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Plenarsitzung

Viel erreicht, und doch eine Branche in Not

19. Nov. 2020

Staats- und Kulturminister Rainer Robra hat im regulären Novemberplenum des Landtags von Sachsen-Anhalt eine Regierungserklärung zum Thema „S.O.S. – Kultur; Kulturland Sachsen-Anhalt, nachhaltig und zukunftsfähig, trotz Corona“ gehalten. Im Anschluss hatten die Vertreter*innen der Fraktionen die Gelegenheit, zum Gesagten Stellung zu beziehen und eigene Aspekte in die Debatte einzubringen.

„Die Entbehrungen sind hoch“

Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU) legte ein „deutliches Bekenntnis zum hohen Stellenwert der Kultur im Land Sachsen-Anhalt“ ab, darin inbegriffen seien auch alle die Kunstschaffenden begleitenden Gewerke. Die Entbehrungen durch den Lockdown seien hoch, schließlich würde die Kultur im Jahr mehr Besucher*innen sammeln als der Sport. Doch die Entbehrungen dienten dazu, die Vermehrung des Corona-Virus zu bremsen. Hielte man sich an die Vorgaben, könnte man bald wieder auf den Sachsen-Anhalt-Weg zurückkehren und Zuschauer*innen und Kunstschaffende wieder zusammenbringen.

Die Kultur im Land sei sehr vielfältig, ihr auskömmliche und verlässliche Zuwendungen zukommen zu lassen, liege sehr in seinem Interesse, so Robra. Für den Kulturbereichen seien für das Jahr 2020 107 Millionen Euro vorgesehen gewesen, für das Jahr 2020 seien dies 116 Millionen Euro. Robra dankte allen Kunstschaffenden der kleinen und großen Häuser, aber auch den vielen selbstständigen Künstler*innen für ihr Engagement – auch während des Corona-Lockdowns. Für die freie Theaterszene würde mehr Geld zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus erinnerte Robra an die erfolgreichen Projekte im Kunst- und Kulturbereich des Landes. Es solle weiter gelingen, mit Kunst und Kultur nationale und internationale Aufmerksamkeit zu erregen und künstlerische Partnerschaften (unter anderem mit Frankreich und Israel) zu stärken. Die Kommunen seien unverzichtbare Partnerinnen für nahezu alle Projekte, nur mit deren Hilfe könne das Kulturgut im Land erhalten werden, bekannte Robra.

Der Süden Sachsen-Anhalts – schon jetzt eines der Zentren der Industriekultur des Landes – stehe vor einem großen Strukturwandel, hier werde es einer engen Verzahnung und Ausgestaltung kultureller Angebote bedürfen. Robra verwies zudem auf die Ausgestaltung des kulturellen Gedächtnisorts „Grünes Band“, die Förderung der Kinolandschaft und die lebendige Besinnung auf die jüdische Kultur in Sachsen-Anhalt.

Die Landesregierung habe seit Beginn der Corona-Pandemie die Belange und Bedürfnisse der Kulturschaffenden erkannt und verschiedene Hilfsprogramme gestartet, so Robra, der Bund ziehe nun nach. Bund und Länder wollten die Kultur am Netz behalten, sie sei schließlich das „Brot des Lebens“.

„Kulturschaffenden fehlt der gesunde Menschenverstand“

Das Mitgefühl für die Kulturschaffenden halte sich bei der AfD in Grenzen, erklärte Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD). Die „regierungshörigen Kulturschaffenden“ hätten die nach Ansicht der AfD übertriebenen Corona-Einschränkungen nicht in Frage gestellt. Offensichtlich fehle „den Kulturschaffenden der gesunde Menschenverstand“, so Tillschneider. Wer die Maßnahmen hinnehme, solle mit dem Jammern aufhören.

Die Kunst- und Kulturschaffenden des Landes, „die ohne staatliche Hilfen auch vor Corona schon nicht überleben konnten“, versäumten es, sich kritisch mit der aktuellen Politik auseinanderzusetzen, so der AfD-Abgeordnete. Sie stützten stattdessen die „Machterweisung eines Regimes“ und hielten die Propagandamaschinerie des linken Establishments am Laufen. In den Theatern des Landes sei „kein einziges migrationskritisches Stück“ zu finden. Der Kulturbetrieb sei „so dermaßen gleichgeschaltet“, dass sich ein Vergleich mit der DDR aufzwinge, so Tillschneider. Alles jetzt staatlich Geförderte werde dem Vergessen anheimfallen, die staatlichen Corona-Hilfen – „Premium-Stütze“ – für „meist nur selbsternannte“ Kulturschaffende lehne die AfD rundweg ab. Die AfD möchte Kunst nur mit öffentlichen Mitteln fördern, wenn diese politisch neutral sei. Ein Bekenntnis zur „deutschen Nationalkultur“ sollte jedoch zwingend sein. Seinen Redebeitrag bezeichnete Tillschneider als „Kriegserklärung“ gegen die aktuelle Kulturszene im Land.

