Kathrin Tarricone (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit der Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhalten wir eine Rückschau auf die Zeit vor und mit Corona. Spezifische Fragen zu den Themen, die die verkehrspolitische Debatte in Sachen ÖPNV in den letzten Monaten prägten und das sehr wahrscheinlich noch eine ganze Weile tun werden, fehlen.
Zum Zeitpunkt der Fragestellung war manches auch noch gar nicht absehbar, z. B. das 9 €-Ticket und sein Nachfolger, das Deutschland-Ticket, oder der ganze Komplex Inflation. Wirklich überraschen dürften die meisten Antworten eher nicht. Sie führen aber die Faktenlage noch einmal deutlich vor Augen. So wird etwa auf die Ergebnisse des Systems repräsentativer Verkehrsbefragungen der TU Dresden von 2018 eingegangen. Die nächste Verkehrsbefragung ist übrigens für 2023 geplant.
Vor vier Jahren wurden nicht nur Daten zum Verkehr in den Großstädten erhoben, sondern auch in den ländlichen Regionen, etwa im Norden von Sachsen-Anhalt. Dabei wurde mehr als deutlich, dass der ÖPNV nirgendwo im Alltagsverkehr für einen typischen Wegezweck ein mehrheitlich genutzter Transportmodus ist. In Stadt und Land wird er immerhin für ein Viertel der Wege zur Schule und zur Bildungsstätte sowie zurück genutzt. Im ländlichen Raum spielt er darüber hinaus fast überhaupt keine Rolle. In Halle und Magdeburg halten sich die übrigen Wege in Bus und Bahn zur Arbeit, zu Freizeitzwecken, zum Einkaufen usw. mit 9 % bis 17 % zumindest noch die Waage. Das heißt letztlich, nur in den Großstädten ist der ÖPNV ein Verkehrsmittel für alle Gelegenheiten.
Schaut man sich die Ergebnisse der Umfrage etwas genauer an, sieht man übrigens auch, dass der motorisierte Individualverkehr in den ostdeutschen Großstädten mit einem Anteil von zuletzt knapp unter 40 % langsam abnimmt. Gerade beim Fahrradverkehr gibt es ordentliche Zuwächse.
(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)
Betrachtet man allerdings die Verkehrsleistung, dann ergibt sich ein etwas anderes Bild. Nach Personenkilometern gerechnet werden nach wie vor knapp zwei Drittel mit dem Auto und immerhin 22 % mit den öffentlichen Verkehren zurückgelegt. Es ist also vor allem etwas für die weiteren Strecken.
Nun könnte man meinen, dass dann noch reichlich Platz in Bussen und Bahnen sein sollte. Im ländlichen Raum ist das, abgesehen vom Schülerverkehr - wie vorhin schon erwähnt , auch öfter der Fall. In den großen Städten kann hingegen insbesondere in den Spitzenlastzeiten von leeren Bussen und Bahnen nicht die Rede sein. In der Studie der MVB und des VDV Ost wird das sogar mit dem Faktor 2 erwähnt. Die GRÜNEN bemerken das auch in ihrer Anfrage. Darin wurde berechnet, welche Investitionen notwendig wären, um in Magdeburg die Fahrgastzahlen zu verdoppeln. Ein großer Teil des derzeitigen Straßen- und Busnetzes hätte zwischen 7 Uhr und 8 Uhr eine Auslastung von mehr als 100 %. Um die für den Mehrbedarf benötigten Fahrzeuge zu beschaffen, wären demnach allein an Investitionen mindestens 40 Millionen € fällig. Heute ist es vermutlich noch einiges mehr und die Betriebskosten kommen noch obendrauf.
Mit dem Deutschland-Ticket verzichten wir nun zwangsläufig auf einen vermutlich nicht ganz kleinen Teil der bisherigen Zahlungsbereitschaft der Nutzer. Wenn wir jedoch ein besseres ÖPNV-Angebot haben wollen, dann wird das mehr Geld kosten. Nicht zuletzt darauf zielt auch der Entschließungsantrag der Koalition, für den ich werbe. Ich bitte, ihm zuzustimmen.
(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD)