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Plenarsitzung

Transkript

Eva von Angern (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie die meisten von uns wissen: Es schneit nicht nur, sondern heute ist der 18. November 2022. Das bedeutet, dass in ziemlich genau 43 Tagen das Jahr 2022 endet bzw. das Jahr 2023 begrüßt wird. In 43 Tagen soll also der Haushaltsplan, über den wir heute in der ersten Lesung beraten, eigentlich schon seine Gültigkeit entfalten. Wie wir aber wissen, wird der Haushaltsplan auch nicht im März, in dem wir die zweite Lesung haben werden, sondern eventuell, vermutlich oder hoffentlich im April 2023 vollzogen werden.

Fest steht schon jetzt: Mindestens ein Viertel des kompletten Jahres wird bei der Beschlussfassung zum Haushaltsplan vorbei sein und es gibt wieder keine gültigen Planungsgrundlagen für Ämter, Kreise, Kommunen und die vielen Fördermittelempfängerinnen im Land Sachsen-Anhalt, die schon die Hälfte des Jahres oder teilweise sogar noch länger - fast elf Monate des aktuellen Jahres - im Unklaren gelassen worden sind.

Wir wissen, ist es ein Problem. Wenn man also feststellt, dass ein Haushalt eigentlich pünktlich vor Beginn des betreffenden Kalenderjahres beschlossen werden sollte und November offensichtlich zu spät für den Beginn von Haushaltsverhandlungen ist, dann könnte eine Landesregierung auch endlich einmal auf die Idee kommen, einen Entwurf pünktlich einzubringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wir wissen eben auch: Diverse Streitereien - meine Vorrednerin hat einige Punkte genannt - innerhalb der Koalition während der Verhandlungen zwischen den Ministerien sind wohl normal, dürfen aber auf keinen Fall zu Verzögerungen führen. Selbstbeschäftigung schadet den Menschen in unserem Land. Dabei hat die Landesregierung aus CDU, SPD und FDP wieder einmal versagt.

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Anträge werden nicht bearbeitet und damit werden Gelder auch nicht rechtzeitig ausgezahlt werden. Von Haushaltskontinuität und -stabilität bleibt Sachsen-Anhalt also wieder einmal entfernt und das ist gerade in instabilen Zeiten fatal. Schönrederei oder Schattenboxerei, Herr Minister, helfen uns auch nicht. - Ach, da ist der Minister doch. Guten Appetit! Sie haben gebummelt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Schauen wir aber einmal etwas genauer hin, was in diesem zu spät vorgelegten Entwurf drin ist. Das Gesamtvolumen wurde um ca. 35,7 Millionen € auf nunmehr 13,5 Milliarden € erhöht. Angesichts der Steuerschätzung, bei der die Inflation und der damit einhergehende Wertverlust des Geldes bereits eingepreist wurden, ist diese Erhöhung wenig überraschend. Trotz alledem galt es offenbar, eine Deckungslücke bei den Anmeldungen in Höhe von 1,6 Milliarden € zu stopfen. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ titelte: „Sparkurs trotz Rekordhoch“. Nach allem, was man aus der Koalition und aus der Verwaltung hinter den Kulissen hören musste, wurde dabei sehr großzügig der Rotstift angesetzt. Es ging eher nach der Farbe des Hauses als tatsächlich nach Prioritäten für den Erhalt von Infrastruktur in Sachsen-Anhalt. Aus unserer Sicht bleibt der Haushaltsplanentwurf weit hinter dem für die Menschen in unserem Land Notwendigen zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage es ganz deutlich. Insofern war unser Dialog, Herr Finanzminister, doch aufschlussreich. Ein Finanzminister, der nur die Ausgaben, aber nicht die Einnahmen im Blick hat, macht mich fast sprachlos; natürlich nur fast, ich rede weiter. Darüber sollten wir aber, denke ich, noch einmal reden.

