der Mehrwertsteuer. Den Unterschied müssten Sie eigentlich erkennen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Ich habe gesagt, wir brauchen auf ganzer Ebene eine Steuersenkung, eine Steuerreform. Dazu - das habe ich ausdrücklich gesagt; insofern versuchen Sie nicht, mich falsch zu zitieren bzw. wiederzugeben - brauchen wir auch eine Reduzierung, aber das heißt für uns nicht reflexartig, für uns sind alle Probleme gelöst, wenn wir die Mehrwertsteuer auf null senken. Das ist es eben nicht. Es kann natürlich in der Spanne - das habe ich gesagt - zwischen 7 % und 19 % stattfinden und ggf. auch darunter. Aber das muss man eben im Gesamtkontext betrachten und nicht nur uniform, einfach auf das Thema der Mehrwertsteuer schauen. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Gallert, eine kurze Nachfrage. 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Sie wollen die schützen, bei denen wir es wegnehmen wollen. Das ist schon klar. Aber das Problem ist - das muss ich jetzt noch einmal sagen, Herr Silbersack  , Sie haben zuerst erzählt, dass wir sozusagen eine völlig falsche Struktur unseres Lebensmittelmarktes haben. Wir haben praktisch ein Oligopol bei uns, im Gegensatz zu Frankreich und anderen Ländern. Das haben Sie gesagt. Und dann haben Sie gesagt, dagegen müsste man etwas tun. Dafür haben wir etwas aufgeschrieben,

(Jörg Bernstein, FDP: Wir machen das!)


Andreas Silbersack (FDP): 

Nein.


Wulf Gallert (Die Linke): 

nämlich Kartellrecht, Preiskontrolle. In dem gleichen Augenblick, in dem Sie sich darüber beschweren, dass wir hier ein unkontrolliertes Oligopol haben, sprechen Sie sich dagegen aus, dass es staatliche Maßnahmen gegen dieses Oligopol gibt; denn das wäre dann Bürokratie. Sie haben genau das Gegenteil von dem gesagt, was Sie vor 30 Sekunden gesagt haben, Herr Silbersack. 

(Zustimmung bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Silbersack.


Andreas Silbersack (FDP): 

Dann haben Sie mir nicht zugehört, Herr Gallert,

(Hendrik Lange, Die Linke: Doch! Wir haben es genau gehört!)

oder Sie haben es nicht verstanden; das kann auch sein. Ich habe Ihnen gesagt, wenn Anreize für Lebensmittelhändler und Landwirte bestehen sollen, dann muss man deren wirtschaftliche Grundlage auch so halten, dass sie es sich leisten können. Die Lebensmittelläden, die Einzelhändler, machen zu bzw. sagen, es lohnt sich nicht mehr, nicht weil die Anreize zu groß sind, sondern weil die Kosten zu hoch sind, d. h., weil das, was für Sie übrigbleibt, zu wenig ist. Das ist das, was unser Problem in Deutschland ist. Das haben Sie in Frankreich, Italien und Spanien eben nicht. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Striegel, bitte. 


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Herr Kollege Silbersack, Sie haben sich hier mit Ihrer Rede bis zur Kenntlichkeit entstellt.

(Unruhe)


Andreas Silbersack (FDP):

Unkenntlichkeit, meinen Sie.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Es ist doch völlig klar, dass die FDP die Milliardäre in diesem Land schützen will.

(Oh! bei der FDP)

Mich interessiert aber, nachdem Sie ein flammendes Plädoyer für die Kräfte des Marktes gehalten haben, warum Sie ausgerechnet mit einer Preisbeobachtungsstelle ein Problem haben, die doch sehr deutlich dafür sorgen soll, dass der Markt funktioniert und eben nicht von einzelnen Marktteilnehmern zur eigenen Gewinnabschöpfung missbraucht werden kann?

(Daniel Roi, AfD: „Beobachtungsstelle“ ist sein Lieblingsbegriff!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Silbersack.


Andreas Silbersack (FDP):

Dazu kann ich mich nur wiederholen. Wir brauchen weniger Überwachung, nicht mehr Überwachung.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zuruf: Sie wollen Milliardäre schützen! - Ulrich Thomas, CDU: Man kann einem Blinden nicht die Farbe erklären!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gebhardt, bitte.


Stefan Gebhardt (Die Linke):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Kollege Herr Silbersack! Ich habe zwei Fragen. Zur ersten Frage. Sie haben Ihren Debattenbeitrag eingeleitet mit dem Vorwurf an meine Fraktion, dass das eine Neiddebatte ist. Vielleicht könnten Sie mir einfach noch einmal sagen - es hat sich in Ihrem Redebeitrag nicht verfestigt  , wer denn aus Ihrer Sicht auf wen neidisch ist. Sie haben das Beispiel mit dem Stück Butter gebracht, das sich der eine oder andere vielleicht nicht mehr leisten kann, und haben gesagt, dass das bitter ist. Vielleicht können Sie mir einmal sagen, auf wen diese Leute denn neidisch sind, dass das Wort Neiddebatte an dieser Stelle angebracht ist.

Zur zweiten Frage. Ich habe noch nicht so ganz verstanden, was Ihr Konzept zu der Mehrwertsteuer ist. Sie haben sich doch jetzt als FDP-Fraktionsvorsitzender für eine Reduzierung der Mehrwertsteuer, für eine Absenkung der Mehrwertsteuer ausgesprochen. Können Sie mir bitte sagen, auf welchen Prozentsatz sich die FDP diesbezüglich im Bundestagswahlprogramm geeinigt hat?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Silbersack.


Andreas Silbersack (FDP):

Zu Letzterem kann ich Ihnen sagen: Ich habe das jetzt nicht konkret benannt, sondern es muss sich insgesamt in eine große Steuerreform einbetten.

(Hendrik Lange, Die Linke: Oh!)

Darum geht es eigentlich, das brauchen wir in Deutschland.

Zu dem Thema Neid. Herr Schwarz, wenn wir bei dem Namen bleiben wollen, füllt sein Konto nicht durch die Mehrwertsteuer, sondern durch die Gewinnmarge.

(Hendrik Lange, Die Linke: Eben, auf unsere Kosten!)

Das ist der Unterschied: durch seine Gewinnmarge. Das heißt, das Thema der Mehrwertsteuersenkung hat nichts mit seinem Kontostand zu tun.