Unter dem Titel „Aktuelle Proteste ernst nehmen – Bundespolitik endlich neu justieren“ hatte die CDU‐Fraktion eine Aktuelle Debatte beantragt. Es sei „eine vollständige Neujustierung der Bundespolitik notwendig, um die ausufernden Fehltritte in der Wirtschaft und Landwirtschaft wieder in Ordnung zu bringen“, konstatierte die CDU‐Fraktion.
Die Proteste der Landwirtschaft zeigten, dass ein großer Unmut über die aktuelle Situation herrsche, stellte auch die Fraktion Die Linke fest. Das Vertrauen in die Politik müsse im Dialog wiederaufgebaut werden. Dazu sollte nach Ansicht der Linken schnellstmöglich ein Agrargipfel einberufen werden. In ihrem Antrag forderten sie zudem die Einführung einer Tierwohlförderung nach Thüringer Modell und einen Entschädigungsfonds für die Landwirtschaft in Sachsen‐Anhalt.
„Problem des Wettbewerbs“
Die Proteste der Bauern, Handwerker und Gastronomen seien nicht neu, aber bedeutend lauter geworden, sagte Guido Heuer (CDU). Man stehe an deren Seite. Die Demonstrationen seien nicht von Rechtextremen unterwandert, sondern ein Protest gegen die praxisferne Landwirtschaftspolitik der Ampelregierung in Berlin. Heuer forderte die Rücknahme der Subventionskürzungen. „Wir haben ein Problem des Wettbewerbs“, darunter EU-Richtlinien und die steigenden Weltmarktpreise, in dieser Situation dürfe man keine Agrarsubventionen kürzen. Unter diesen Bedingungen könnten die Bauern ihre Höfe nicht weiterentwickeln. Hier müsse der Bund in die Pflicht genommen werden. Heuer warf der Regierung in Berlin „Arroganz und Eitelkeit“ vor. Statt Krisen zu lösen würden die Krisen noch verstärkt.
Agrargipfel für Landwirtschaftszukunft
Die angekündigten Subventionskürzungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer hätten das Fass bei den Bauern verständlicherweise zum Überlaufen gebracht, ohne abzuwägen, welche Folgen das habe, erklärte Kerstin Eisenreich (Die Linke). Andere klimaschädliche Subventionen oder die höhere Besteuerung von Reichen seien derweil nicht angefasst worden. Die Linken sähen sich auf der Seite der Bäuerinnen und Bauern, so Eisenreich, auch wenn die Teilnehmenden-Klientel mitunter diskussionswürdig sei. Die Landwirtinnen und Landwirte zweifelten mittlerweile daran, ob ihre Arbeit, Leistung und Beiträge zur Ernährungssicherheit überhaupt noch wichtig seien. Die Linke forderte per Antrag einen Agrargipfel auf Landesebene, um die Bedingungen für eine erfolgreiche Landwirtschaft (zum Beispiel auch das Tierwohl betreffend) zu erarbeiten. Zudem solle schnellstmöglich ein Entschädigungsfonds für die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt eingerichtet werden.
„Ausgleiche für Benachteiligungen“
Es seien nicht nur die Bauern, die gegen die Bundespolitik protestierten, sondern auch die Spediteure, das Handwerk, der wirtschaftliche Mittelstand, erklärte Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU). Man sollte bei den Bauern nicht von klimaschädlichen Subventionen sprechen, sondern diese seien „Ausgleiche für Benachteiligungen“, um Lebensmittel produzieren zu können. Die Bauern hätten nämlich keine technische Möglichkeit, um auf dieselfreie Alternativen auszuweichen. Die Proteste in Sachsen-Anhalt seien bisher friedlich verlaufen. Die Bauern bräuchten unter anderem Planungs- und Finanzierungssicherheit bei der Nutztierhaltung. Die Einsparpotenziale in den Betrieben seien erschöpft.
