Konstantin Pott (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der letzten Sitzungsperiode haben wir über das Bürgergeld diskutiert. Seitdem ist auf der Bundesebene einiges passiert. Ich habe auch in der letzten Sitzungsperiode bereits deutlich gemacht, dass aus der Sicht der Freien Demokraten das Hartz IV-System überarbeitet gehört. Wir haben dafür bereits seit längerer Zeit unser liberales Bürgergeld im Programm. Doch wir wollen damit nicht blind Regelsätze erhöhen, sondern wir wollen einen neuen Fokus setzen, nämlich die Chancengerechtigkeit. Das schaffen wir nur durch die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt und entsprechende Berufseinstiegschancen durch Bildungs- und Fortbildungsangebote.
Die Kollegen von der Union haben zunächst den aktuellen Entwurf im Bundesrat abgelehnt. Sie sprechen sich für eine Erhöhung des Regelsatzes aus. Umfassende Veränderungen soll es nicht geben. Hauptargument dafür sind vermeintliche Fehlanreize, welche durch die Einführung des Bürgergeldes gesetzt werden. Hierfür werden immer wieder die Sanktionsfreiheit, der Wertverlust von Arbeit und die fehlende Fairness gegenüber den Arbeitenden genannt.
Für uns als Freie Demokraten ist klar, dass die Qualifizierung der Schlüssel zur Integration in den Arbeitsmarkt ist, um eine vollumfängliche Teilhabe am Berufsleben zu ermöglichen.
(Beifall bei der FDP)
Weiterhin stehen wir für die Anhebung der Hinzuverdienstgrenze und bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in einer Bedarfsgemeinschaft sogar für den kompletten Wegfall dieser Grenze. Denn gerade jungen Menschen soll der familiäre Hintergrund nicht zur Last fallen.
(Zustimmung bei der FDP)
Wenn einem jungen Menschen, der eine Ausbildung macht und eine Ausbildungsvergütung von 800 € erhält, nur 240 € davon bleiben, dann ist das ein fatales Zeichen. Und das ist im aktuellen Hartz IV-System so.
(Beifall bei der FDP)
Denn dann fragt sich der junge Mensch zu Recht, warum er überhaupt die Ausbildung machen soll. Wir müssen früh beginnen zu zeigen, dass Leistung sich lohnt. Mit dem neuen Bürgergeld würden diesem jungen Menschen nun 604 € bleiben. Das ist ein klares Zeichen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist es, was wir Liberale auch als Chancengerechtigkeit verstehen. Wenn Menschen sich anstrengen, wenn sie versuchen, bessere Perspektiven zu bekommen, dann sollten wir sie dabei unterstützen und sollten ihnen nicht Steine in den Weg legen.
Auch die Einführung von individuellen Coaching-Programmen kann einen Beitrag zu gerechteren Chancen leisten. Wir dürfen auch Menschen, die es nicht so leicht haben, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, nicht außer Acht lassen. Ebenso werden mit dem vereinfachten Nachholen von Berufsabschlüssen weitere Aufstiegschancen eröffnet.
Der Regelsatz soll von 449 € auf 502 € für Alleinstehende angehoben und in Zukunft aufgrund der Inflation vorausschauend angepasst werden. Wir hinken dann nicht mehr hinterher, sondern passen inflationsbedingt vorausschauend an.
(Zustimmung bei der FDP)
Das Prinzip des Förderns und Forderns gilt weiterhin. Wer wiederholt nicht zu Terminen erscheint, der wird auch zukünftig immer mit Sanktionen belegt. Und Terminversäumnisse sind bereits heute in rund 80 % der Fälle der Grund einer Sanktionierung. Diese Regelung gilt auch innerhalb der Vertrauenszeit in den ersten sechs Monaten. Leistungsbeziehern, die gegen ihre Mitwirkungspflicht verstoßen oder einen Termin nicht wahrnehmen, können weiterhin bis zu 30 % ihrer Leistung gekürzt werden. Das ist das Maximum an Sanktionierung, dass das Bundesverfassungsgericht als legitim ansieht.
(Zustimmung bei der FDP)
Wir erachten das auch als fair gegenüber den Steuerzahlern, die diese Sozialleistungen finanzieren.
Man kann das Bürgergeld kritisieren. Das ist völlig in Ordnung. Das ist völlig legitim. Aber wir sollten bitte auch immer bei den Fakten bleiben. Hier in der Debatte sehe ich leider immer wieder, dass bestimmte Aspekte außer Acht gelassen werden.
