Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Beitragserhöhung weiter in Diskussion

13. Nov. 2020

Um 86 Cent soll der Rundfunkbeitrag steigen, sodass die Programme und weiteren Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausfinanziert werden können. Zum entsprechenden Staatsvertrag der Länder führte der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien des Landtags von Sachsen-Anhalt eine Anhörung in öffentlicher Sitzung durch.

Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten warben noch einmal für die erste Beitragserhöhung seit 2009. Foto: Archiv

Aus den Redebeiträgen der Angehörten

Dr. Heinz Fischer-Heidlberger, Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, betonte, dass dieser zunächst in der Bevölkerung sehr anerkannt sei. Substanzielle Änderungen beim Auftrag der Sendeanstalten wären nötig, wenn die Beitragsänderung  – nach neun Jahren mit stabiler Beitragshöhe – nicht käme. Alle Angebote wie Mediatheken und Apps seien gesetzlich vorgesehen, aber die müssten auch finanziell umsetzbar sein. Sollten nicht alle sechzehn Länder den Staatsvertrag verabschieden, wäre die Rundfunkfinanzierung nicht mehr verfassungsgemäß, so Fischer-Heidlberger. Eine Verschiebung der Beitragserhöhung um mehrere Jahre sei nicht Sache der Kommission, die Steigerung würde dann aber erheblich höher ausfallen, so der KEF-Vorsitzende.

„Der Rundfunkbeitrag ist der Preis, und dafür bekommt man einen wichtigen Gegenwert“, erklärte Klemens Gutmann vom Dachverband der Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt. Dieser stehe ohne Wackeln hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dieses System sei tief in der Gesellschaft verankert, „und wir leben ordentlich mit dem System“. Das Hinterfragen der Kostensteigerung sei verständlich, aber das Herausoptieren aus der Ländergemeinschaft würde wahrscheinlich zu   weit schwereren Folgen führen als vermutet. Negative Auswirkungen seien beispielsweise für die regionale Dienstleisterschaft rund um die Filmwirtschaft zu erwarten – die ins Land zurückfließenden Kosten würden verringert, so Gutmann. „Wir verlieren eine kleine vitale und lebensprägende Branche (besonders in Halle), es wird deutlich weniger in Sachsen-Anhalt produziert werden, und wir verlieren einen wichtigen Partner beim Digitalausbau im Land“, erklärte Gutmann. Er warb dafür, die Beitragserhöhung mitzutragen.

Die Film- und Fernsehproduktion sei in Deutschland ein Mittelstandsgewerbe, es gebe etwa 900 relevante Firmen, die die Branche ausmachten, erklärte Dr. Christoph E. Palmer von der Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e. V. Rund 36 000 Arbeitsplätze seien an diese Firmen direkt gebunden, 25 000 freie Beschäftigte kämen noch hinzu. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei mit Abstand der größte Auftraggeber für die gesamtdeutsche Filmbranche: Zwei Drittel des Auftragsvolumens kämen aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich – allein von der ARD im Jahr 815 Millionen Euro Produktionsgelder, vom ZDF 650 Millionen Euro. Kaum ein anderes Bundesland habe in den vergangenen zehn Jahren seine Filmbranche so weiterentwickelt wie Sachsen-Anhalt, betonte Palmer. Man solle diese ganze Aufbauarbeit nicht durch eine abgelehnte Beitragserhöhung in Gefahr bringen. Die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ließen sich nicht umgehend verändern, eine Nichterhöhung des Beitrags würde sich vermutlich zuerst beim geringeren Erwerb von Sportrechten und bei der verminderten Vergabe von kurzfristigen Produktionen (Filme, Serien) bemerkbar machen.

Dr. Wolfgang Kreißig sprach für die Landesmedienanstalten der Länder. Die Medienanstalten überwachen die Sicherung der Vielfalt, den Kinder- und Jugendschutz sowie den Nutzerschutz allgemein. Sie erhielten rund 1,9 Prozent vom Rundfunkbeitrag, seien also unmittelbar betroffen, wenn es keine Beitragserhöhung gäbe. Eine wichtige Aufgabe bestehe in der Medienkompetenzvermittlung, die mittlerweile ganz neue Dimension erhalten habe. Auch Offene Kanäle und nichtkommerzielle Lokalradios werden unterstützt. Man brauche finanzielle Spielräume, um die gestellten Aufgaben erfüllen zu können. „Vor diesem Hintergrund würden wir es begrüßen, wenn es zu einer Beitragserhöhung kommen würde“, so Kreißig.

Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, begrüßte die Diskussion über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. „Wir stehen ganz klar zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, betonte Grupe, Änderungsbedarf gebe es allerdings seit sieben Jahren bei der Erhebung des Beitrags von den Handwerksbetrieben. Hier habe es durch die Systemumstellung bei der Beitragsberechnung eine zum Teil extreme Kostenerhöhung für die kleinen und mittleren Unternehmen gegeben. Diese würden jetzt wieder stärker belastet. Über Sparpotenziale bei den Sendern müsse freilich geredet werden. 

