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Plenarsitzung

Transkript

Eva von Angern (DIE LINKE): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe mich ganz bewusst nicht mit einer Frage oder einer Intervention zu dem Redebeitrag des Fraktionsvorsitzenden der AfD gemeldet, weil ich Ihnen kein weiteres Podium geben möchte. Aber ich will ausdrücklich zu Beginn meiner Rede sagen: Ihre Verleugnung der Realität, Ihre Demagogie - -

(Oliver Kirchner, AfD: Das ist schwierig, ich weiß!)

- Ich gebe zu, das, was Sie heute Morgen hier wieder getan haben, ging unter die Haut, und zwar im ganz negativen Sinne. Sie haben heute den Beweis angetreten, dass Sie die gefährlichste Partei für die Demokratie in unserem Land sind.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist gut, richtig und - ich sage es ganz deutlich - überfällig, dass sich der Ministerpräsident unseres Landes zur aktuellen Situation dem Parlament gestellt hat. Nicht zuletzt meine Fraktion hat das mehrmals gefordert; denn nette Fotos bei Instagram ersetzen die Kommunikation mit dem Parlament und damit zugleich mit dem Volk nicht. Allerdings war ich beim Lesen des Titels der Regierungserklärung doch ein wenig bestürzt. Vor den Interessen der Menschen des Landes steht für Sie an erster Stelle die Wirtschaft. Das lässt tief blicken. Ich sage ganz deutlich, wir als Partei DIE LINKE haben ausdrücklich eine andere Prioritätensetzung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine versetzt viele Menschen und auch uns seit seinem Beginn weltweit in Angst und Schrecken. Er hat bereits viele zivile und militärische Opfer gekostet, private und öffentliche Infrastruktur wurde zerstört. Unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist ungebrochen. Die Folgen des Krieges sind global spürbar. In einigen Ländern des globalen Südens sind Hungersnöte zu erwarten. In Europa steht die energetische Versorgungssicherheit infrage und die Inflation ist mit erheblichen Kaufkraftverlusten verbunden. Die Preise für Energie, Lebensmittel, energieintensive Dienstleistungen und Waren steigen massiv. Deutschland verzeichnet die höchste Teuerungsrate der Verbraucherinnenpreise seit der Nachkriegszeit. Es drohen eine tiefgreifende Rezession und Arbeitsplatzverluste. Fachleute reden schon lange nicht mehr nur über relative Armut in unserem Land, nein, die Menschen in unserem Land sind von einer absoluten Armut bedroht. 

All diese Entwicklungen treffen - das ist nicht überraschend - vor allem diejenigen, die nicht auf große finanzielle Puffer zurückgreifen können, am härtesten. Kleine und mittlere Unternehmen drohen, in die Knie zu gehen. Privathaushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die bereits vor der Preiskrise einen erheblichen Teil ihres Einkommens für Miete, Nebenkosten und Lebensunterhalt aufwenden mussten, wissen nicht mehr, wie sie die Rechnungen am Ende des Monats begleichen sollen. Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder steigt stetig. Genau deshalb spricht meine Partei, meine Fraktion zu allererst von dem Schicksal der Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen, beschlossenen und mit den Ministerpräsidenten beratenen Maßnahmen greifen angesichts der Tiefe dieser Krise zu kurz. Sie kommen zu spät, und sie verschonen bislang den reichsten Teil der Bevölkerung und Unternehmen mit krisenbedingten Übergewinnen. So soll der Gaspreisdeckel erst ab März kommenden Jahres zum Ende der Heizperiode gelten. Es gibt immer noch einige hoffnungsvolle Politikerinnen der Ampelkoalition, die vom Februar sprechen. Bei der Übernahme der Dezember-Gasabschläge werden - ähnlich wie bei den Entlastungspaketen 1 und 2 - ganze Gruppen nicht ausreichend berücksichtigt. Haushalte, die mit Heizöl, Strom oder Pellets heizen, bleiben womöglich trotz Preissteigerungen außen vor. Sie haben es selbst angesprochen, Herr Ministerpräsident, aber zur Wahrheit gehört, dass es dafür noch keine Lösung gibt. 