Zeit für Wertschätzung und Unterstützung

„Ich wünsche mir, dass die AfD im Land nie bestimmen darf, wie Kultur gefördert wird“, erklärte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Kunst dürfe nicht wohlfeil sein, der Staat dürfe nicht bestimmen, was in den Theatern gespielt werde, das garantiere die Kunstfreiheit. Kultusminister Robra habe zwar eine beeindruckende Bilanz der letzten vier Jahre gezogen, aber das Leben habe sich mit Corona stark verändert, seit Monaten müsse man auf Kunst und Kultur verzichten.

Die Kulturschaffenden hätten innovativ und kreativ auf die Krise reagiert, die Sorge um die Zukunft von Kunst und Kultur sei kein Jammern, wie die AfD glauben machen wolle. Es sei Zeit für Wertschätzung, und das Land müsse alles tun, um die Kulturszene im Land am Leben zu erhalten. Eine moderne Kulturpolitik fördere Veränderungen, sichere soziale Mindeststandards und sei für alle nachhaltig, betonte Kolb-Janssen.

Hilfe muss vom Land kommen

Die Kulturbranche sei mit am stärksten von den Auswirkungen der Pandemie und der Schutzmaßnahmen betroffen, erklärte Stefan Gebhardt (DIE LINKE). Insbesondere Soloselbstständige kämpften um ihre Existenz und ihre berufliche Zukunft. Für die Schließungen der Einrichtungen habe es durchaus Verständnis gegeben, „doch dann folgte eine unterlassene Hilfeleistung“. Die erste finanzielle Soforthilfe des Landes in Höhe von 400 Euro sei vielleicht gut gemeint, dann aber doch eher peinlich gewesen, so Gebhardt. Einige der Aussagen des Kultusministers seien Ohrfeigen für die Kunst- und Kulturszene im Land gewesen, denn sie hätten nicht der Lebensrealität dieser Branche entsprochen.

Obwohl die Kulturschaffenden im Sommer ihre Einrichtungen mit Hygienekonzepten und unter desaströsen finanziellen Bedingungen wiedereröffnet hätten, sei ihnen von Minister Robra dennoch mangelnde Kooperation und fehlende Eigeninitiative vorgeworfen worden. „Schämen Sie sich für diese Aussagen“, forderte Gebhardt vom Minister. Es könne nicht sein, dass alle wegen finanzieller Unterstützung auf den Bund warteten, Hilfe müsse im Kulturland Sachsen-Anhalt vom Land selbst kommen, so der Linken-Angeordnete abschließend.

Not der Branche wächst kontinuierlich

In der Tat habe die Kenia-Koalition im Kulturbereich vieles erreicht, bestätigte Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). „Doch all unsere Erfolge nutzen uns nichts, wenn jetzt Teile davon drohen zusammenzubrechen.“ Die Not der Branche wachse von Monat zu Monat. Die schnellen Hilfen gingen oft an der Lebensrealität der Kunstschaffenden fundamental vorbei. Es bedürfe jetzt eines Plans für einen Neustart, eines Landesprogramms, mit dem Einrichtungen und deren Programme unterstützt werden könnten.

Verständnis für die Maßnahmen

Für die Bewältigung der Corona-Krise gebe es keine Blaupause, vieles könne nur auf Sicht geregelt werden, erklärte Andreas Schumann (CDU). Natürlich sei der neuerliche Lockdown im Kulturbereich mit Enttäuschung aufgenommen worden, aber es bestehe auch Verständnis bei fast allen Kulturschaffenden für die Maßnahmen. „Der Schutz des Lebens und der Gesundheit steht ganz oben auf der Verantwortungsagenda“, so Schumann. Es sei „verantwortungsloser Schwachsinn“, von einer Corona-Diktatur zu sprechen.

Wenn der musikalische Nachwuchs im Bereich Chor und Instrumente nicht verlorengehen solle, müssten Möglichkeiten des Probens geschaffen; entsprechende Hygienekonzepte lägen ja vor. Während die Künstler der öffentlichen Häuser in Kurzarbeit seien, stünden die Künstler und Veranstalter ohne Festanstellung vor großen finanziellen Herausforderungen. „Einige halten sich mit Lehrtätigkeit über Wasser“, so Schumann, „es war also richtig, die Musikschulen offenzuhalten.“

Schumann gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass das Land wieder auf seinen Sachsen-Anhalt-Weg zurückkehren könne, um bald zumindest zarte Pflänzchen im Kulturbetrieb zu setzen. Ausgaben im kulturellen Bereich sollten nicht als Subventionen deklariert werden. Kultur sei kein Luxus, „sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert“, bekannte Schumann.

Beschlüsse zur Sache wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung nicht gefasst.