„Es gebe ein klares Bekenntnis zum Mitteldeutschen Rundfunk von der Handwerkskammer Halle“, erklärte deren Hauptgeschäftsführer Dirk Neumann. Dennoch sprächen sich die Betriebe des südlichen Sachsen-Anhalts gegen die Beitragserhöhung aus. 2013 habe die Handwerkskammer eine Umfrage zur Beitragserhebung durchgeführt, so Neumann, von den teilnehmenden 771 Betrieben sei als Ergebnis eine 78-prozentige Erhöhung des Beitrags durch die Umstellung der Beitragserhebung berichtet worden. Bis heute habe sich an dieser Situation trotz Zusagen nichts geändert, kritisierte Neumann.

Die Kreativwirtschaft sei mehr und mehr zum wirtschaftlichen Standortfaktor für Sachsen-Anhalt geworden – sowohl was Filmproduktionen angeht, als auch was den Tourismus betrifft, so Ingelore König vom Mitteldeutschen Film- und Fernsehproduzentenverband e. V. Dass die Kreativwirtschaft ihr Potenzial voll ausschöpfen könne, hänge sehr stark von den Rundfunkanstalten ab. König verwies auf die breite regionale Berichterstattung im MDR, viele Aufträge würden von Unternehmen der Region ausgeführt. Seit über einem Jahrzehnt habe es keine Beitragserhöhung gegeben, um die Kostensteigerungen für Personal und Material auszugleichen. Bleibe die Erhöhung aus, werde es spürbare Auswirkungen auf die Branche und folglich auch auf das Programm geben.

Ein Nein zum Staatsvertrag hätte zahlreiche negative wirtschaftliche Auswirkungen, resümierte der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow die Redebeiträge der Angehörten. Die vorgebrachten Kritikpunkte wiesen auf einen grundsätzlichen Reformwillen an den Strukturen und Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hin, dies habe aber nicht konkret mit der jetzt angestrebten Beitragserhöhung zu tun. All diese Kritikpunkte seien politisch zu behandelnde Entscheidungen und würden von der ARD auch in Zukunft kritisch begleitet. Das duale Rundfunksystem sei das beste Rundfunksystem der Welt, so Buhrow – Deutschland habe ein gutinformiertes und gutunterhaltenes Publikum.

Ein Drittel bis ein Viertel der Investitionen verblieben im Land, erklärte ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut, ganz aktuell werde die zweite Staffel einer Krimiserie in Halle gedreht. Weitere Projekte seien in der Prüfung. Gemeinsam mit dem MDR habe das ZDF die Digitalagentur „ida“ gegründet. Diese Agentur soll die digitalen technischen Dienste wie Netzanwendungen, Apps sowie Tools für den redaktionellen Alltag weiterentwickeln, wie die für digitales Storytelling oder Datenjournalismus. Alle Auflagen der KEF würden ernst genommen und würden auch Schritt für Schritt umgesetzt, zum Beispiel habe es schon einen erheblichen Stellenabbau gegeben. Die Beitragserhöhung würde sehr helfen, die anstehenden Aufgaben zu erfüllen, so Bellut.

Hörfunk sei enorm personalintensiv, ein Ausbleiben der Erhöhung hätte unausweichliche Konsequenzen auf die Gestaltung des Programms, betonte Stefan Raue, Intendant vom Deutschlandradio. Dahinter warteten jeden Tag mehrere Millionen Hörer*innen und 800 000 Nutzer*innen der digitalen Angebote.

Der MDR biete einen freien und unabhängigen Rundfunk für alle Bürger*innen der Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, erklärte Prof. Dr. Karola Wille, Intendantin des MDRs. Der Sender habe dem Land eine starke und vielfältige Stimme gegeben, er ist Begleiter im Alltag. Die Mehrzahl der Menschen im Land halte den MDR für persönlich wichtig und auch prinzipiell wichtig für die Gesellschaft. Der MDR sei Teil des demokratischen Werts des Landes, so Wille, er bilde die Breite der Meinungen der Menschen im Land ab. „Der MDR ist ein Motor für den politischen Diskurs und für die kulturelle und Kreativszene.“ Der Mitteldeutsche Rundfunk würde von einer Nichterhöhung des Rundfunkbeitrags hart getroffen. „Aber wir brauchen einen starken MDR als Stimme des Ostens“, so Wille abschließend.

Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien wird sich in seiner nächsten Sitzung wieder mit den Ergebnissen aus der Anhörung und dem Gesetzentwurf der Landesregierung beschäftigen. Ziel ist die Erstellung einer Beschlussempfehlung, die dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt werden soll.