Als LINKE wollen wir aber niemanden zurücklassen. Soziale Unsicherheiten durch mangelhaften Schutz vor den krisenbedingten Preissteigerungen wollen wir verhindern; denn diese führen tatsächlich zu einer sozialen Spaltung unseres Landes. Es kommt also jetzt darauf an, sozial gerechte Maßnahmen zu beschließen, und, ja, wir erwarten von dieser Landesregierung, dass sie nicht abwartet, bis der Bundestag und die Bundesregierung entschieden haben, dass wir jetzt im Interesse der Menschen unseres Landes handeln. Und ja, die Haushaltsberatungen müssen genau dafür genutzt werden und selbstverständlich auch alle Möglichkeiten, um Druck auf die Ampelkoalition zu machen. Ein Jahr Ampel - ein Jahr Enttäuschung. Machen Sie Druck!

Der Gaspreisdeckel muss schnellstmöglich greifen, und eben nicht erst im Frühjahr. Die Kopplung des Strompreises an den Preisbörsen - auch das haben Sie angesprochen - an den teuersten Energieträger bzw. den Gaspreis muss umgehend reformiert und eine staatliche Preiskontrolle eingeführt werden. Wir haben es bereits mehrfach gefordert, das monatliche Energiegeld in Höhe von 125 € für die Haushalte. Energiesperren, Wohnraumkündigungen, Zwangsräumungen aufgrund von Energieschulden müssen gesetzlich untersagt werden. 

(Beifall bei der LINKEN)

Und ja, wir gehören auch nicht zu denen, die sich über das 49-€-Ticket freuen. Nein, der ÖPNV darf maximal nur 1 € am Tag kosten. Die Länder Bremen und Berlin haben gezeigt, wie das gehen kann. Auch herzlichen Dank an die Magdeburger Stadtratsfraktion der LINKEN, die sich sehr engagiert für ein 9-€-Ticket für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre in Magdeburg eingesetzt hat. Das ist hoffentlich nur der Anfang.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch heute wurde wieder viel über Zusammenhalt, über Solidarität gesprochen, gemeinsam durch die Krise. Grundsätzlich ist das ein toller Slogan. Das funktioniert aber nur, wenn alle mitmachen und vor allem alle nach ihren Möglichkeiten mitmachen. Jeder Mensch hat grundsätzlich ein Paar Schultern, aber nicht jedes Paar Schultern kann die gleiche Last tragen. Die Krisenkosten, meine Damen und Herren, müssen endlich gerecht verteilt werden. Nur das wirkt tatsächlich der Spaltung unserer Gesellschaft entgegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sage ich an dieser Stelle: Wir brauchen eine Übergewinnsteuer und wir brauchen eine Vermögensabgabe. Wenn selbst die Wirtschaftsweisen einen sogenannten Energiesoli fordern, dann verstehe ich ehrlicherweise nicht mehr, warum das allerorts als Teufelswerk behandelt wird. Wir brauchen dringend dieses Geld und der Anschein ist nicht nur ein Anschein. Die wirklich Reichen in unserem Land und selbstverständlich die sogenannten Krisengewinner müssen zur Kasse gebeten werden, aber noch immer sind sie im Bundestag die stärkste Lobby. Das bedauere ich vor allem, weil mit der Ampelkoalition tatsächlich einige Menschen etwas anderes verbunden haben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Parallel zu dem Zustand, dass die Reichsten in diesem Land nicht zur Kasse gebeten werden, wird die Kindergrundsicherung auf das Jahr 2025 verschoben. Ich halte das für eine Sauerei, 

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

und ich entgegne all jenen, die mir immer wieder erklären, dass Schulden nicht gemacht werden, damit kommende Generationen, also alle unsere Kinder, nicht belastet werden: Es geht Ihnen in diesem Land nicht um alle Kinder. Es geht um die Kinder der Superreichen. Die wollen Sie schützen.