Trotz größter Herausforderung zur Bewältigung der Krisenlast im Land bleibt der Haushaltsplanentwurf ambitionsfrei. In ihm geht es vor allem um das Verwalten und nicht um das Gestalten. Mit der Koalitionsvereinbarung haben Sie den Menschen im Land aber ein Versprechen gegeben, auf dessen Einlösung wir bis heute warten müssen.

In der aktuellen Krise verweisen Sie regelmäßig auf den Bund - auch heute wieder - und im Bundesrat blockieren Sie aktiv, wie wir jetzt beim Bürgergeld bedauerlicherweise sehen müssen. Sie beklagen sich und sagen, dass Sie nicht der Reparaturbetrieb der Bundesregierung seien, aber das waren wir ja als Land Sachsen-Anhalt schon 16 Jahre lang unter einer CDU-Kanzlerschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere allererste Pflicht hier in Sachsen-Anhalt ist aber, die Interessen der Menschen von Sachsen-Anhalt auch bei der Haushaltsgestaltung im Fokus zu haben. Das bedeutet dann eben auch, gegenzusteuern, wenn wir Kenntnis davon haben, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht im Land zuungunsten der Menschen zu kippen droht. Das ist ein Grundsatz der Haushaltsgesetzgebung.

Der ehemalige finanzpolitische Sprecher und jetzige Vorsitzende der CDU-Fraktion ist dafür bekannt, immer erst bei den Sozialausgaben sparen zu wollen. Ich halte dem entgegen: Wir müssen Lasten gerecht verteilen, und dafür müssen wir eben auch über Einnahmen reden, und zwar jetzt und nicht im Finanzausschuss.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist solide Finanzpolitik und eben kein Streichkonzert, das auch noch planlos erfolgt. EU-Finanz- und -Wirtschaftsexperten sehen in Deutschland das am stärksten von der Rezession betroffene Mitgliedsland der Europäischen Union. Das ist nicht nur ein Alarmsignal, sondern damit wären durchaus eine Ausnahme von der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse und ein wirklich starkes, eigenes Sonderprogramm mit Krisenhilfen und Komplementärhilfen für das Bundespaket möglich gewesen.

Gerade zur Minderung der hohen Energiebelastungen, drastisch gestiegener Preise und der Inflationsfolgen wäre die Stärkung der Krisenresilienz für die Menschen, für die Unternehmen und auch für die Kommunen ein wichtiges Signal gewesen.

Dieser bundespolitische Streit zwischen Ampel und Union wird aktuell auf dem Rücken der Menschen ausgetragen. Insofern macht es ja nicht einmal Spaß, Sie hier in beiden zu sehen, einmal in der Landesregierung und einmal in der Frontalopposition gegenüber der Ampelkoalition in Berlin.

Eines muss man allerdings dem Finanzminister lassen. Selbst jetzt noch 22 Millionen € in der Schuldentilgung verschwinden lassen zu wollen, obwohl der Sanierungsstau bei Schulen, bei Sportstätten, bei Feuerwehren, bei Straßen und bei der kompletten öffentlichen Infrastruktur ein gigantisches Mammutprojekt für uns bleiben wird, das mit jedem Jahr schlimmer wird. Dazu gehört schon eine gehörige Menge Schneid oder Blindheit. Ich bin gespannt, was die Haushaltsdebatten hierzu bringen werden und ob es dann am Ende des Tages tatsächlich bei 22 Millionen € Schuldentilgung bleiben wird.

(Guido Kosmehl, FDP: Sie haben den aktuellen Entwurf nicht gelesen!)