Ein weiteres Beispiel: Die Freien Demokraten haben im parlamentarischen Prozess auf der Bundesebene durchgesetzt, dass die Heizkosten nicht komplett übernommen werden, sondern nur nach einer Angemessenheitsprüfung bzw. dass nur angemessene Heizkosten gedeckt sind, auch innerhalb der anfänglichen Karenzzeit. Damit gibt es auch für Bürgergeldempfänger weiterhin klar einen Anreiz zu sparen.
Ein weiteres Beispiel, das immer wieder angebracht wird, ist die Vertrauenszeit und die damit verbundene Sanktionsfreiheit. Ich mache keinen Hehl daraus, dass diese Vertrauenszeit für uns Freie Demokraten nicht ein Herzensprojekt war. Aber wie ich bereits ausgeführt habe: Bei wiederholten Terminversäumnissen kann weiterhin sanktioniert werden. Die Sanktionen, die in der Vertrauenszeit wegfallen sollen, werden bereits heute im Regelfall in den ersten sechs Monaten nicht ergriffen.
Um einen weiteren Punkt klarzustellen: Diese Vertrauenszeit wird nicht für bereits jetzt Langzeitarbeitslose gelten, sondern nur für diejenigen, die neu in die Arbeitslosigkeit rutschen. Die Fairness gegenüber den Arbeitenden und den Finanzierern des Bürgergeldes gilt weiterhin.
(Zustimmung bei der FDP)
Es gibt auch weiterhin einen klaren Anreiz für die Menschen, arbeiten zu gehen. Ich möchte jetzt keine großen Berechnungen rauspacken. Dazu kann jeder das Ganze nachlesen. Ich möchte nur einen Hinweis geben: Es gibt dazu eine Studie, die online veröffentlicht wurde. Daraufhin wurde aber darauf hingewiesen, dass die Berechnungen dort eben nicht korrekt waren und bestimmte Aspekte außer Acht gelassen wurden. Inzwischen ist diese Studie auch nicht mehr online. An dieser Stelle möchte ich nur auf Folgendes hinweisen: Wenn mit solchen Dingen gearbeitet wird, bitte auch immer prüfen.
Der Fokus liegt nun aber darin, dass auch ein Geringverdiener oder jemand, der mit kleinen Tätigkeiten beginnt, um sich aus der Arbeitslosigkeit zu befreien, spürbar mehr in der Tasche hat als jemand, der nicht arbeiten geht. Der Grund hierfür sind angerechnete Freibeträge, Unterstützungsleistungen und Zuschläge, wie bspw. infolge der Wohngeldreform.
Auch Menschen, die sparsam leben und sich Geld zurückgelegt haben, werden in Zukunft nicht sofort zusätzlich belastet. Dafür sorgen wir mit der Anpassung beim Schonvermögen. Derjenige, der spart, darf dafür nicht bestraft werden.
(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD)
Ich möchte dazu auch klar sagen - das gehört auch dazu : Wenn Menschen sich privat etwas für das Alter zurücklegen, dann dürfen wir diese Menschen nicht bestrafen
(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD)
und dieses Schonvermögen, wenn sie vielleicht unverschuldet in Arbeitslosigkeit kommen, direkt anrechnen.
Um langsam zum Schluss zu kommen und kurz alles zusammenzufassen: Das Prinzip des Förderns und Forderns bleibt weiterhin bestehen. Menschen, die arbeiten, haben weiterhin mehr als diejenigen, die nicht arbeiten. Wir legen den Fokus auf Aufstieg und Chancengerechtigkeit. Eine Erhöhung des Regelsatzes hätte sowieso auch inflationsbedingt angestanden.
Wie ich bereits angeführt habe: Man kann das Bürgergeld aus den verschiedensten Gründen ablehnen. Die Vertrauenszeit - das habe ich auch bereits gesagt - war nie ein liberales Herzensprojekt. Aber ich hoffe, dass im Vermittlungsausschuss sachlich darüber diskutiert wird und dass wir bei den Fakten bleiben.
Die Freien Demokraten haben auf der Bundesebene bereits klar signalisiert, gesprächs- und kompromissbereit zu sein. Das ist auch der richtige Weg. Es darf keine gegenseitige Schuldzuweisung oder Ähnliches geben, sondern ein konstruktives Arbeiten an dem, was am besten für unser Land ist. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der FDP)