(Oh! bei der CDU und bei der AfD - Unruhe)

Aber dazu sage ich ganz klar: Was ist mit den Kindern, die jetzt belastet werden, denen jetzt die Zukunftschancen genommen werden? - Ihre Reaktion zeigt mir, ich habe recht mit dieser These.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

Deshalb ganz klar die Forderung: In Bund und Ländern muss die Schuldenbremse auch im nächsten Jahr ausgesetzt werden, um staatliche Handlungsfähigkeit zu sichern, und perspektivisch gehört eine Schuldenbremse abgesetzt. Ich erwarte von einem Ministerpräsidenten, auch des Landes Sachsen-Anhalt, Haltung und Einsatz für die Menschen in unserem Land. Damit meine ich tatsächlich jeden Menschen und nicht, dass die Schwachen gegen die Schwächsten ausgespielt werden. Das tun Sie aber, wenn Sie sich gegen eine Erhöhung des Mindestlohnes einsetzen und wenn Sie auf absurde Weise, auch durch die Förderung von Unwahrheiten, das Bürgergeld, das wir nicht in Gänze teilen, blockieren und ihnen nicht einmal die 50 € mehr gönnen. Das fördert Sozialneid. Das lehnen wir ab. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke. - Für die FDP Herr Silbersack, bitte. 

(Zuruf: Es gibt eine Nachfrage!)

- Es gibt eine Nachfrage? - Das habe ich nicht gesehen, sorry. 


Jörg Bernstein (FDP):

Danke, Herr Präsident. - Frau Kollegin von Angern, nur einmal zur Erhellung für uns alle: Sie haben so schön polemisch gesagt, es geht uns als Regierungskoalition mehr oder weniger nur um die Kinder von Superreichen. Jetzt wäre die Frage: Wann fängt bei Ihnen superreich an? 


Eva von Angern (DIE LINKE): 

Vielen Dank für die Nachfrage. Das gibt mir noch etwas mehr Zeit zum Reden. 

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Auf Einladung der AWO, Landesverband Sachsen-Anhalt, durften Herr Krull, Frau Dr. Pähle, Frau Lüddemann, auch Herr Silbersack, Ihr Fraktionsvorsitzender, letzte Woche an einer Armutskonferenz teilnehmen.

(Zuruf von Stephen Gerhard Stehli, CDU)

- Herr Stehli war auch da. Wer war noch da? Bitte melden. Frau Eisenreich, Frau Anger waren noch da. Nein, es geht um die Frage. Das war tatsächlich der spannende Beitrag von Prof. Butterwegge.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

- Sie können sich danach gern melden; ich würde es zulassen. - Herr Prof. Butterwegge hat in seinem Vortrag deutlich gemacht, dass wir in Deutschland eine sehr klare Definition von Armut haben, aber von Reichtum eben nicht. Von Reichtum gibt es nur diesen sogenannten Meridian, wo man laut Bundesregierung schon mit einem Nettoeinkommen von 3 100 € als reich gilt. Nun können wir die alle bei den jetzigen Kosten einmal fragen, ob sie sich selbst als reich fühlen. Ich sage ausdrücklich: nein. 

Das heißt, es geht uns tatsächlich um die Superreichen. Die Vermögensteuer, die nach wie vor erhoben werden könnte, wenn wir das alle wollten - wir wollen es  , spricht genau diese Superreichen an. Die holt genau bei denen das Geld ab. Die jetzt regelmäßig zu entlasten, die regelmäßig aus der Verantwortung zu nehmen, halte ich für einen großen Fehler und für falsch.

(Beifall bei der LINKEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Eine Nachfrage ist möglich, aber keine neue. 


Eva von Angern (DIE LINKE): 

Dann machen wir es direkt.