Nicht einmal der Bundesfinanzminister leugnet, dass die Krise im nächsten Jahr noch nicht vorbei sein wird, und nimmt de facto Schulden auf, um mit den massiven Unsicherheiten des Krieges in der Ukraine und den damit einhergehenden Folgen umgehen zu können. Die Taschenspielertricks, die er benutzt, um trotzdem formal die Schuldenbremse einzuhalten, sind unwürdig. Dass unsere Landesregierung aber noch einmal eine Schippe drauflegt, ist den Menschen in Sachsen-Anhalt tatsächlich nicht mehr zu erklären.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen! Stecken Sie diese 22 Millionen € bitte in die Bildung und nicht in die Tilgung.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Wir haben jetzt schon mehrfach über das Sondervermögen gesprochen. Man kann sagt, dass es schon fast konsequent ist, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Jahr nicht abfließen wird, weil die Landesregierung tatsächlich nicht in der Lage ist, Richtlinien zu erlassen, oder eine Überraschung darüber besteht, dass das Finanzministerium Richtlinien mitzeichnen muss. Man könnte sagen, es ist einfach nur peinlich, aber darum geht es nicht. Es ist vor allem schädlich und verantwortungslos gegenüber den Menschen in Sachsen-Anhalt, die das Geld dringend brauchen.

Nun soll auf den letzten Metern nachgelegt werden, nachgebessert werden. Wir haben es heute gehört. Der Ministerpräsident himself will jetzt - leider hat er sich nur zu der Kultur geäußert - aktiv werden. Ich bin tatsächlich gespannt, wie aktiv er wird und was dazu am Ende des Tages herausgeht. Ich finde, verantwortungsvolles Regierungshandeln sieht anders aus. Schlussendlich müssen Sie klären, was aus den Ankündigungen zu dem Pakt für die Kinder, zum Neustart der Kultur sowie zur Digitalisierung an Schulen und im Gesundheitswesen tatsächlich wird.

Ich kann nur sagen, dass Wohlfahrtsverbände, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, also alle mit enormen Kostenanstiegen hier in Sachsen-Anhalt allein gelassen werden, sodass bereits jetzt - das muss für uns alarmierend sein - Wohlfahrtseinrichtungen ankündigen, sich teils aus der sozialen Arbeit zurückziehen zu müssen - nicht zu wollen  , weil sie hohe Sachkosten bei größer gewordenem Hilfebedarf nicht mehr bewältigen können.

Meine Damen und Herren! Die Menschen in Sachsen-Anhalt verlassen sich auf Sie, auf uns. Ich hoffe, dass wir in den Haushaltsberatungen noch die eine oder andere Sache geradebiegen können. Dabei können Sie auf konstruktive Vorschläge von uns zählen. So, wie der Haushaltsplanentwurf jetzt vorliegt, werden wir ihm selbstverständlich nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau von Angern, es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl. Wenn Sie die beantworten wollen, dürfen Sie am Rednerpult verbleiben. - Das scheint der Fall zu sein, Herr Kosmehl. Sie können jetzt die Frage stellen.


Guido Kosmehl (FDP):

Sehr geehrte Frau Kollegin von Angern, ich würde Sie bitten, dass Sie uns vielleicht noch einmal darlegen, wo Sie die Tilgung, diese 22 Millionen €, sehen, auf die wir verzichten sollen. Ich weiß nicht, ob Ihnen der aktuelle Entwurf zugegangen ist. Das Land wird laut Plan im nächsten Jahr 221 Millionen € neue Schulden machen.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Das behauptet ihr jetzt, wartet mal, wenn der Haushalt durch ist!)


Eva von Angern (DIE LINKE):

Ja, und es plant zu tilgen. Ich bin ehrlich gesagt, entspannt, weil ich dazu die Aussage meiner Kollegin Frau Dr. Pähle teile. Der Haushaltsplanentwurf wird den Landtag nicht so verlassen, wie er derzeit vorliegt. Ich kenne aber die Ankündigung des Finanzministers, sehr wohl tilgen zu wollen.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja, die 80 Millionen €, die wir 2022 aufgenommen haben!)

Wir haben heute auch noch einmal gehört, dass mit dem, was in den Sondervermögen übrig bleibt, auch getilgt wird. Ich finde, auch darüber sollten wir reden. Denn ich halte es derzeit tatsächlich für ein komplett falsches Signal.

(Zustimmung bei der LINKEN)