Angepasstheit und Funktionieren im Kollektiv galten zu DDR-Zeiten der SED als unverzichtbar für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Wer sich nicht zur staatskonformen Persönlichkeit formen lassen wollte, galt als unerzogen, aufsässig bzw. unverbesserlich und bekam die Macht des Staates schmerzhaft zu spüren. In sogenannten Umerziehungsheimen landeten viele dieser Kinder und Jugendlichen mit dem Ziel, sie einer Umformung zu unterziehen. Ihre Menschenrechte wurden dabei mit Füßen getreten. Viele der Betroffenen sind noch heute traumatisiert durch die physischen und psychischen Misshandlungen in den Heimen.
Die Autorengruppe dieses Buches gibt den Leidtragenden eine Stimme. Durch die persönlichen Schilderungen des Erlebten erhält man einen schockierenden und bedrückenden Einblick in dieses wenig beachtete Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte. Aber auch der Umgang mit „Schwererziehbaren“ in der NS-Zeit, das Schicksal der „Verdingkinder“ in der Schweiz und fragwürdige Methoden in der Bundesrepublik Deutschland und in Heimen der Gegenwart werden beleuchtet. Das vorliegende Buch ist extrem wichtig, um das Thema der brachialen Umerziehung in die Öffentlichkeit zu rücken und die Aufarbeitung dieser „Pädagogik“ voranzutreiben.
Grit Poppe, Niklas Poppe: Die Weggesperrten: Umerziehung in der DDR – Schicksale von Kindern und Jugendlichen. Berlin: Propyläen, 2022.