Derzeitige Probleme mit langer Geschichte
Natürlich müssten die aktuellen Proteste der Landwirte und Spediteure und Handwerker ernst genommen werden, bestätigte Dr. Katja Pähle (SPD) eine Forderung der CDU. Protest sei aber nicht nur dann legitim, wenn er einem in den Kram passe – verschiedene Interessen müssten in den Entscheidungen der Politik berücksichtigt werden. Die Rücknahme der Agrardieselsubventionen habe laut CDU-Fraktion das Fass der Probleme in der Landwirtschaft zum Überlaufen gebracht. Ein Fass, dass die CDU/CSU mit insgesamt 52 Jahren im Landwirtschaftsministerium des Bundes selbst gefüllt habe, so Pähle. Die derzeitigen Probleme in der Landwirtschaft könnten wohl sicherlich nicht auf zweieinhalb Jahre Ampelregierung zurückgeführt werden. Stattdessen führten der Klimawandel und das Artensterben, ein verändertes Verbraucherbewusstsein bei Tierwohl und Ernährung, die Marktmacht bei wenigen Konzernen und zahlreiche andere strukturelle Probleme zur aktuellen Situation in der Landwirtschaft. Die Bundesregierung habe die geplanten Einschnitte in die Landwirtschaft substanziell reduziert, betonte Pähle. Protest sei notwendig und legitim. Nur könnten nicht alle Forderungen erfüllt werden, nur weil man laut genug hupe.
„Machen Sie, was die Bauern wollen“
Die demonstrierenden Landwirte hätten Zukunftsangst, sagte Matthias Büttner (Staßfurt, AfD). „Machen Sie doch einfach das, was die Bauern fordern.“ Dann wäre man der Lösung der Probleme schon einen Schritt nähergekommen, mutmaßte Büttner. Die CDU-Politiker seien die Experten darin, den Menschen vorzugaukeln, dass sie für politische Entscheidungen nicht verantwortlich seien, dabei seien sie über Jahrzehnte hinweg im Landwirtschaftsministerium verantwortlich gewesen. Der Fachkräftemangel sei trotz höherer Einwanderung schon unter der Regierung Merkel bis jetzt nicht gebannt worden.
Wirtschaftliche Stabilität ist vorhanden
Der AfD-Abgeordnete Büttner haben mal wieder seinen „Gemischtwarenladen aus Angst“ geöffnet – diese Plattitüden seien unredlich und unsozial, meinte Andreas Silbersack (FDP). Das ist nicht das, was wir im Landtag brauchen. Die in Berlin regierende Ampelkoalition habe einen strukturellen Reformbedarf nach sechzehn Jahren CDU-Kanzlerschaft in Deutschland geerbt. Sehr geholfen wäre den Bauern, wenn endlich die Bürokratie zurückgeschraubt würde. Man müsse gemeinsam nach Lösungen suchen. Sicherlich hat die Ampel in Berlin nicht alles richtig gemacht, aber beim Beschluss des Koalitionsvertrags habe noch eine ganze andere politische Situation (kein Krieg in der Ukraine) geherrscht. Wir haben als Politik die Aufgabe, die Menschen bei Entscheidungen mitzunehmen, aber wir müssen den Menschen auch sagen, dass wir wirtschaftlich nicht wie vor hundert Jahren dastehen, sondern sehr viel stabiler.
„Land nicht ständig schlechtreden“
„Ein Koalitionsvertrag ist immer auch ein Kompromiss“, sagte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). „Wir haben im Bund eine Koalition, die in sehr schwieriger Konstellation zusammengekommen ist und die Ziele des Koalitionsvertrags Stück für Stück abarbeitet.“ Niemand habe 2021 ahnen können, dass Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschieren würde; dies habe zu Krieg in Europa, zu unterbrochenen Lieferketten, zu gestiegenen Energiekosten und zur Umstrukturierung des Bundeshaushalts geführt. Die CDU müsse aufhören, das Land ständig schlechtzureden, es sei fahrlässig, was Friedrich Merz auf Bundesebene treibe. Statt die Politik für bessere Bedingungen in der Landwirtschaft zu unterstützen, schieße die CDU im Bund lieber quer.
Am Ende der Aktuelle Debatte wurden keine Beschlüsse zur Sache gefasst. Der Antrag der Fraktion Die Linke wurde in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen.