Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte eine Aktuelle Debatte beantragt, in der sie das Thema „Aus der Corona-Krise lernen: Das Virus bekämpfen. Chancen ergreifen. Regional denken und ökologisch umsteuern“ mit den anderen Fraktionen und der Landesregierung diskutierte.
Konkretes politisches Handeln ist gefragt
Die Corona-Krise betreffe alle Lebensbereiche, sie stelle eine Zäsur dar und stelle Sachsen-Anhalt vor nie da gewesene Herausforderungen, konstatierte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Von Woche zu Woche müsse gelernt werden, um den bestmöglichen Gesundheitsschutz zu gewährleisten, dabei aber die „Nebenwirkungen“ im Blick zu behalten. Die Wahrung der Grundrechte stehe der Risikoabwägung gegenüber, aber man habe dies bisher gut geregelt, so Lüddemann. Es gelte, Schlussfolgerungen aus der Krise zu ziehen und diese in konkretes politisches Handeln zu überführen. Lüddemann lobte das Wirken der Beschäftigten in den sozialen Berufen während der Corona-Zeit. Es bedürfe nicht nur eines Auto-Gipfels mit der Kanzlerin, sondern auch eines Pflege-Gipfels.
Der Menschheit sei der Spiegel vorgehalten werden, denn die Corona-Krise und die Klimakrise hätten denselben Auslöser, den Menschen. Umwelt- und Klimaschutz seien wichtiger denn je. Der internationale Markt habe in der Krisenzeit seine Grenzen aufgezeigt, es sei nötig, regionaler, sozialer, ökologischer und digitaler zu denken und zu handeln. Wenn Deutschland auf dem Automobilmarkt zukunftsfähig bleiben wolle, dürfe kein Geld mehr für Verbrennungsmotoren, sondern nur noch in Zukunftstechnologie investiert werden.
Schritt für Schritt in Richtung Normalität
„Wir haben in Deutschland angemessen auf die Corona-Pandemie reagiert“, sagte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Dennoch werde es sicher am Ende der Krise Menschen geben, die behaupten, es besser gewusst zu haben. Haseloff versicherte, es werde immer abgewogen zwischen Gesundheitsschutz, individueller Freiheit und der Wahrung der Grundrechte. Dass die Krise bisher gut gemeistert worden sei, liege vor allem an den Bürger/-innen, dafür dankte er ausdrücklich.
Sollte sich das Infektionsgeschehen weiter positiv entwickeln, werde es weitere Erleichterungen geben, so der Ministerpräsident. Allerdings würde es bei erneuter Zunahme der Corona-Infektionen auch wieder stärkere regionale Restriktionen geben. Schritt für Schritt werde man auf diese Weise der Normalität näher kommen. Dagegen werde es große Veranstaltungen (Konzerte und Sportveranstaltungen) bis 31. August bundesweit nicht geben. Haseloff mahnte abschließend: „Das Virus ist noch lange nicht besiegt.“ Solange wir keinen Impfstoff hätten, sei die einzige Möglichkeit, Infektionsketten zu unterbrechen, Abstand zu halten.
Regionale Wirtschaft stärken
OIiver Kirchner (AfD) kritisierte, dass der Ministerpräsident eigentlich eine Regierungserklärung gehalten habe, die nichts mit Thema der Aktuellen Debatte zu tun habe. Es sei allerdings auch nicht klar, was das Ziel der Aktuellen Debatte gewesen sei. Zwar sei es richtig, dass die Corona-Pandemie für einen Rückgang der CO2-Emmisson um etwa acht Prozent geführt habe, allerdings für einen sehr hohen Preis, bei fast vollständigem wirtschaftlichem Stillstand. Kirchner kritisierte die Grünen, da sie Klimapläne unterstützen, die eine noch viel größere Reduktion forderten. Dies zeige, wie sehr diese Klimaschutzforderungen an der Realität vorbeigehen würden.
Der AfD-Abgeordnete plädierte für eine Stärkung der heimischen Wirtschaft, so sei es beispielsweise ein „patriotischer Akt“, regionale Lebensmittel zu kaufen, anstatt ein paar Cent mit Gemüse und Obst aus anderen Ländern zu sparen. Mit den „pseudo-ökologischen Standpunkten“ der Grünen werde es keine Energiewende geben. Er deutete an, dass dies nur mit der AfD gelingen werde, denn „Umweltschutz ist auch Heimatschutz. Das neue Grün ist jetzt Blau“.
