Holger Hövelmann (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Hohes Haus! Verehrter Herr Rausch, die Europäische Union ist mehr als eine Plus-Minus-Rechnung.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Die Europäische Union ist Solidarität, die Europäische Union ist Nachteilsausgleich.
(Lachen bei der AfD - Jan Scharfenort, AfD: Ja, wenn man seine eigenen Leute rausnimmt! - Weitere Zurufe von der AfD)
Die Europäische Union ist Frieden, ist Wohlstand und ist Sicherheit.
Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist der gleiche - verzeihen Sie mir den Ausdruck - Quatsch und Mist, den die Brexit-Befürworter vor dem Brexit vorgetragen haben.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN - Olaf Meister, GRÜNE, lachend: Ja! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Die bereuen das inzwischen!)
Fragen Sie einmal die Briten, wie sie das heute sehen. Hätten Sie da doch einmal genau zugehört.
(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt auch ein Aber. Im vergangenen Jahr hat der Mitteldeutsche Rundfunk eine Umfrage veröffentlicht, laut der mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in Mitteldeutschland sagt: Die Europäische Union ist mir egal; ob sie da ist oder ob sie nicht da ist, spielt keine Rolle. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten sagt sogar: Das europäische Projekt hat keine Zukunft mehr, eigentlich kann es weg.
(Zustimmung bei der AfD - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)
Der Ruf der Europäischen Union ist in der Bevölkerung offensichtlich schlecht. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass diese Einschätzung auf einem Missverständnis beruht.
(Jan Scharfenort, AfD: Ja, man muss das nur besser erklären!)
Denn wir würden ohne diese Union - ich habe das Beispiel Brexit genannt - sehr schnell merken, was fehlt. In unserem Land würde vieles nicht mehr funktionieren, vieles wäre nicht möglich und auf kommunaler Seite nicht bezahlbar. Kaum ein Bauer in der Börde, in der Altmark oder im Harz könnte ohne EU-Förderung existieren.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE - Oh! bei der AfD - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Genau, hat ja auch vorher nicht funktioniert!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gäbe kein Pflegeheim, kein Krankenhaus, kein Speditionsunternehmen in unserem Land, das ohne EU-Bürgerinnen und EU-Bürger als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter funktionieren würde.
(Zustimmung bei der SPD - Lothar Waehler, AfD: Und die Sonne geht morgens auch nicht mehr auf!)
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, die EU muss sich weiterentwickeln. Wir brauchen eine europäische Förderpolitik, die den Bürgern die Angst vor kommenden Strukturwandeln nehmen kann. Wir brauchen einen gerechten Verteilmechanismus für Flüchtlinge und Migranten. Wir brauchen Lösungen für eine saubere und sichere Energieversorgung auf dem gesamten Kontinent. Wir brauchen eine europäische Außenpolitik, die sich allen Attacken gegen den Frieden auf unserem Kontinent widersetzt, egal ob in der Ukraine oder auf dem Balkan.
(Beifall bei der SPD)
Das klingt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie große, weit entfernte Politik, aber es trifft genau unser Leben hier in Sachsen-Anhalt. Was in Brüssel und Straßburg zu Themen wie Fördermittel, Migration, Strukturwandel oder Energie beschlossen wird, das betrifft uns hier vor Ort.
(Zuruf von der AfD)
Wir merken das, was dort entschieden wird.
Dass Europawahlen und Kommunalwahlen in diesem Jahr am gleichen Tag stattfinden, ist mehr als ein Symbol. Europapolitik und Kommunalpolitik gehen Hand in Hand. Eine blockierte, handlungsunfähige Union würde für unsere Kommunen ein Desaster bedeuten.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, wer glaubt, dass man Sachsen-Anhalt oder gar Deutschland als Ganzes vom europäischen Kontinent trennen kann,
(Jan Scharfenort, AfD: Das wollen wir doch gar nicht! - Frank Otto Lizureck, AfD: Das hat doch gar keiner gesagt!)
der hat offensichtlich noch nie auf die Landkarte geschaut.
