Clara Zetkin, Thomas Müntzer und, wer ihn hatte, Karl Marx verschwanden 1990 aus den Portemonnaies der Menschen in der DDR. Die gute alte Mark wurde während eines Zeitraums von nur Wochen im Sommer vor 30 Jahren wertlos und per Umtausch durch die marktstarke D-Mark aus den alten Bundesländern ersetzt. Die Aluchips wichen schwereren Münzen und plötzlich gab es kein 20-Pfennig-Stück mehr, dafür eins für zwei Pfennige. Dass die viel größeren Scheine kaum in die Geldbörse gepasst haben, ist eine andere Geschichte.
Wie verschieden waren doch die Zeiten und vor allem die Stimmung im Land, als es 2002 hieß, von der D-Mark Abschied zu nehmen, um sie durch den Euro ersetzen zu lassen. Der Euro wird zum Teuro, hieß es da nicht selten, mitunter halten dieser Tage noch einige Bundesbürger an ihrer Leidenschaft für die frühere allein deutsche Währung fest und wollen die D-Mark zurück. In vielen Sammelalben wird sie die nächsten Jahrzehnte überdauern, der eine oder andere findet selbst heute noch Restbeträge in Taschen, Sparstrümpfen oder nach Omas Tod unter deren Matratze. Die meisten Bürgerinnen und Bürger haben sich aber inzwischen an das europäische Geld gewöhnt und wundern sich kaum mehr noch, dass in vielen EU-Ländern das lästige Geldwechseln entfällt. „Der Übergang von der D-Mark zum Euro verlief sehr viel reibungsloser als der Umtausch 1990“, erinnert sich Ursula Klinger von der Sparkasse Magdeburg.
„Kommt die D-Mark, bleiben wir …“
Obwohl das Sparkassen- und Bankenwesen am 1. Januar 2002 ein wenig Kopf stand, bedurfte es in jenen Stunden doch trotz allem keines Krankenwagens – womit wir mit unserer Geschichte zur Währungsunion 1990 zurückkommen: Alles wurde anders, als im Spätherbst 1989 die Menschen die Mauer zwischen Ost und West zum Einsturz brachten und das friedliche Miteinander in Europa endlich in eine demilitarisierte Epoche eintreten konnte. Die Menschen wollten frei sein und doch ihre Heimat nicht verlieren, sie wollten auf wirtschaftlich starken Beinen in die Zukunft schreiten, ohne jedoch ihre Identität aufzugeben.
Kaum einer zweifelte die schon als überirdisch schlecht zu bezeichnende Lage der DDR an, der Arbeiter- und Bauernstaat war bankrott und hochverschuldet; Licht am Ende des Tunnels bot die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten und die Einführung der D-Mark in der Noch-DDR. „Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr“ – noch immer erscheint dieser Slogan vor dem inneren Auge, wenn man an die Massendemonstrationen in den großen DDR-Städten zurückdenkt. Die D-Mark kam – heiß gewünscht und herbeigesehnt, nicht jedoch ohne des Deutschen erste Tugend: per Gründlichkeit mit entsprechendem Formular!
D-Mark wird offizielle Währung der DDR
Am 1. Juli 1990 wurde die D-Mark offizielle Währung in der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden DDR. Die Umstellung von Löhnen, Gehältern, Mieten oder wiederkehrenden Zahlungen erfolgte zunächst nach einem Umtauschkurs 1:1. Guthaben auf Sparkonten wurden mit Betragsgrenzen 1:1 gewechselt – nach dem 1. Juli 1976 Geborene konnten 2 000 Mark 1:1 tauschen, bis 2. Juli 1931 Geborene 4 000 Mark und vor dem 1. Juli 1931 Geborene 6 000 Mark. Alles was an Sparguthaben über diesen Betrag hinausging wurde nach dem Wert 1:2 umgetauscht. „Die große Rechnerei ging los“, weiß Astrid May von der Magdeburger Sparkasse als Augen-, Ohren- und Handlungszeugin zu berichten. „Man versuchte natürlich, so viel DDR-Mark wie möglich zu retten, wodurch man Geld auf den Konten hin- und herschob.“
In den ersten sechs Monaten des Jahres 1990 stieg die Anzahl neueröffneter Konten allein in Magdeburg um circa 49 000 an, etwa 216 Millionen Mark wurden in dieser Zeit in den verschiedenen Filialen eingezahlt. Von Ost-Mark zu D-Mark wurde jedoch nur getauscht, wenn man vorher den entsprechenden Umstellungsantrag gestellt hatte. Für diesen gab es eine Frist vom 11. Juni bis zum 6. Juli – jeder, der danach mit seiner Ost-Mark kam, konnte nur noch mit Spielgeld nach Hause geschickt werden, ein Umtausch war nicht mehr möglich.
Jeder freute sich auf das neue Geld
Im Zeitraum der ersten Umtauschwoche wurden in der Landeshauptstadt 120 000 Umstellungsanträge bearbeitet. Bis zum 30. Juni 1990 wurden zudem über 80 000 Auszahlungsquittungen mit einem Gegenwert von 74 Millionen D-Mark ausgestellt, die ab dem 1. Juli eingelöst werden konnten und wurden.
Lange Menschenschlangen bildeten sich vor den Sparkassenfilialen, eine Arbeitszeit von 15 Stunden an sieben Tagen der Woche (also auch am Wochenende!) wurde für die Angestellten eine Herausforderung, die bis an die Belastungsgrenze führte. Selbst unlängst in den Ruhestand verabschiedete Mitarbeiter wurden wieder zum Helfen zurückgeholt, unzählige Einstellungsgespräche wurden geführt. „Nebenbei musste das normale Sparkassengeschäft ja auch noch weitergehen“, erzählt Astrid May, die kurz nach der Wende in Kontakt mit der Hannoverschen Sparkasse kam, die die Kollegen aus dem Ost in Know-how und Technik stark unterstützten.
Mitunter wurden sogar Container eingerichtet, in denen die Kundschaft betreutet wurde, der Zulauf war einfach enorm. „Die Leute freuten sich auf das neue Geld, standen stundenlang dafür an – es war ein Gemeinschaftserlebnis der Mitarbeiter und der Menschen draußen. Ich glaube, ich habe nicht einmal jemanden murren gehört, die Arbeits- und Wartezeiten wurden akzeptiert. Und für den Notfall – schließlich war es Sommer! – hatten wir sogar Krankenwagen vor Ort.“ Das lange Warten war nicht weniger als das Warten auf eine neue Zukunft.
Diese Zukunft – ist sie auch manchmal nicht so, wie sie sich der Einzelne vorgestellt haben mag – machte die Menschen frei. Mit Geld im Portemonnaie, das sich auf dem Weltmarkt behaupten konnte, ging es daran, ein neues und anderes Leben zu entdecken.
Der Text stammt aus unserem Archiv vom Oktober 2015.