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Plenarsitzung

Mehr Mobilität soll ermöglicht werden

09. Sep. 2020

Mit ihrer Großen Anfrage „Öffentlicher Nahverkehr für alle – Nutzungshindernisse abbauen, Mobilität ermöglichen“ wandte sich die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Februar 2020 an die Landesregierung. Da Sachsen-Anhalt in besonderem Maße vom demografischen Wandel betroffen sei, dürfe die Frage nach der Mobilität älterer Menschen und damit die des barrierefreien Zugriffs auf öffentliche Verkehrsmittel nicht vernachlässigt werden. Die Antworten der Landesregierung liegen nun vor und wurden im Plenum diskutiert.

Attraktives Förderprogramm vonnöten

Mit der Großen Anfrage sei das Ziel verfolgt worden, ein landesweites Bild von der Zugänglichkeit von Mobilität zu erhalten, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Auf dieser Basis soll der Handlungsbedarf für die kommenden Jahre abgeleitet werden. Im Prinzip müsste Sachsen-Anhalt nach der UN-Behindertenrechtskonvention innerhalb der nächsten fünfzehn Monate einen barrierefreien ÖPNV vorweisen, dieses Ziel werde wohl verfehlt, so Lüddemann. Barrierefreiheit in der Öffentlichkeit (barrierefreie Reiseketten) müsse bereits beim Verlassen der Wohnung beginnen.

Lüddemann kritisierte die zum Teil nur mangelhafte Bearbeitung der Großen Anfrage durch die Landesregierung. Offenbar sei nicht mal die Nahverkehrsgesellschaft in die Beantwortung der Großen Anfrage einbezogen worden. Es bedürfe eines attraktiv gestalteten Förderprogramms im ÖPNV, denn bisherige Fördermittel flössen gar nicht oder nur beschränkt ab, monierte Lüddemann. Sie warb dafür, verbundübergreifende Zusammenarbeit weiter auszubauen. Barrierefreie Mobilität sei ein Zugewinn für alle Menschen in der Gesellschaft.

Vielerlei Fördermittel investiert

Die Große Anfrage biete die Möglichkeit, wichtige Aspekte der Politik der Landesregierung im ÖPNV-Sektor hervorzuheben, erklärte Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). Dem ÖPNV komme eine tragende Rolle der Verkehrswende und in der Klimapolitik des Landes zu. Nutzungshindernisse im ÖPNV würden Schritt für Schritt abgebaut; Maßstab dafür sei das Behindertengleichstellungsgesetz. Auch für Schnittstellen mit der Deutschen Bahn würden Fördermittel bereitgestellt.

Die bereits umgesetzten Maßnahmen lieferten sichtbare Veränderungen im ÖPNV. Der größte Teil aller Fahrzeuge sei barrierefrei, steigende Fahrgastzahlen (vor Corona) sprächen für sich. Eine besondere Herausforderung sei der Betrieb von Aufzügen (an Bahnhöfen), die oftmals Opfer von Vandalismus würden, erklärte Webel. Auch die einheitliche Gestaltung von Bahnsteigen sei noch zu bewältigen. Barrierefreiheit bedeute für die Landesregierung nicht nur eine „stufenfreie Infrastruktur“, sondern auch eine Erleichterung der Nutzung digitaler Angebote.

Das Unbehagen wieder überwinden

Mobilität sei eine wichtige Komponente für gesellschaftliche Teilhabe, erklärte Willi Mittelstädt (AfD). Barrierefreiheit beschränke sich indes nicht nur auf Menschen mit Behinderung, sondern mache sich auch positiv für Eltern mit Kinderwagen oder Reisende mit schwerem Koffer bemerkbar. „Es muss für jeden selbstverständlich sein, Busse, Züge und Straßenbahnen problemlos nutzen zu können“, erklärte Mittelstädt. Auch eine ausreichende Beleuchtung sei wünschenswert.

Eine vollständige Barrierefreiheit sei aber nicht immer umsetzbar, machte Mittelstädt klar. Aufwand und Kosten müssten abgewogen werden. Die Verkehrsanbieter dürften finanziell nicht überfordert werden. Vor allem vor dem Hintergrund der finanziellen Verluste im ÖPNV durch die Corona-Pandemie sei dies ein wichtiger Punkt. Es müsse jetzt gelingen, das coronabedingte „Unbehagen bei der Nutzung des ÖPNVs“ zu überwinden, denn momentan gehe das private Auto als Gewinner aus der Krise hervor.

Barrierefreiheit: Fehlanzeige

Mobilität sei ein Grundbedürfnis, konstatierte Dr. Falko Grube (SPD). Sei man auf den ÖPNV angewiesen, stehe man bisweilen vor großen Herausforderungen. „Es sieht nicht gut aus mit der Barrierefreiheit im ÖPNV in Sachsen-Anhalt“, resümierte Grube. Haltestellen von Bus und Bahn würden in ganz Sachsen-Anhalt offenbar vielfach nicht die notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Das Land stelle den Kommunen seit 2017 jedes Jahr eine Million Euro für die barrierefreie Gestaltung von Haltestellen zur Verfügung. Aber lediglich im Jahr 2019 seien davon 331 000 Euro abgeflossen, kritisierte der SPD-Abgeordnete.

Barrierefreiheit zeitgemäße Selbstverständlichkeit

„Die Große Anfrage war gut und notwendig“, sagte Guido Henke (DIE LINKE). Er kritisierte die mangelnden Auskünfte durch die Kommunen hinsichtlich der Beantwortung der in der Großen Anfrage gestellten Fragen. Zwar seien aus Sicht der Landesregierung die Anforderungen an Barrierefreiheit ausreichend mit Planungsvorgaben belegt, aber die finanzielle Ausstattung dafür falle mehr als sparsam aus.

Weniger als 15 Prozent der Haltepunkte der Deutschen Bahn im Land seien barrierefrei; gehe es in diesem Tempo weiter, würde in 58 Jahre der letzte Haltepunkt barrierefrei, monierte Henke. Barrierefreiheit müsse eine zeitgemäße Selbstverständlichkeit sein und dürfe nicht von einem ressourcen- oder Haushaltsvorbehalt bedingt sein. Barrierefreiheit sei ein wichtiges Indiz für das gesellschaftliche Klima, so Henke.

„Termin 1.1.22 wird nicht geschafft“

Die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs müsste gesetzlich bedingt eigentlich bis zum 1. Januar 2022 abgeschlossen sein, erinnerte Frank Scheurell (CDU). Barrierefreiheit habe für die CDU-Fraktion eine große Bedeutung. „Aber uns ist auch bewusst, dass der Termin 1.1.22 nicht geschafft wird.“ Man müsse neben dem Mangel aber auch auf das schauen, was bisher erreicht worden sei. In seinem Wahlkreis seien beispielsweise alle Bahnhaltepunkte barrierefrei.

Beschlüsse zur Sache wurden am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage nicht gefasst.