Die AfD-Fraktion setzt sich mit einem Antrag dafür ein, die Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung für den Straßenverkehr vom 20. April 2020 außer Kraft zu setzen. Die Neuregelungen spiegelten in keiner Weise Erkenntnisse über tatsächliche Gefahrenlagen im Straßenverkehr wider. Die AfD sieht in den neuen Regelungen eine Unverhältnismäßigkeit, häufige Unpraktikabilität, vor allem aber „bedrohliche Auswirkungen auf die Kfz-Nutzer, die wegen der raschen Folge eines Fahrverbots oder sogar des vollständigen Führerscheinentzugs existenzbedrohlich sein können“. Sinnvoll seien allein die neuen Bußgeldvorgaben zur Rettungsgasse.
„Vermisse die nötige Angemessenheit“
Aufgrund des starken Widerstands liege der neue Bußgeldkatalog auf Eis, lobte Mario Lehmann (AfD). Der Verkehrsminister bediene sich einmal mehr großzügig bei den Kfz-Führern. So gingen jährlich Millionenbeträge über den Bußgeldtisch. Mit dieser „Geldbeschaffung auf Kosten der Kraftfahrer“ müsse Schluss sein, es gehe hier längst nicht mehr um Verkehrserziehung (durch einen Polizeibeamten), sondern allein um einen „ideologischen Feldzug zur Ausrottung des Verbrennungsmotors“, so Lehmann. Für kleine Fahrlässigkeitsverstöße werde mehr als ein Tagesverdienst abgeknöpft, „da vermisse ich die nötige Angemessenheit“. Von freier Fahrt und freier Bürger sei nichts mehr zu spüren. Lehmann sprach sich für die Rückkehr zur Bußgelderhöhe in den 1990er Jahren aus.
Straßenverkehr sicherer machen
Durch die Änderungen wirke man auf die Steigerung der Sicherheit im Straßenverkehr hin – durch einen stärkeren Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer, erklärte Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). Die antragstellende Fraktion wolle mit ihrem Antrag auch wesentliche und notwendige Teile der Verordnung außer Kraft setzen, kritisierte Webel. Man könne darüber streiten, ob die neueingeführten Sanktionen verhältnismäßig seien. Es werde hier aber kein Sieger aus der Diskussion hervorgehen. Es gelte stattdessen, alle verantwortlichen Kräfte zu bündeln, die den Straßenverkehr sicherer machten.
Eine Initiative setze sich gegenüber dem Bundesverkehrsminister gegen eine Erhöhung der Geldbuße und gegen den Fahrerlaubnisentzug bei Geschwindigkeitsüberschreitungen aus. Viele der Verkehrstoten beruhten allerdings auf Unfällen nach überhöhter Geschwindigkeit.
Bußgelderhöhung ist gerechtfertigt
Man könne auch als Autofreund für den Schutz im Straßenverkehr eintreten. Denn wenn Autofahrer Fehler machten, gefährdeten sie meist andere, sagte Dr. Falko Grube (SPD). „Verkehrssicherheit ist Familiensicherheit“ – die, die morgens heile aus dem Haus gehen, sollen abends auch heile zurückkommen. „Dass das der AfD nicht wichtig ist, finde ich verwerflich“, so Grube. Die Erhöhung der Bußgelder sei gerechtfertigt, man denke nur an Falschparker auf Behindertenparkplätzen oder den zu geringen Abstand beim Überholen von Fahrradfahrern. Wer mutwillig das Leben anderer gefährde, sei mit einem Punkt und 100 Euro Strafe noch viel zu gut bedient. Grube sprach sich dafür aus, in die StVO die Regelung von einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h vor allen Kitas, Krankenhäusern, Altenheimen u. ä. Einrichtungen aufzunehmen.
