Auf Basis eines Antrags der Landesregierung hat der Landtag gemäß Infektionsschutzgesetz festgestellt, dass für das Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt weiterhin die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit besteht. Damit hat der Landtag die Landesregierung in die Lage versetzt, auch in künftigen Eindämmungsverordnungen die durch das Infektionsschutzgesetz gegebenen Maßnahmen anzuwenden. Hintergrund sind die Ende November in Kraft getretenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes auf Bundesebene.
Die 7-Tage-Inzidenz in Sachsen-Anhalt liege aktuelle bei 808 Fällen pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner; vor einer Woche seien es 861 gewesen, erklärte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) eingangs der Debatte. Zwar müssten derzeit keine Verlegungen von Intensivpatienten in andere Bundesländer erfolgen, dennoch sei die Lage ernst. Außerdem stelle die neue Virusvariante Omikron eine neue Gefahr für die Bevölkerung dar.
Die Impfquote im Land sei mit 68 Prozent immer noch zu gering, erklärte die Ministerin. Es sei daher zwingend geboten, die Krankenhäuser und die Ärzte und das Pflegepersonal zu entlasten. Die Feststellung der epidemischen Lage durch den Landtag sei nötig, um die Landesregierung zu befähigen, einen breiten Instrumentenkoffer zur Anwendung zu bringen. Dabei sollen auch zukünftig regionale Unterschiede berücksichtigt werden, versicherte Grimm-Benne.
Ulrich Siegmund (AfD) zählte auf, welche Maßnahmen die Landesregierung mit der Feststellung der epidemischen Lage weiterhin treffen können wolle. Dies alles mit der Begründung, ihnen liege angeblich die Gesundheit der Menschen am Herzen. Siegmund fragte zudem, was denn die Landeregierung in den vergangenen zwei Jahren für das Gesundheitswesen getan habe und schob die Antwort gleich hinterher: Aus seiner Sicht habe die Landesregierung nämlich nichts getan. Außerdem ignoriere die Regierung alle Kollateralschäden, die mit der Pandemie einhergingen, wie beispielsweise psychische Probleme durch Schulschließungen oder verschobene Operationen bei Krebserkrankungen. Diese Politik sei „verantwortungslos, frei jeglicher Logik, ein Spiel mit der Angst der Menschen“, kritisierte der AfD-Abgeordnete. Eine Impfpflicht für Pflegepersonal lehne seine Fraktion zudem strikt ab.
Sicher mache sich niemand die Entscheidung über diesen Antrag leicht, meinte Konstantin Pott (FDP). Die Landesregierung erhalte damit jedoch Möglichkeiten, dynamisch auf die sich verändernde Lage zu reagieren. Die Maßnahmen müssten jedoch zielgerichtet und mit Augenmaß getroffen werden, forderte der FDP-Politiker. Generelle Lockdowns und Schul- und Hochschulschließungen seien sicher nicht der richtige Weg. Stattdessen müssten die Lage kontinuierlich überprüft und die Maßnahmen angepasst werden.
Für seine Fraktion sei die Feststellung der epidemischen Lage zweifelsfrei sinnvoll und könne mitgetragen werden, unterstrich Stefan Gebhardt (DIE LINKE). Schwierig werde es allerdings, wenn die Landesregierung – wie bisher – einen „Blankoscheck“ für alle zukünftigen Maßnahmen erhalten möchte. Gebhardt beklagte, dass das Parlament wieder nicht einbezogen werden solle. Es handle sich lediglich um „exekutives Verwalten“. Er äußerte den Wunsch, dass die Landesregierung ihren Fokus bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie mit drei Säulen stütze: genügend Impfstoff, anständige Informations- und Aufklärungskampagnen über das Impfen sowie ausreichende Investitionen in das Gesundheitssystem.
Tobias Krull (CDU) erklärte, alle Maßnahmen, die Infektionszahlen reduzierten und weniger Patienten für die Krankenhäuser bedeuteten, seien sinnvoll. Langfristig könne jedoch vermutlich nur eine höhere Impfquote helfen. Krull warnte davor, die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Nicht alle Menschen, die sich nicht impfen ließen, seien radikale Impfgegner. Die Aufhebung der epidemischen Lage auf Bundesebene halte er weiter für einen Fehler. Auch deshalb sei der Antrag der Landesregierung unbedingt zu begrüßen.
Susann Sziborra-Seidel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) forderte, die Möglichkeiten der Pandemiebekämpfung müssten zukünftig konsequent genutzt werden. „Wenn wir nicht jetzt ernsthaft gegensteuern, wird die Weihnachtszeit die Inzidenz eher nach oben treiben.“ Denn bei einer hohen Anzahl von sozialen Begegnungen steige der Infektionsdruck für alle Menschen. Die demonstrierenden Menschen auf der Straße beschrieb sie als „lautstarke unvernünftige Minderheit“. Letztlich würden die ergriffenen Maßnahmen aber auch die Impfgegner schützen.
Die Feststellung der epidemischen Lage und die daraus folgenden Maßnahmen seien notwendig, betonte Dr. Katja Pähle (SPD). Denn die Inzidenz bei den Ungeimpften betrage in Sachsen-Anhalt 2 464, die der Geimpften liege dagegen nur bei 43. Darum sei es Fakt: „Es ist eine Pandemie der Umgeimpften!“ und deshalb müssten entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Die SPD-Politikerin räumte ein, dass ein Politiker seine Meinung auch mal ändern können müsse. So habe sie jetzt festgestellt – nach zwei Jahren Corona-Pandemie-Erfahrung –, dass unter den neuen Umständen eine Impfpflicht für alle Bürger ein „adäquates Mittel“ sein könne.
Am Ende der Debatte haben die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Antrag zugestimmt. Die Fraktion DIE LINKE enthielt sich, die AfD-Fraktion lehnte den Antrag ab.