Sachsen-Anhalt muss sich beim Thema Wolf insgesamt besser aufstellen und Tierhalter vor allem ausreichend unterstützen, erklärte Annette Leipelt, Geschäftsführerin vom Naturschutzbund Sachsen-Anhalt (NABU). Neben der Förderung von Präventionsmaßahmen müsse auch die Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Beteiligten dringend verbessert werden. Welche konkreten Vorschläge der NABU hat, erzählte Leipelt am 31. Januar 2017 im Interview mit der Onlineredaktion des Landtags.
Landtag: Sie sind – wie anzunehmen ist – sicher nicht dafür, dass der Wolf ins Jagdgesetz aufgenommen wird, oder?
Annette Leipelt: Nein, natürlich nicht, das versteht sich von selbst. Der Wolf steht auf europäischer Ebene unter besonderem Schutz (Art nach Anhang IV der FFH-Richtlinie) und das Land hat hier Berichtspflichten gegenüber der EU zu erfüllen. Der Wolf gehört auch nicht dem NABU oder dem Landesjagdverband (LJV) als anerkannte Naturschutzverbände, sondern das Land ist hier in der Verantwortung und wir alle sollten uns gemeinsam dieser Verantwortung für den Wolf stellen.
In einer Vereinbarung von 2014 hat der LJV mit dem Umweltministerium eine Vereinbarung unterzeichnet mit der Maßgabe der Mitwirkung im landesweiten Monitoring und wollte sich sogar darüber hinaus für die Akzeptanz des Wolfs einsetzen. Mittlerweile argumentieren einige LJV-Vertreter in den Kreisjägerschaften oft leider gegenteilig. Stellt sich die Frage, warum hier Stimmung gegen den Wolf gemacht wird, obwohl die Vereinbarung anderes vorsieht.
Wie funktioniert denn das Wolf-Monitoring derzeit in Sachsen-Anhalt?
Das Wolf-Monitoring läuft unter Federführung des Umweltministeriums über das Landesamt für Umweltschutz, wo die Daten zu Wolfssichtungen alle zusammengefasst werden und der Monitoringbericht erstellt wird. Das Wolfs-Monitoring erfolgte 2013 und 2014 professionell über Förderung von zwei separaten Stellen. Ab 2015 (also noch unter der damaligen Landesregierung) wurden leider nicht mehr ausreichend Finanzmittel bereitgestellt, dabei waren wir auf einem guten Weg.
Auch eine Stelle zur Präventionsberatung fiel Mitte 2015 weg, obwohl ein WWF-Projekt sehr gut angelaufen war. Es ist aber sehr wichtig, eine sichere Datenlage zu haben, um rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Daher sollten für ein landesweites professionelles Monitoring und eine Beratung bezüglich Präventionsmaßnahmen zukünftig ausreichend Finanzmittel im Haushalt zur Verfügung stehen.
Stichwort Präventionsmaßnahmen – ist es allein mit finanzieller Förderung getan?
Die Tierhalter müssen wesentlich stärker im Rahmen von Präventionsmaßnahmen durch das Land unterstützt werden. Daher sprechen wir uns dafür aus, dass in jedem Landkreis ein Ansprechpartner als „Wolfsbeauftragter“ ernannt werden sollte, so wie es im Jerichower Land schon praktiziert wird, um die unmittelbare Nähe zu Tierhaltern herzustellen. Das muss nicht gleich eine zusätzliche Stelle sein, aber jemand, der sich der Sorgen der Tierhalter annimmt. Das sollte nicht nur auf Entschädigung begrenzt sein, sondern wieder Vertrauen schaffen durch kurze Wege.
Wie schätzen Sie die bisherigen Präventions- und Entschädigungsmaßnahmen des Landes ein?