Stufenweise Herstellung der Normalität
Siegfried Borgwardt (CDU) begrüßte die am 2. Mai im Kabinett beschlossenen Lockerungen in der Corona-Krise. Zwar seien die Verordnungen teilweise ein Eingriff in unsere Grundrechte gewesen, jedoch nötig, um Menschenleben zu schützen. Um die künftigen Folgen der Krise zu minimieren, sei die stufenweise Herstellung der Normalität richtig. Sachsen-Anhalt könne einen eigenen Weg gehen, da es bei den Infektionszahlen im bundesweiten Vergleich gut dastehe.
Borgwardt zeigte sich zuversichtlich, dass die Gaststätten und Hotels am 18. Mai wieder geöffnet werden könnten, gleiches gelte für die Tourismus-Branche, in der es große Zukunftsängste gebe. Seine Fraktion setze sich zudem für ein Soforthilfeprogramm für Unternehmen mit über 50 Beschäftigen ein, da es für sie bislang noch kein Nothilfeprogramm gebe. Die Pandemie habe gezeigt, dass Menschen füreinander einstünden und unser Parlament schnell Entscheidungen treffen könne. Jetzt müsse es darum gehen, „Sachsen-Anhalt wieder zum Laufen zu bringen“.
Sozial-ökologischer Umbau muss gelingen
„Wie wollen wir zukünftig wirtschaften?“ Dies sei die entscheidende Frage, erklärte Hendrik Lange (DIE LINKE). Soll es weitergehen mit Raubbau, ausgerichtet auf kurzfristige Profite oder gelingt der sozial-ökologische Umbau der Gesellschaft? Seiner Ansicht nach dürfe es kein bedingungsloses Verteilen von Steuergeldern an alle Unternehmen geben. Dänemark habe beispielsweise in der Krise entschieden, dass es keine staatliche Hilfe für Unternehmen geben werde, die Boni auszahlen. Trotzdem sei dort nicht der Sozialismus ausgerufen worden, so der Linken-Abgeordnete.
Wenn sich die Autoindustrie nicht endlich neuen Ideen öffne, dann könne ihr langfristig auch kein Staatsgeld mehr helfen. Die sozialste Form der Mobilität sei der ÖPNV, der auch Arbeitsplätze schaffe. Natürlich gehe es kurzfristig darum, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Langfristig müsse darauf geachtet werden, dass der sozial-ökologische Umbau gelinge, damit sich die soziale Schere schließe und die Umwelt gerettet werden könne.
In Krise geht es um Grundsätzliches
Zur Bewältigung einer Krise sei das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik besonders wichtig und genau dort gebe es ein Problem, stellte André Poggenburg (fraktionslos) fest. Dass die Grundrechte aufgrund von zweifelhafter Zahlenbasis so leicht eingeschränkt werden konnten, sei vermutlich ein Novum in der gesamten Nachkriegsgeschichte. Lernen können man aus der Krise unter anderem, dass Grenzen ein probates Mittel sein können, um Gefahren abzuwehren, Globalisierung nicht das Allheilmittel sei und Parteien, die vor allem auf ideologische Themen setzten, gewaltig „abschmierten“. Denn während der Krise gehe es um das Grundsätzliche und „Wohlstandsthemen“ („Me-Too- Kampagnen“ oder „Klima-Gretel“) gerieten in den Hintergrund.
Kommunen könnte Krise schwer belasten
Dr. Katja Pähle (SPD) betonte, dass die Corona-Pandemie eine enorme Herausforderung für unsere Gesellschaft und Wirtschaft sei, blickte jedoch zuversichtlich in die Zukunft. Momentan gehe es um die Frage, welches die richtigen Weichenstellungen auf dem Weg aus der Krise seien. Dabei nehme der Staat derzeit eine starke Stellung ein, bei allen Lockerungsdebatten könne man live mitverfolgen, wie die Politiker das Für und Wider bestimmter Weichenstellungen abwägen. „Die Krise macht Politik unter dem Brennglas sichtbar“, so die SPD-Abgeordnete.
Pähle erläuterte weiter „Der Staat muss nicht nur in der Krise, sondern auch beim Weg aus der Krise eine entscheidende, wenn nicht die entscheidende Rolle spielen. Für den Weg aus der Krise ist politische Gestaltungsmacht gefragt." Dies gelte insbesondere für das Gesundheitswesen, den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt sowie die finanzielle Unterstützung der Kommunen. Die Lage in den Kommunen könne prekär werden, durch fehlende Steuereinnahmen auf der einen und wachsende Verpflichtungen auf der anderen Seite. Gleichzeitig gab sie den Grünen recht, dass die Krise eine Chance sei, Arbeits- und Wirtschaftsmarkt zukünftig „gerechter und wirtschaftlich-nachhaltiger“ zu gestalten.
Am Ende der Aktuellen Debatte wurden naturgemäß keine Beschlüsse gefasst.