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Plenarsitzung

Lockerungen kommen langsam in Sichtweite

Die Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brachten zur Sondersitzung einen Antrag ein, durch den „Wege aus der Corona-Krise“ diskutiert werden sollen. Die Landesregierung war aufgefordert, über den Entwurf des sogenannten Sachsen-Anhalt-Plans 2021 zu informieren und über die ersten Ergebnisse der Anhörung zum Plan zu berichten.

Parallel wurde ein Antrag der Fraktion DIE LINKE beraten, die die Einberufung eines Pandemierats fordert. Der Rat soll dem Landtag Empfehlungen zur Bestimmung von Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens vorlegen. Dem Pandemierat sollen die Landtagspräsidentin und die Fraktionsvorsitzenden, der Ministerpräsident und verschiedene Ministerinnen und Minister der Landesregierung sowie jeweils Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Soziales, Gewerkschaften, Kommunen und Medizin angehören. Die Landesregierung soll künftig vor dem Beschluss weiterer Corona-Maßnahmen im Landtag eine Beratung und Beschlussfassung herbeizuführen.

Neue Eindämmungsverordnung am 8. März

Der Sachsen-Anhalt-Plan sei bereits im Jahr 2020 verfolgt worden, bis zum Sommer habe er zu einer vergleichsweise guten Corona-Situation im Land geführt, rekapitulierte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). Im Herbst 2020 seien allerdings weltweit die Infektionszahlen in die Höhe geschnellt, was auch in Sachsen-Anhalt zu spüren gewesen sei. Nun werde die Eindämmung der Pandemie auch durch Impfungen vorangetrieben. Die Betroffenheit in der Bevölkerung durch die Corona-Maßnahmen falle teils sehr unterschiedlich aus, sagte Haseloff. „Die Puste geht langsam aus“, erkannte er, vor allem, wenn vorgenommene Schritte nicht nachvollzogen werden könnten. Aber es gebe keine Ideallösung, man müsse vor dem Hintergrund des Bundesinfektionsschutzgesetzes den Spagat hinbekommen, die wohlbegründeten Einschränkungen so zu gestalten, dass einzelne Gruppen nicht übermäßig stark belastet würden, so Haseloff.

Einen besonderen Schwerpunkt bei der „Öffnungsstrategie“ sei der Bildungsbereich. Hier wolle man – beispielsweise durch breitangelegte Testungen – so schnell wie möglich wieder in einen Normalmodus kommen. Dass man alle Öffnungen von einer dauerhaften 35er-Inzidenz abhängig macht, sei vor dem Hintergrund der nicht einzuschätzenden zeitlichen Auswirkungen durch die Virus-Mutanten der Bevölkerung nicht vermittelbar gewesen, so Haseloff.

Bund und Länder hätten sich auf fünf Öffnungsschritte für die nächsten Wochen verständigt. „Die Öffnungsschritte 1 und 2 sind faktisch in Sachsen-Anhalt schon realisiert“, betonte Haseloff. Er kündigte eine 10. Eindämmungsverordnung für den 8. März 2021 an, in der weitere Maßnahmen und Öffnungsschritte dargelegt würden. Es gehe auch darum, „das Land zusammenzuhalten“, man mache einen gemeinsamen Maßnahmen-Start, aber diese könnten später durchaus je nach Fallzahlen in den Landkreisen differenzieren. Auch dafür müsse um Akzeptanz geworben werden. Haseloff warb eindringlich für die Inanspruchnahme einer angebotenen Impfung gegen das Corona-Virus.

Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) ergänzte: „Das Land hat bereits eine Million Schnelltests zum Einsatz in den öffentlichen Schulen gekauft und verteilt.“ Eine weitere Million Tests würde besorgt. Auch Tests speziell für Kinder unter 16 Jahren würden schnellstmöglich gekauft.

