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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 8

Aktuelle Debatte

Schulpolitik der CDU forciert mangelnden Schulerfolg!

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4907


Die Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten. Auch die Landesregierung darf zehn Minuten lang reden. Sie kann auch länger reden, je nachdem. Es gibt jedenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es ist folgende Reihenfolge vereinbart worden: Die Linke, SPD, AfD, FDP, GRÜNE und CDU. 

Zunächst wird der Abg. Herr Lippmann den Antrag für die Fraktion Die Linke einbringen.


Thomas Lippmann (Die Linke): 

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende November meldete das Statistische Landesamt, dass mit mehr als 19 000 Schulabsolventen der stärkste Abschlussjahrgang seit 16 Jahren die allgemeinbildenden Schulen verlassen hat. Bezogen auf das Abschlussniveau war es allerdings der schlechteste Jahrgang seit 20 Jahren. 

Während der Anteil der Jugendlichen ohne regulären Schulabschluss allein gegenüber dem Vorjahr um fast 16 % angestiegen ist, ist gleichzeitig der Anteil der Jugendlichen mit Abitur um 4,5 % gesunken. Damit gab es in diesem Sommer erstmals seit 20 Jahren wieder weniger Jugendliche mit Abitur als Jugendliche, die die Schulen nur mit einem Hauptschulabschluss oder ganz ohne Schulabschluss verlassen haben. Eine derart negative Bilanz gab es bisher erst zweimal in der Geschichte des Landes. Insgesamt haben fast 5 000 Jugendliche den Abschluss der 10. Klasse nicht erreicht. Damit steht jeder Vierte dieser Jugendlichen vor einem schwierigen Start in die weitere Ausbildung. 

Mehr als 2 700 Jugendliche haben gar keinen Schulabschluss erreicht. Das war mit mehr als 14 % einer der höchsten Anteile am Altersjahrgang, den wir in Sachsen-Anhalt je zu verzeichnen hatten. Davon werden nach den bisherigen Erfahrungen voraussichtlich Dreiviertel der Jugendlichen keinen Berufsabschluss erwerben. Aber auch der Hauptschulabschluss bietet nur eingeschränkte Chancen für eine erfolgreiche berufliche Ausbildung. Mehr als 40 % der Hauptschulabsolventen schaffen jedenfalls keinen Berufsabschluss. Allein aus dem letzten Abschlussjahrgang werden also bis zu 3 000 junge Erwachsene am Ende ohne abgeschlossene Berufsausbildung dastehen; das ist jeder siebte Schulabgänger des letzten Schuljahres. 

Es ist also auch niemandem geholfen, wenn die Anforderungen an den Hauptschulabschluss einfach abgesenkt werden, nur um einigen Jugendlichen zusätzlich einen Zettel in die Hand zu geben, auf dem „Hauptschulabschluss“ steht. Wenn dahinter keine bessere Bildung steht, bessert das zwar die Abschlussstatistik auf, es ändert aber nichts daran, dass jedes Jahr Tausende Jugendliche im Schul- und Ausbildungssystem scheitern. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Abschlussniveau sinkt bereits das vierte Jahr in Folge und man muss damit rechnen, dass sich dieser Trend auch in diesem und in den kommenden Schuljahren fortsetzt. Jedenfalls geben die schulpolitischen Vorhaben und Weichenstellungen der CDU und von Ministerin Feußner keine Hoffnung auf Besserung. Sie sind vielmehr geeignet, die negative Entwicklung weiter zu forcieren, statt für eine Wende zu sorgen. 

(Beifall bei der Linken)

Nicht einmal vom Wirtschaftsflügel der CDU hört man dazu eine kritische Stimme. Das sinkende Abschlussniveau ist derzeit zum Teil noch der Coronapandemie und natürlich auch der wachsenden Zahl von Schülerinnen und Schülern aus den verschiedenen Migrationsbewegungen der letzten zehn Jahre geschuldet. Dies alles stellt das Schulsystem zweifellos vor neue und zusätzliche Herausforderungen. Aber das erklärt eben längst nicht alles, und es hilft auch nichts, sich dahinter zu verstecken. 

Verantwortlich für den mangelnden Schulerfolg sind vor allem Fehleinschätzungen und falsche Weichenstellungen, die maßgeblich von der CDU zu verantworten sind. Denn vor allem die Herausforderungen durch die Migrationsbewegungen werden dauerhaft bestehen bleiben. Selbst wenn die rechte Remigrationsrhetorik weiter Fuß fassen sollte oder auch wenn sonst infolge politischer Entwicklungen weniger Kinder und Jugendliche aus Kriegsgebieten in unseren Schulen lernen, bleibt immer noch das hohe Niveau der EU-Binnenmigration und die darüber hinaus anwachsende Migration durch die gezielte Anwerbung von Arbeitskräften auch außerhalb der EU. 

Diese Probleme der Kinder mit Migrationshintergrund haben aber alle Bundesländer; woanders sind sie in der Regel auch größer als in Sachsen-Anhalt. Trotzdem werden in den anderen Bundesländern bessere Ergebnisse als bei uns erreicht.

