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Plenarsitzung

Den Fokus weiter auf Ostdeutschland richten

Auch nach fast 35 Jahren Deutsche Einheit gebe es in Ostdeutschland weiterhin strukturelle Unterschiede gegenüber dem Durchschnitt der anderen Bundesländer, merkt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an. Durch deren Antrag soll sich die Landesregierung auf Bundesebene unter anderem dafür einsetzen, diese Ungleichheiten abzubauen und das Amt der/des Ostbeauftragten der Bundesregierung fortzuführen. Das Amt soll konzeptionell so aufgestellt sein, dass es die Anliegen und Interessen der Menschen in Ostdeutschland für die Bundesregierung aufnimmt und in konkretes Regierungshandeln umsetzt.

Karte vom Osten Deutschlands.

Soll es weiter einen Ostbeauftragten der Bundesregierung geben?

Beauftragter als überparteiliches Sprachrohr

„Wir brauchen nicht weniger Engagement für den Osten, sondern mehr, vielleicht in einer anderen Ausgestaltung“, sagte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zum Westen Deutschlands seien nach wie vor zu erkennen. Die vielen fremdenfeindlichen Übergriffe offenbarten, dass der Osten scheinbar anfälliger für extremistisches Gedankengut sei, was eigentlich überraschend sei vor dem Hintergrund der Friedlichen Revolution und der Erringung der Freiheit. Die Abschaffung eines Ostbeauftragten sei nicht wünschenswert, so Meister. Das Amt könne und müsse überparteiliches Sprachrohr und Ansprechpartner sein, Impulsgeber beispielsweise auch für neue Formate der Beteiligung der Menschen im Osten.

„Es wird noch eine Weile dauern“

„Die meisten statistischen Parameter grenzen den Osten fast bis auf den Zentimeter vom Westen Deutschlands ab, und das wird noch viele Jahrzehnte so sein“, mutmaßte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). Die Sünden der Vergangenheit würden wohl erst in der dritten oder vierten Folgegeneration ausgemerzt sein. Ohne den Beitritt zur Bundesrepublik wäre das Land allerdings ins absolute Chaos gestürzt, zeigte sich Haseloff überzeugt. Man könne aber selbstbewusst an der eigenen Zukunft arbeiten. „Die Lücke schließt sich, auch wenn es noch eine Weile dauert“, in Deutschland werde eine Solidarität praktiziert, durch die die Missstände sozialpolitisch ausgeglichen würden. Die Stelle des Ostbeauftragten sei in der Vergangenheit hilfreich gewesen, räumte Haseloff ein. Eine neue Besetzung des Amts müsse im Rahmen der Koalitionsverhandlungen besprochen werden.

Am Amt des Ostbeauftragten festhalten

Es sei sinnvoll, jetzt ostdeutsche Interesse in die Koalitionsverhandlungen einzubringen, betonte Dr. Katja Pähle (SPD). Trotz großer Erfolge der ostdeutschen Länder bei der nachhaltigen Transformation der Wirtschaftsstruktur bleibe die Herstellung gleicher Lebensbedingungen eine große Herausforderung. Auch durch das neue Sondervermögen könne nun „Schluss mit aufholender Entwicklung“ sein, der wirtschaftliche Anschluss könne gestartet werden. Die Bundesregierung müsse die Defizite im Osten aber weiter im Blick behalten. Die SPD setze sich für Ministerinnen und Minister aus Ostdeutschland ein und halte am Amt des Ostbeauftragten fest. Dieses müsse weiterhin hochrangig bei der Bundesregierung angesiedelt sein, um tatsächlich Einfluss auf die Tagespolitik nehmen zu können.

„Nur ein teurer Beruhigungsposten“

Man müsse sich der unbequemen Wahrheit stellen, dass der Osten auch nach 35 Jahren nicht gleichgestellt sei, sagte Thomas Korell (AfD). Seine Fraktion lehne den Antrag ab. Beim Ostbeauftragten handele es sich lediglich um einen „Bürokratenposten, der angeblich unsere Interessen vertreten soll“. Er habe in den letzten Jahren weder die Löhne angepasst, noch habe er dafür gesorgt, dass unsere Dörfer ausstürben. Der Ostbeauftragte sei ein „Feigenblatt, ein teurer Beruhigungsposten“. Wenn die Bundesregierung es ernst meinen würde, bräuchte es keinen Ostbeauftragten. Die Politik der letzten Jahrzehnte sei gescheitert, so Korell. „Hätte sich wirklich was verbessert, dann bräuchte es diesen Antrag nicht, dann hätten wir bereits echte Gleichberechtigung in Ost und West.“

Herausforderungen angehen

Nach der Friedlichen Revolution habe es einen wirtschaftlichen Aufschwung gegeben, erinnerte Andreas Silbersack (FDP). Das von der AfD immer wieder wiederholte „Narrativ der Perspektivlosigkeit“ habe nichts mit der Lebensrealität der Menschen im Osten zu tun. Man müsse stattdessen selbstbewusst und mit Mut die Herausforderungen angehen, den Osten Deutschlands zu stärken. Man müsse klären, was der Osten konkret brauche, dann könnten die Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt werden.

„Schlüsselministerium in ostdeutsche Hand“

„Die Stärkung des Ostbeauftragten ist richtig“, erklärte Eva von Angern (Die Linke). Obwohl sich der Einheitsprozess wandle, gebe es auch 35 Jahre nach der Einheit keine Gleichberechtigung und keine Chancengleichheit. „Berlin weiß immer noch zu wenig über Magdeburg, Apolda, Köthen oder Bischofferode.“ Es sei angeraten, ein Schlüsselministerium des Bundes in ostdeutsche Hand (eine Frau) zu geben, so von Angern. Die ostdeutsche Perspektive müsse zentral vertreten sein. Tariftreue und Rentengerechtigkeit seien wichtige ostdeutsche Anliegen, die der Bund immer noch nicht abschließend geregelt habe: „Sonntagsreden reichen nicht zur Anerkennung von Lebensleistung.“

Neue Form der Beauftragung

Im 35. Jahr der Deutschen Einheit sehe man, dass sich in unserem schönen Bundesland viel entwickelt habe, stellte Markus Kurze (CDU) klar. Dies gehe einerseits auf das gesamtdeutsche Engagement, andererseits auf die Menschen zurück, die vor Ort am Aufbau mitgearbeitet hätten. Ob ein Ostbeauftragter weiterhin die richtige Institution sei, stellte Kurze infrage. Vielleicht sei eine neue Form der Beauftragung sinnvoller, um sich gesamtdeutsch für gleichwertige Lebensverhältnisse einzusetzen. Auch die Bezeichnung „neue Bundesländer“ sei nach 35 Jahren überholt.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Grünen in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur überwiesen.