„Impfstrategie dringend überarbeiten“

Die Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen sinke im Land, konstatierte Eva von Angern (DIE LINKE). Aus der „Stunde der Exekutive“ sei mittlerweile ein Jahr geworden, die Exekutive [Landesregierung] treffe allein weitreichende Entscheidungen für den Alltag der Menschen, kritisierte von Angern. Sie forderte den Ministerpräsidenten auf, die Abgeordneten des Landtags aus der Zuschauerrolle herauszuholen und zu gleichberechtigten Entscheidern zu machen: „Uns reicht das Informiertwerden nicht!“ Die Einsetzung eines Pandemierats tue not. Er solle beim Dreiklang aus Impfen, Testen und Öffnen mit Augenmaß unterstützend wirken.

Die Wirtschaft im Land werde im Stich gelassen, finanzielle Hilfen würden noch immer nur schleppend ausgereicht, monierte von Angern. Auch die schlechte Impfquote führe zu Verdruss. Schnelltests in den Schulen, am Arbeitsplatz u. ä. müssten schnell zur Regel werden. „Die Impfstrategie des Landes muss dringend überarbeitet werden“, Arztpraxen und Kliniken müssten eingebunden werden, auch ein stufenweises Anschreiben aller impfberechtigten Personen sei angeraten.

Sachsen-Anhalt-Plan noch nicht beschlossen

Dr. Katja Pähle (SPD) erklärte, die Sitzung zeige, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Parlament erörtert werden und so für Transparenz gesorgt werde. Der Sachsen-Anhalt-Plan werde noch immer beraten und sei noch nicht beschlossen, betonte Pähle. Das Wichtigste sei momentan: „Das wir beieinander bleiben!“ Viele Menschen seien einfach genervt, weil sie auf so vieles verzichten müssten, das könne sie gut verstehen. Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass 80 Prozent der Wirtschaft trotz der Pandemie weiter funktionierten.

Mit der Bund-Länder-Vereinbarung hätten sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vermutlich keinen Gefallen getan. Der dort skizzierte komplizierte Öffnungsweg mit so vielen unterschiedlichen Inzidenzen, enthalte keine klare Botschaft für die Bevölkerung und mache viel Übersetzungsleistung nötig. Dennoch würden die Beschlüsse „Anlass zur Hoffnung“ geben, so die SPD-Abgeordnete. Langfristig dürfe nicht der Inzidenzwert allein der Weg zu mehr Freiheit sein. Dies könne nur gelingen, wenn unser aller Gesundheit besser geschützt werde, vor allem durch Impfen und Testen. Außerdem müssten Tests umfangreich sequenziert werden, um neuartige Mutationen schnell festzustellen. Pähle sagte abschließend: „Wir wollen neue Freiheiten erreichen und das schaffen wir nicht mit neuer Sorglosigkeit.“ 

AfD plädiert für sofortiges Lockdown-Ende

Oliver Kirchner (AfD) erklärte, er werde sich nicht bei Ministerpräsident Haseloff für die Lockerungen von Unfreiheiten bedanken. Die Welt werde von den Füßen auf den Kopf gestellt und die Ausnahmesituation werde zu einem Normalzustand erklärt. Viele Unternehmen würden sich nicht mehr erholen, Menschen hätten Angst um ihre Arbeit und vor der Zukunft. Haseloff gehe es um den Machterhalt und die Spaltung der Gesellschaft, meinte Kirchner. Mit seinen Maßnahmen sei der Ministerpräsident „auf den totalitären Geschmack gekommen“ und das lehne seine Fraktion entschieden ab. Die AfD-Fraktion plädiert für einen effektiven Schutz der Risikogruppen und einen Impfstoff für alle Impfwilligen. Ministerpräsident Haseloff solle sowohl den Lockdown als auch die „Verordnungsdemokratie“ beenden.  

Die Zeitung „Die Welt“ hätte den Sachsen-Anhalt-Plan ein „verstörendes Dokument der Zeitgeschichte“ genannt, erklärte Robert Farle (AfD). Er kritisierte erneut, dass alle Schritte und Öffnungspläne an falsche Inzidenzzahlen gekoppelt seien. Der Ministerpräsident nehme sich heraus, ständig Verfassungsbruch zu betreiben. Auch die neue Teststrategie sei völlig abwegig, so der AfD-Abgeordnete. Angenommen in Deutschland gebe es keinen einzigen Menschen, der mit Corona infiziert sei, hätte man allein durch falsch positiv Getestete eine beachtliche Inzidenzzahl, beschrieb Farle. Mit jeder neuen Corona-Verordnung werde zudem deutlich, dass es nur darum gehe den Lockdown irgendwie zu verlängern. Farle ist überzeugt: „Die Inzidenzzahlen werden für eine dauerhaft Corona-Diktatur missbraucht!“ Die Opposition solle zurückgedrängt  und die politischen Gegner mundtot gemacht werden.