Für die Integration in unseren Schulen ist eine ausreichende Sprachförderung entscheidend. Hätte die CDU Ende 2016 die Gewinnung von Sprachlehrkräften - das war eine Initiative der siebten Wahlperiode - kontinuierlich fortgesetzt, statt sie damals abrupt abzubrechen, dann hätten wir heute genügend Sprachförderangebote. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Na klar, aus den Schulen haben Sie sie herausgejagd! - Ministerin Eva Feußner: Oh!)

Um an der schlechten Abschlussbilanz nachhaltig etwas zu ändern, steht sich die CDU vor allem aber mit ihrem Selektions- und Homogenitätsfetischismus selbst im Weg. So verweigert sie etwa konsequent die Einsicht, dass der höchste Anteil an Jugendlichen ohne Schulabschluss unter anderem damit zu tun hat, dass wir bundesweit auch den höchsten Anteil an Förderschülern haben und dass man davon endlich wegkommen muss. 

(Beifall bei der Linken - Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE) 

Doch statt viel stärker den gemeinsamen Unterricht in der Regelschule zu unterstützen und diesem zum Erfolg zu verhelfen, werden die Tore der Förderschulen wieder weit geöffnet, um Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aus dem Regelschulsystem fernzuhalten. 

(Carsten Borchert, CDU: Genau richtig!)

Gleiches geschieht am oberen Ende der Schulhierarchie. Die Schulformen von oben nach unten auszukehren und von Schülerinnen und Schülern zu befreien, die angeblich nicht dorthin gehören, ist durchgängiges Prinzip der CDU-Schulpolitik. 

(Zustimmung bei der Linken - Hendrik Lange, Die Linke: So sieht es aus!) 

Dem dient unter anderem die neue ergänzte Schullaufbahnberatung, mit der Eltern davon abgehalten werden sollen, ihre Kinder auf das Gymnasium zu schicken. Dem diente auch der Vorstoß von Bildungsminister a.D. Tullner, den Zugang zum Realschulbildungsgang massiv einzuschränken, um so Tausende Schülerinnen und Schüler zusätzlich in Hauptschulklassen zu schicken. 

In ihrem Bestreben, immer mehr Schülerinnen und Schüler auf niedrigere Bildungsniveaus zu verweisen, ficht es die CDU offenbar auch nicht an, dass sie damit den Unterrichtsbedarf gerade in den Schulen erhöht, für die sie schon heute keine Lehrkräfte findet. Sie organisiert damit, dass sich die ohnehin schon zu wenigen Lehrkräfte um immer mehr Schülerinnen und Schüler kümmern müssen. Welchen Sinn soll das machen? 

Als Konsequenz wird dann immer wieder an der Zuweisungsschraube gedreht, die Stundentafel zusammengestrichen und es wird mit Viertagewochen und demnächst sicherlich auch mit Dreitagewochen experimentiert. Es wird Druck auf weitere Schulschließungen ausgeübt, um die Anzahl der Klassen zu reduzieren und sie bis unter den Rand vollzustopfen. Das alles geschieht ohne jede Rücksicht auf die schlechteren Lernbedingungen und die sinkende Unterrichtsqualität, nur um auf dem Papier den Mangel noch irgendwie zu kaschieren. 

Die Lehrkräfte im Seiteneinstieg als Notreserve werden in diesen Schulen in absehbarer Zeit in der Mehrheit sein. Trotzdem wird die Verkürzung oder auch der komplette Ausfall von Fachunterricht weiter um sich greifen. Die Schulsozialarbeit wird mit dem Auslaufen der ESF-Förderung ab 2028 der Vergangenheit angehören und für einen flächendeckenden berufspraktischen Unterricht wird auch nicht gesorgt sein. Denn dafür müssten die Weichen jetzt in den Haushaltsberatungen gestellt werden. 

Im Unterrichtsangebot klafft zwischen den Schulen mit einer Sekundarstufe II und den Schulen der Sekundarstufe I schon heute eine Lücke, die mit mehr als eineinhalb Schuljahren unerträglich groß ist. Diese Schere wird sich weiter öffnen und in den kommenden Jahren zwangsläufig zu einem weiteren Absinken des Abschlussniveaus führen. Doch statt endlich die untauglichen Strukturen in der Lehramtsausbildung im Schulsystem zu hinterfragen und zu ändern, weil diese in die Krise geführt haben, versucht die CDU, sie zu perfektionieren. Der Patient ist krank, die verordnete Medizin macht alles nur noch schlimmer, aber lieber wird die Dosis erhöht, statt die Therapie zu ändern. Oder, um es mit einem indianischen Sprichwort auszudrücken: Wenn du merkst dein Pferd ist tot, steig ab. Aber konservativ zu sein heißt offenbar, möglichst lange auch tote Pferde zu reiten. 

(Beifall bei der Linken)

Ein Großteil der Jugend des Landes muss für diesen Starrsinn mit verbauten Lebensperspektiven bezahlen. So, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dürfen Sie es nicht länger laufen lassen. Schauen sie mit nüchternem Verstand auf die Realität und ändern Sie Ihren Kurs. 

(Beifall bei der Linken) 

Vielleicht helfen ihnen beim Nachdenken die vielen Tausend Unterschriften, die gerade für die Volksinitiative „Die Schule muss im Dorf bleiben - Schulsozialarbeit für alle Kinder und Jugendlichen“ gesammelt werden. 

(Beifall bei der Linken) 

Das werden wir sehen, wenn es soweit ist. - Vielen Dank.