Die großen politischen Schlagworte „Ermächtigungsgesetz“ und „Gleichschaltungsgesetz“ aus dem so schicksalshaften März 1933 rücken 90 Jahre später wieder verstärkt in das Bewusstsein von Politik und Gesellschaft. Die Nationalsozialisten hatten sich im Verlauf von gut zehn Jahren Schritt für Schritt, dabei aber – von einigen politischen, wahlbedingten Rückschlägen abgesehen – konsequent ins politische Zentrum in Berlin vorgearbeitet.
Nachdem er sich lange dagegen gesträubt hatte, ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. Dieser wurde Chef einer Koalition aus NSDAP und konservativen Kräften. Neben Hitler gab es allerdings nur zwei weitere NSDAP-Minister, die anderen sollten den neuen Kanzler „zügeln“ – ein Irrglaube, wie sich herausstellen sollte.
Am 5. März 1933 fanden erneut Reichstagswahlen statt, durch die die NSDAP erhebliche Zugewinne verzeichnen konnte und gemeinsam mit einem von der DNVP dominierten Wahlbündnis eine Regierungskoalition mit eigener Mehrheit stellen konnte. Auf dem politischen Plan der Nazis hatte zu dieser Zeit bereits ein sogenanntes Ermächtigungsgesetz gestanden, das quasi eine uneingeschränkte Machtfülle schaffen sollte. Ziel war von Beginn an die Ausschaltung des Reichstags und damit der demokratischen Grundordnung. Das angeblich auf vier Jahre beschränkte Gesetz bot den Ausgangspunkt für eine gut zwölf Jahre währende Gewaltherrschaft in Deutschland.
Die Gesetzesannahme im Reichstag
Das Ermächtigungsgesetz, im Wortlaut „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, wurde am 23. März 1933 mit einer (doppelten) Zweidrittelmehrheit im Reichstag verabschiedet. Die Abgeordneten der NSDAP und sieben weiterer Parteien stimmten mit ihren 444 Stimmen für das Gesetz. Seinerzeit gehörten dem Reichstag offiziell 647 Personen an. 26 Abgeordnete der SPD waren durch den von den Nazis kontrollieren Polizeiapparat verhaftet worden oder geflohen. Die 94 anwesenden SPD-Abgeordneten stimmten ungeachtet der massiven Drohungen als einzige Fraktion geschlossen gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. Auch die 81 Abgeordneten der KPD konnten nicht an der Abstimmung mitwirken, da ihre Mandate kurz nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 annulliert worden waren.
Das Gesetz trat einen Tag später in Kraft, eröffnete Hitler eine uneingeschränkte Fülle an politischer Macht, die in kurzer Zeit selbst mit seinem ihm folgenden Koalitionspartner kurzen Prozess machen würde. Damit war die zentrale Voraussetzung für den systematischen Übergang von der Demokratie in die nationalsozialistische Diktatur geschaffen.
Uneingeschränkte Rechte für die Regierung
Die neue Reichsregierung konnte nun – etwas, was es zuvor in der Zeit der Weimarer Republik nicht gegeben hatte – auf Basis des Ermächtigungsgesetzes nicht nur Verordnungen, sondern auch Gesetze erschaffen, verabschieden und umsetzen, sondern auch ungehindert von den übrigen Volksvertretern jedwede Verträge mit dem Ausland schließen. Die so beschlossenen Gesetze mussten nicht mehr mit der noch geltenden Verfassung konform sein. Das Gesetz war so gestrickt, dass weder ein Reichstagsausschuss noch der Reichsrat irgendeine Kontrolle ausüben konnten. So war es am Ende nicht einmal mehr möglich, dass Gesetz zu annullieren oder für ungültig erklären zu lassen.
Fazit und Fortgang
Hitler und sein Nazi-Regime nutzten seinerzeit zunächst die vom damaligen Recht ermöglichten Schritte, um genau den Apparat auszuschalten, dessen Gesetze und Regeln er sich bediente: die Demokratie. Die Institution Reichstag als legislative Instanz wurde durch das Ermächtigungsgesetz außer Kraft gesetzt, denn auf Basis des Gesetzes konnte die Reichsregierung unter Hitler selbst und alleinig Gesetze erarbeiten, beschließen und umsetzen. Gleiches galt für u. a. Verträge mit ausländischen Regierungen.
Man ist gewillt zu sagen, dass alles, „was danach kam“, einer erschreckenden, aber logischen Konsequenz folgte: das Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März bzw. 7. April 1933, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933, das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933, die Vorbereitung und Anzettelung des Zweiten Weltkriegs mit seinen Abermillionen Opfern, der Holocaust.
Hitlers grenzenlose Ermächtigung wurde nach knapp vier Jahren Geltungsdauer dreimal verlängert, 1937 und 1939 für weitere Jahre, 1943 dann ohne Befristung. Erst am 20. September 1945 wurde das Ermächtigungsgesetz durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht des Alliierten Kontrollrats formal aufgehoben.