Das Land pandemiefest machen

„Es nervt uns alle, was wir jetzt seit einem Jahr erleben müssen“, konstatierte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), sie habe Verständnis für den Verdruss der Menschen, „aber genau deshalb ringen wir Woche um Woche um die Maßnahmen, durch die wir schnellstmöglich aus dem Lockdown kommen“. Sie warb fürs Impfen, Testen und Nachverfolgen, um die Rücknahme von Einschränkungen vernünftig vornehmen zu können. Die Impfstrategie müsse daher angepasst werden. Nur die Selbsttests würden dazu beitragen, dass wirklich flächendeckend getestet werden könne. Die Bestellung der Tests gehe allerdings bundesweit zu langsam, kritisierte Lüddemann.

Das ganze Land müsse für die Zukunft pandemiefest gemacht werden. Dazu beitragen könnten kommunale Testzentren und privat finanzierte Selbsttests. Auch die Grünen sprechen sich für die Einbindung des Parlaments bei den Beschlüssen von Corona-Maßnahmen aus. Die Vorstellungen hinsichtlich eines Pandemierats wichen aber von denen der Linken ab. Lüddemann warb für die Überweisung des Antrags der Linken.

Kahlschlag in der Wirtschaft

Die Pandemiestrategie der Landesregierung führe zum Kahlschlag im sozialen und wirtschaftlichen Bereich, man hätte hier mit viel gezielteren Maßnahmen einsteigen müssen, sagte André Poggenburg (fraktionslos). Die Maßnahmen dienten nicht dem Schutz der Menschen, sondern der Machtsicherung im Wahljahr, mutmaßte der Abgeordnete. „Multikulti im jeden Preis“ schlage sich auch in der Corona-Pandemie nieder.

Dauerlockdown ist keine Option für CDU

Siegfried Borgwardt (CDU) erklärte, die bisherigen Maßnahmen seien nötig und richtig gewesen, dennoch werde die Corona-Pandemie noch länger andauern. Es sei wichtig, dass Sachsen-Anhalt eine klare Strategie zur Normalisierung in den nächsten Monaten entwickle. Erstmals gebe es jetzt eine Perspektive für die Kultur und Gastronomiebranche, so Borgwardt. Ein Dauerlockdown sei für seine Fraktion keine Option. Er sprach sich gegen starre Inzidenzwerte aus.

„Mit dem Sachsen-Anhalt-Plan sind wir vielen Bundesländern einen Schritt voraus gewesen“, freute sich Borgwardt. Positiv sei, dass es nun auch eine Öffnungsperspektive für die Inzidenzzahlen zwischen 50 und 70 gebe und damit der Inzidenzwert von 35 vom Tisch sei. Neben den bekannten Öffnungen der nächsten Woche, fordert die CDU-Fraktion klare Öffnungsperspektiven für die Tourismus-, Hotel- und Gastrobranche. Man müsse insgesamt zu mehr flexiblen regionalen Regelungen kommen.

Impfzeiten von 9 bis 16 Uhr – wie in manchen Landkreisen die Regel – dürften nicht mehr zur Tagesordnung gehören, so Borgwardt. Die Impfkampagne müsse unbedingt stärker Fahrt aufnehmen, allerdings sollte die Impfung weiter freiwillig bleiben. Langfristig könne man nur Erfolg mit einem Mix an Maßnahmen (Impfen, Testen, AHA-Regeln) haben.

Ergebnisse der Debatte

Am Ende der Debatte wurde der Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde in den Ältestenrat (federführend) und in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (mitberatend) überwiesen.