Vizepräsident Wulf Gallert:
Die Abg. Frau Anger spricht für die Fraktion DIE LINKE. - Sie haben das Wort.
Nicole Anger (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Momente, da wünscht man sich, dass man nicht recht hat. Der Moment, als dieser Gesetzentwurf der Landesregierung auf der heutigen Tagesordnung auftauchte, war in der Tat so einer. Vor fast genau einem Jahr sagte ich an dieser Stelle: Bitte erschrecken Sie in zwölf Monaten nicht wieder, wenn die hier heute zur Beratung vorliegende Verlängerung dann erneut auslaufen wird.
Im letzten November haben wir in diesem Plenum, genau wie auch schon im November 2019, wieder auf den letzten Drücker die Verlängerung einzelner Punkte im KiFöG geschafft. Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Es ist eine wiederkehrende Hektik, die Sie Jahr für Jahr verbreiten, obwohl ein ganzes Jahr lang Zeit dafür ist, sich zu kümmern. Aber viel schlimmer sind die Unsicherheiten für die Menschen, die sich fragen, ob bspw. die Beitragsermäßigungen so bleiben wie bisher. Denn gerade in der aktuellen Situation mit steigenden Energiepreisen und einer hohen Inflation ist es umso wichtiger, den Familien in diesem Punkt Zuverlässigkeit zu bieten.
Sie treffen Vorkehrungen für 2023. Dauerhaft, Herr Teßmann, ist das nicht. Aber mit der Verlängerung des KiQuTG - dem Kita-Qualitätsgesetz - könnten Sie diese Vorkehrungen zumindest bis 2024 treffen. Warum also wieder einmal so zögerlich? Sie wissen doch schon jetzt, dass wir uns im November des kommenden Jahres an dieser Stelle über dieselben Punkte wieder werden unterhalten müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Senden Sie doch bitte einmal an die Familien das Signal, dass die Beitragsbefreiungen beibehalten werden. Senden Sie doch bitte an die Fachkräfte das Signal, dass Einrichtungen mit besonderen Bedarfen zusätzliches Personal und auch die Fachberatung bis mindestens einschließlich 2024 behalten dürfen.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Wir jedenfalls wollen dieses Signal gern senden. Meine Fraktion ist dabei gern vorausschauend. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, der die Beitragsermäßigung und die zusätzlichen Fachkräfte zunächst bis 2024 ermöglicht.
Meine Damen und Herren, wissen Sie, was ich in dem Entwurf deutlich vermisse? Die Sprach-Kitas. Die Ministerin hat es zumindest angesprochen. Seit dem Sommer wird bei jeder Gelegenheit durch die Ministerin oder durch ihre Staatssekretärin deren Fortführung zugesichert. Ganz ehrlich, nicht nur ich habe erwartet, dass diese - nachdem der Bund nun bis 30. Juni kommenden Jahres verlängert hat - ab 1. Juli dann im KiFöG zu finden sind mit den Restmitteln. Gerade deswegen wäre es möglich, aber nichts da: kein Wort im KiFöG, kein Wort in den Änderungen, nicht einmal ein versteckter Hinweis in den Begründungen. Wie wollen Sie denn die Perspektive der Sprach-Kitas sichern? Das wird doch nur wieder eine Flickschusterei.
Diese Frage muss man zu Recht stellen. Wir können nur Klarheit schaffen, wenn wir die Sprach-Kitas endlich im KiFöG verankern, und auch dafür haben wir unseren Änderungsantrag erstellt.
(Beifall bei der LINKEN)
Halten Sie sich an Ihre Versprechen und machen Sie sich gern unsere Änderungen zu eigen. Stellen Sie die Mittel des Bundes inklusive der Restmittel für das KiFöG für 2023 ein. Zeigen Sie, dass Sie den engagierten Fachkräften der Sprach-Kitas eine Perspektive bieten und das Programm im Land fortführen werden.
In einem zweiten Gesetzentwurf liegt uns die Befreiung vom Schulgeld für ein weiteres Jahr vor. Wenn wir dem Fachkräftemangel ernsthaft etwas entgegensetzen wollen, dann verstetigen wir auch endlich die Schulgeldfreiheit, und das nicht nur an Fachschulen für Erzieherinnen. Dazu werden Sie von uns zu gegebener Zeit einen entsprechenden Antrag bekommen, das kann ich Ihnen schon einmal ankündigen.
Schaffen Sie ebenso endlich eine Ausbildungsvergütung für alle Fachschülerinnen. Das wäre ein gerechter Zugang für alle an der Ausbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin Interessierten. Das schafft Attraktivität für die Ausbildung. Nur mit ausreichend Fachkräften schaffen wir es, die Qualität weiter zu verbessern.
Meine Damen und Herren! In einem dritten Gesetzentwurf, welcher laut Überschrift unter „andere Gesetze“ fällt, was einem Ausführungsgesetz der Kinder und Jugendhilfe in meinen Augen nicht gerecht wird, stellen Sie den Flächenfaktor zugunsten der Landkreise ein. Das ist durchaus zu begrüßen. Wir sprachen in der letzten Sitzung dieses Plenums darüber, dass dies schon lange erforderlich sei. Aber ist Ihnen auch aufgefallen, dass Sie zwar richtigerweise die Summe für die Dynamisierung anpassen, jedoch vergessen, die Summe des Differenzbetrages für die kreisfreien Städte im Gesetz aufzuführen? Diese bekommen nämlich mit dem Flächenfaktor weniger Geld. Reine Lippenbekenntnisse reichen mir dabei ehrlich gesagt, nicht.
Wie ich von der Ministerin eben hörte, sei dies auch nur ein temporärer Differenzbetrag. Das heißt also, der fällt ab 2024 wieder weg.
(Zuruf von Ministerin Petra Grimm-Benne)
Ich habe in diesem Land schon einige dieser Kartenspielertricks erlebt. Der Differenzbetrag von etwa 366 000 € muss dringend gesetzlich festgeschrieben werden, damit niemand ab 2024 schlechter gestellt sein wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Daher erfolgt auch dazu - Sie werden es erahnen, wenn Sie es nicht schon gelesen haben - unser Änderungsantrag. Die Städte müssen diesen Differenzbetrag dauerhaft bekommen; denn sonst sind sie ab 2024 im Vergleich zu heute schlechter gestellt. Letztendlich tun wir das nicht für uns, sondern für unsere Kinder und Jugendlichen, die die offene Kinder und Jugendarbeit nutzen. Insofern lassen Sie uns auch hierfür eine sichere Perspektive mit Unterstützung des Landes schaffen.
Ich freue mich auf die Debatte und hoffe, dass wir diese angemessen führen werden.
(Beifall bei der LINKEN)