Bußgeldverordnung notwendig und begründet
Die Verkehrsdichte habe bisher nicht abgenommen, die Fläche im Verkehr sei begrenzt, also seien die Maßnahmen laut Bußgeldverordnung notwendig und begründet, erklärte Guido Henke (DIE LINKE). Es gehe nicht um „Nachlässigkeiten“, wie die AfD in ihrem Antrag schreibe, stattdessen gehe es tatsächlich um Rücksicht, Sicherheit, Abstand, Leben oder Tod. Der Antrag habe nichts mit sozialer Wohltat zu tun, wie die AfD glauben machen wolle. Wenn die Vernunft nicht ausreiche, müssten Gesetze unterstützen. Von der vielgepriesenen Verkehrssicherheit sei im Antrag der AfD nichts zu lesen, so Henke, er erinnerte zudem daran, dass ein Teil der Bußgelder dazu genutzt werde, um Maßnahmen für die Straßenverkehrssicherheit zu finanzieren.
Schwächere Verkehrsteilnehmer schützen
Sachsen-Anhalt verfolge die „Vision 0“ – 0 Verkehrstote, konstatierte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Mehr als acht Menschen stürben pro Tag in Deutschland im Straßenverkehr, „das ist nicht akzeptabel und wir müssen in Sachsen-Anhalt alles dagegen tun“, so Lüddemann. 137 Menschen seien im Jahr 2019 in Sachsen-Anhalt im Straßenverkehr ums Leben zu kommen. Wer sich nicht an die Regeln halte, sei eine Gefahr für andere und sich selbst und dürfe in einem schweren Fall kein Fahrzeug mehr führen.
Die Maßnahmen seien Schutzvorschriften, die schwächere Verkehrsteilnehmer (Kinder, Menschen mit Behinderung, alte Menschen) schützen sollen. Nicht wer das größte Auto hat, habe automatisch auch den Vorrang im Straßenverkehr. In vielen Bereichen sei die Bußgeldverordnung noch zu nachsichtig. Man müsse die Vergehen vernünftiger gegen die Folgen des Fehlverhaltens abwägen. Wenn man sich an die Straßenverkehrsregeln halte, habe dies auch keine negativen finanziellen Auswirkungen per Bußgeldbescheid, versicherte Lüddemann.
Manche Bußgelder sind zu hoch
Menschen hielten sich oft nicht gern an Regeln und Vorschriften, so betreffe es auch den neuen Bußgeldkatalog für die Straßenverkehrsordnung, erklärte Frank Scheurell (CDU). „Man muss erst gegen etwas verstoßen, um in Haftung genommen zu werden“, dennoch müsse man „hier nochmal ran“, unverhältnismäßig hoch seien die Bußgelder/Strafen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Strafen beim Parken in zweiter Reihe bzw. auf Radwegen und bei Vergehen hinsichtlich der Bildung einer Rettungsgasse seien dagegen richtig, so Scheurell.
Neues Mittel der Drangsalierung
Bußgelder seien mittlerweile ein zusätzlicher Wirtschaftszweig des Staates, um noch mehr Geld in die Kasse zu spülen, sagte André Poggenburg (fraktionslos). Der schnellere Entzug des Führerscheins sei ein existenzieller Angriff auf die Bürger. Freie Fahrt für freie Bürger bedeute, dass man sich nicht unnütz ausbremsen lasse. Der neue Bußgeldkatalog sei leider kein probates Mittel gegen Verkehrsvergehen, sondern nur ein neues Mittel der Drangsalierung des Bürgers durch die Obrigkeit.
Neuen Bußgeldkatalog ablehnen
Alle Nicht-Pendler könnten gar nicht nachvollziehen, wie es tatsächlich Pendelnden gehe, konstatierte Mathias Büttner (AfD). Diese stünden unter erheblichem „Blitzer-Druck“. Büttner berichtete von den „unzähligen Malen, als ich selbst geblitzt wurde“ – seiner Ansicht nach zu Unrecht, wenn Verfahren im Nachhinein auch eingestellt würden. Es sei abzulehnen, dass Menschen zu schnell ihre Fahrerlaubnis verlören und damit auch deren Job gefährdet werde. Die Befürworter des neuen Bußgeldkatalogs stellten sich „gegen die Bürger, gegen die Autofahrer“, sagte Büttner.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der AfD-Fraktion in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr überwiesen.