Der Schaden beim Verlust von Tieren, oft auch von Zuchttieren, geht häufig weit über die Entschädigungssummen hinaus. Die Herden zu erhalten und zu sichern, ist mit hohem Arbeitsaufwand verbunden, ebenso der erhöhte Aufwand beim Einsatz von Herdenschutzhunden (Futter, Versicherung etc.), auch wenn das Land jetzt angekündigt hat, die Anschaffung von Herdenschutzhunden zu fördern. Wir vom NABU möchten, dass Tierhalter weiterhin wertvolle Leistungen im Rahmen der Landschaftspflege – u. a. auch in Schutzgebieten – erbringen und davon auch leben können. Tierhalter sollten hier nicht die Hauptlasten zu tragen haben.
Grundsätzlich muss das Land schneller reagieren, gerade wenn sich Probleme abzeichnen, der Verantwortung umfänglich und nicht nur punktuell gerecht werden, das heißt, bei geänderten Situationen zügig versuchen, Abhilfe zu schaffen. Die betroffenen Tierhalter sind umfassender zu unterstützen und sollten auch in Diskussionsprozesse kontinuierlich aktiv eingebunden werden, um gemeinsam mit Ihnen vernünftige Lösungen zu entwickeln.
Was bedeutet das konkret? Welche Vorschläge haben Sie?
Zum einen sollte das Antragsprozedere bei Präventionsmaßnahmen erleichtert und die Anschaffung und der Einsatz von Herdenschutzhunden gefördert werden, so wie in anderen Bundesländern auch. Das hat das Land jetzt signalisiert, in Angriff zu nehmen. Zum anderen sollte bei Zaunanschaffungen keine Obergrenze bei der Förderung auferlegt werden, sondern wie in Niedersachsen, die Summen für Präventionsmaßnahmen höher eingeplant werden.
Das Land könnte gegebenenfalls auch Zäune im Rahmen von Dauerleihgaben bereitstellen, das kann man prüfen. Der Aufwand für Tierhalter im Rahmen des Herdenschutzes ist schon erheblich, um die Schafe wolfssicher einzupferchen; dazu gehören Zaunaufbau, Kontrolle, Sicherung - all das berücksichtigt keine Förderung. Auch ist die Arbeit mit Herdenschutzhunden nicht für jeden Tierhalter in der Praxis realisierbar, man muß schließlich auch mit diesen Hunden umgehen können.
Immer wieder gibt es auch Klagen, dass nach einem Zwischenfall mit einem Wolf einfach alles viel zu lange dauert und zu bürokratisch ist, bis dem Schäfer geholfen wird. Wie schätzen Sie das ein?
Ja, leider ist das auch unser Eindruck. Die Rissbegutachtung erfordert kurze und schnelle Wege und sollte am besten dezentral über die Landkreise oder ÄLFF erfolgen. Wichtig ist in der Tat, dass es nach einem Zwischenfall schnell geht, auch was die Auswertung angeht. Wir sprechen uns daher für einen genetischen Schnelltest aus. Es kann nicht sein, dass Tierhalter wochenlang warten müssen, um zu erfahren, ob sie nun überhaupt entschädigt werden, nur weil man die Auswertung von Proben mehrerer Vorfälle bislang zusammenfasst, um Kosten zu sparen. Das alles ist derzeit unbefriedigend.
Auch könnten unserer Ansicht nach, die ÄLFF die Entschädigungszahlungen übernehmen, weil sie eine größere Nähe zu den Tierhaltern haben als das Landesverwaltungsamt in Halle und auch Anträge bezüglich der Präventionsmaßnahmen fördern. So wäre alles in einer Hand und nicht auf weitere Ämter und Stellen verteilt. Das waren schon 2016 unsere Forderungen, hier effektivere Strukturen zu schaffen.
Wie könnte aus ihrer Sicht langfristig ein gutes Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf gelingen?
Die Zusammenarbeit mit Beteiligten muss dringend verbessert werden, Tierhalter müssen endlich ausreichend Unterstützung erfahren. Die Medien fordern wir auf, hier einen sachlichen Umgang mit dem Thema Wolf zu praktizieren. Nur so wird man es schaffen, langfristig für Akzeptanz zu sorgen.