(Zuruf von der AfD)
Jeder, der von einem Ende dieser Europäischen Union träumt, verfolgt sicherlich viele Interessen - das Wohl unseres Landes ist es jedenfalls nicht.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Meine Damen und Herren von der AfD, bei Ihnen klingt das immer so patriotisch deutsch. Ich bin mir gar nicht sicher, ob Sie deutsche Patrioten, russische Patrioten
(Lachen und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Oh! bei der AfD)
oder - wenn man in den Nachrichten des gestrigen Tages verfolgt hat, dass der Mitarbeiter Ihres Europawahlspitzenkandidaten verhaftet worden ist wegen Spionageverdachts für China -
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
ob Sie vielleicht sogar chinesische Patrioten sind.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die haben alles im Kopf, nur nicht das Wohl dieses Landes!)
Die Frage muss sich jeder einmal stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Wir reden über die Zukunft und über die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union. Wenn wir über die Zukunft reden, müssen wir insbesondere über die jungen Menschen reden. Ich sage einmal flapsig: Sie müssen später das ausbaden, was wir heute entscheiden. Deshalb sind - Herr Robra hat es angesprochen - bei dieser Europawahl zum ersten Mal Jugendliche ab 16 Jahren wahlberechtigt. Das ist ein sehr guter Schritt. Gerade in einem alternden Land wie Sachsen-Anhalt sollten wir besonders auf die Stimme der jungen Menschen hören.
Ich kann daher nur alle jungen Menschen ermutigen, zu dieser Wahl zu gehen. Lassen Sie Ihre Stimmen nicht ungenutzt; es ist Ihre Zukunft. Wählen Sie ein starkes, ein modernes Europa, ein Europa, das uns Frieden, Wohlstand und Sicherheit gebracht hat und hoffentlich auch Ihnen bringen wird. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. Es gibt eine Intervention.
Jan Scharfenort (AfD):
Ich möchte nur ergänzen: Diese einseitige Darstellung ist reiner Wahlkampf. Das ist auch verständlich aus Ihrer Sicht. Letztendlich schauen wir als AfD immer: Was nützt uns als Deutschland, was nützt uns nicht? Wenn wir mit Ländern zum gegenseitigen Vorteil zusammenarbeiten, dann tun wir das. Da schauen wir auch nach allen Seiten. Vielleicht haben Sie ja zur Kenntnis genommen - natürlich wird die Presse auch darüber nicht berichten : Am Wochenende hatten wir bspw. Amerikaner, Republikaner, hier im Landtag. Wir sind also durchaus auch amerikafreundlich, wir sind russlandfreundlich,
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber von denen kriegen Sie kein Geld!)
wenn man so will. Wir wollen letztlich mit allen Ländern gute Beziehungen pflegen, wenn das zum gegenseitigen Vorteil ist, auch zu unserem Vorteil, für Deutschland.
(Dr. Falko Grube, SPD: Na klar, zu Ihrem Vorteil! Klar!)
So normal und rational sind wir ganz einfach.
(Beifall bei der AfD)
Holger Hövelmann (SPD):
Ich darf erwidern, Herr Präsident?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Aber selbstverständlich.
Holger Hövelmann (SPD):
Glauben Sie das ernsthaft, was Sie sagen?
(Lachen und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Natürlich, das hat er doch gesagt! Haben Sie nicht zugehört?)
Glauben Sie das wirklich?
(Jan Scharfenort, AfD: Haben Sie einmal zur Kenntnis genommen, was wir hier am Wochenende hatten? Nein! Hat die Presse darüber berichtet? Nein! Warum macht sie es nicht?)
Also, ich weiß nicht. Vertreter der Bundestagsfraktionen der AfD oder Mitglieder von Landtagsfraktionen Ihrer Partei fahren nach Russland,
(Jan Scharfenort, AfD: Ja, und?)
um Putins Wahl zu unterstützen,
(Jan Scharfenort, AfD: Aha!)
um deutlich zu machen mit einer schönen Verbeugung: alles demokratisch, alles toll, alles super in Russland.
(Zuruf von der AfD: Das haben Sie doch vor 35 Jahren auch gemacht! Erzählen Sie doch nicht so einen Mist!)
Überlegen Sie doch einmal: Was sind denn die Interessen, für die Sie dort eintreten?
(Jan Scharfenort, AfD Welche Interessen vertreten Sie denn?)
Ich jedenfalls nehme Ihnen das von vorn bis hinten nicht ab.