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Plenarsitzung

Transkript

Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD schreibt in ihrer Antragsbegründung, die Bearbeitung der Verfahren im Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen binde viele Ressourcen. Es bleibt das gute Recht der Fraktion, die Landesregierung zu fragen. Aber ich nenne diese ungefiltert Abfrage aller möglichen Verfahren ins Blaue hinein im Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen doch „erheblich Ressourcen bindend“.

Die Coronapandemie hat uns in Deutschland in einer nicht bekannten Art und in einem nicht bekannten Maß vor Herausforderungen gestellt. Zu Beginn der Pandemie gab es nur wenige gesicherte Informationen. Als Teil der Landesregierung mussten wir damals die Entscheidungen auf immer wieder neue Erkenntnisse über das Virus und die damit zusammenhängenden Verbreitungsprognosen stützen. Es waren kontroverse Debatten, die wir geführt haben. Aus denen - Herr Kosmehl, vielleicht kann ich es an dieser Stelle noch sagen - ergab sich, dass z. B. dieser Fehler in der ersten Verordnung, dass Versammlungen über Gebühr eingeschränkt wurden, unmittelbar korrigiert worden ist. Es waren kontroverse Debatten, die wir dazu geführt haben. Aber es waren im Großen und Ganzen, meine ich, verantwortungsvolle, aber natürlich im Nachhinein nicht immer fehlerfreie Entscheidungen, die getroffen wurden.

Ich denke, viele von uns hätten sich ein noch entschlosseneres Handeln gewünscht und vor allem eine noch stärkere Beachtung wissenschaftlicher Expertise. Diese gab es zuhauf. Die Kollegin hier hat es erwähnt. Aber sie verändert sich natürlich. Sie ist nicht statisch, sondern die politischen und die Justizmaßnahmen mussten immer wieder auch an die aktuelle Erkenntnislage angepasst werden.

Selbstverständlich gab es auch in diesem Politikfeld in dieser Situation übersprießenden Handlungseifer. So war in Halle eine Regelung in Kraft gesetzt worden, wonach sich niemand im Park zum Lesen aufhalten durfte. Jedenfalls durfte er dafür keine Bank benutzen.

Gegen diese Regelung bin ich vor das Verwaltungsgericht gezogen und habe recht bekommen. Die Regel wurde gekippt. Es gab auch viele weitere Gerichtsentscheidungen und Überprüfungen der Regeln bis hin zum Bundesverfassungsgericht, im Übrigen mit sehr unterschiedlichen Ausgängen.

All das zeigt aber auch: Der Rechtsstaat hat funktioniert. Selbst in dieser außergewöhnlichen Situation haben die Institutionen das getan, wofür sie da sind. Ich glaube, das ist zunächst auch etwas, das einen dankbar machen kann: dass das, was in unserer Verfassung zugrunde gelegt ist, in einer solch besonderen und herausfordernden Situation tatsächlich auch funktioniert hat.

Die Coronaverordnungen wurden durch kritische Oppositionsarbeit, den wissenschaftlichen Diskurs, die öffentliche Debatte und auch durch Gerichtsentscheidungen wiederholten Änderungen und Überprüfungen unterworfen. Aber zur Beachtung der Maßnahmen waren eben auch Bußgelder und Strafen anzudrohen. Empfehlungen und freiwillige Einschränkungen allein hätten nicht zur ausreichenden Eindämmung des Virus beigetragen, jedenfalls immer unter den Bedingungen, wie in unserem Land kommuniziert wird.

Ich sage es ganz ehrlich: Ich hätte mir auch an ganz vielen Stellen eine andere Kommunikation zu den Coronamaßnahmen gewünscht. Ich meine damit ein viel stärkeres Herangehen mit Nudging-Prinzipien. Es geht darum zu gucken: Wie kann man Leute aus Überzeugung, aus innerer Überzeugung, dazu bringen, sich zum Teil einer Lösung zu machen und nicht das Problem zu verstärken? Ich glaube im Übrigen auch, dass das etwas ist, bei dem wir in Sachen Resilienz als Gesellschaft noch lernen müssen, wo wir dazu kommen müssen, dass viel mehr tatsächlich gelebte Eigenverantwortung, im echten Sinne gelebte Eigenverantwortung, stattfindet. Das bedingt aber auch, dass ein Ministerpräsident nicht Pressekonferenzen abhält, bei denen sich die versammelte Journalistenschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger beim Livestream nach 20 Minuten fragen: Was wollte er denn jetzt eigentlich von uns und was hat er denn im Vergleich zum letzten Mal jetzt in seiner neuen Verordnung anders gemacht?

(Zuruf von der AfD)

Auch an der Stelle ist noch Luft nach oben; darin bin ich mir sicher.

Aber jedenfalls gab es Bußgelder und Strafen in der Androhung. Wer Regelverstöße begangen hat, der muss für diese Regelverstöße auch zur Verantwortung gezogen werden. Meine Fraktion lehnt deshalb eine generelle Amnestie für Rechtsbrecher ausdrücklich ab.

Wir haben es schon gesagt bekommen. Die Gerichte entscheiden bei der Strafzumessung natürlich auch über den jeweiligen Erkenntnisstand und wichten entsprechend. Ich glaube, das ist ein guter Weg. Dann kann im Einzelfall tatsächlich auch Recht gesprochen werden. - Vielen herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)