Die Fraktion DIE LINKE wandte sich mit einer von ihr beantragten Aktuellen Debatte dem Zugverkehr in Sachsen-Anhalt zu. Sie stieß im Plenum eine Diskussion über „Zugausfälle bei Abellio – ein Beispiel fehlgeschlagener Privatisierung“ an.
Reverstaatlichung aller Bahn-Aufgabenträger
Die Übernahme durch Abellio sei nicht reibungslos geglückt, kritisierte Guido Henke (DIE LINKE). Betroffen seien viele Pendler/innen, Schüler/innen, Azubis und Arbeitnehmer/innen gewesen. Dauerhafte Schienenersatzverkehre wegen fehlender Lokführer dürften nicht die Lösung sein. Der Bund habe sich mit seinen Bahn-Privatisierungen aus der Verantwortung gezogen. Es könne nicht sein, dass Bahnkunden wiederholt mit höheren Ticketpreisen zur Kasse gebeten würden, um leere Kassen zu füllen und „überfällige Investitionen“ zu tätigen.
Streckenstilllegungen und Lohnkürzungen trügen nicht zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Sachsen-Anhalt bei. Das EU-Recht zwinge niemanden in die Privatisierung, sagte Henke. Der freie Wettbewerb werde hier mit schlechterer Qualität bezahlt. Man solle „endlich Bahner statt BWLer arbeiten lassen“. Die Fraktion DIE LINKE spricht sich für die Reverstaatlichung aller Aufgabenträger der Mobilitätssicherung aus. „Wir brauchen einen ordentlichen Fahrplan für die Zukunft des Landes“, so Henke, dazu zähle auch ein attraktiver ÖPNV. „Ohne gute Eisenbahnen zur Daseinsvorsorge gibt es keine Zukunft.“
Keine Pauschalkritik am System
Die hier initiierte Debatte müsste eigentlich in Berlin geführt werden, monierte Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). Die Zugausfälle, die es bei Abellio gegeben habe, seien bedauerlich, freilich auch nicht hinnehmbar. Aber nicht jeder Zugausfall sollte Anlass für eine Pauschalkritik am System sein. Nach der Bahnreform weise Sachsen-Anhalt mehr Zugkilometer und mehr Nutzer im Regionalverkehr auf, lobte Webel. Personalgewinnung werde ein Dauerbrenner bleiben, staatliche wie private Bahnbetreiber sollten gemeinsam für attraktive Arbeitsbedingungen sorgen.
„Wenn Züge unangekündigt ausfallen, untergräbt das das Vertrauen in das System Schiene“, erklärte Webel. Über die absehbaren Probleme bei Abellio hätte das Unternehmen frühzeitig informieren müssen. Vertragsgemäß müsse das Unternehmen nun Strafgebühren für ausfallende Züge zahlen. „Wir erwarten, dass die Probleme schnellstmöglich behoben werden.“ 97 Prozent der Aufgaben würden mittlerweile von Abellio erbracht. Bis zum 4. März 2019 solle der Schienenersatzverkehr zwischen Köthen und Dessau behoben sein, so Abellio.
Zu Lasten der Beschäftigten
Der Verkehr in Europa sei eine verkehrte Welt – die deutsche Staatsbahn organisiere den Bahnverkehr in den Niederlanden, die niederländische Staatsbahn leiste dagegen Bahndienste in Sachsen-Anhalt, sagte Dr. Falko Grube (SPD). Die Probleme bei der Streckenübernahme durch Abellio stießen auf Unverständnis. Wenn von 300 Fahrten 22 ausfielen, reiche das nicht für eine Kündigung, außerdem bräuchte man eine Alternative. Aber kein Unternehmen könne Züge und Personal aus der Garage zaubern, so Grube.
„Wir erwarten, dass die Ausfälle schnellstmöglich abgestellt werden, dass die Betroffenen für die Zugausfälle entschädigt werden und dass die Unstrutbahn ab März tatsächlich auf der Schiene fährt“, betonte Grube. Fragwürdig bei allem bleibe allerdings, wie Abellio schönere Wagen mit mehr Service haben und trotzdem wirtschaftlicher als beispielsweise DBregio arbeiten könne. Dies gehe nur zu Lasten der Beschäftigten. „Wenn das das Ergebnis europäischer Wirtschaftspolitik ist, muss sich niemand mehr über den Unmut gegenüber der EU wundern.“
Schienenverkehr bestellt, Busverkehr bekommen
Abellio sei für die Übernahme des Streckennetzes bereit, habe es vom Unternehmen geheißen, „die ersten Wochen aber waren leider ein Desaster“, so Matthias Büttner (AfD). „Es fahren Busse statt Züge und trotz dreier Jahre Vorlauf bestehen noch immer Personalengpässe.“ Abellio wollte selbst Triebwagenführer ausbilden, die ersten Lehrgänge seien auch abgeschlossen – offenbar reichten diese immer noch nicht aus. „Es kann einfach nicht sein, dass man Schienenverkehr bestellt und dauerhaft Busverkehr bekommt“, kritisierte Büttner.
Abellio habe sich mit Leistungen beworben, die das Unternehmen nicht leisten könne. Die NASA GmbH müsse genau prüfen, inwiefern weitere Vertragsstrafen verhängt werden können. Auch eine Kündigung des Vertrags – zumindest für die betroffenen Strecken – müsse geprüft werden, so der AfD-Abgeordnete.
Schiene wird stiefmütterlich behandelt
Es sei vorschnell, mit Vertragskündigung zu drohen, wenn es nach der Übernahme durch Abellio zu Anlaufschwierigkeiten gekommen sei, sagte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Immerhin habe die Übernahme der Strecken eine Laufzeit von 15 Jahren und umfasse ein Volumen vom einer Milliarde Euro.
Abellio habe die Personalgewinnung zu optimistisch eingeschätzt, solche Fehlplanungen dürften nicht wieder passieren. Allerdings herrsche keine katastrophale Situation, 97 Prozent der Aufgaben würden erfüllt. Lüddemann geht davon aus, dass der Schienenverkehr ab 4. März 2019 auf allen Strecken fahre. Sie lobte Abellios Quereinsteigerprogramm für Lokführer für eine zusätzliche Personalgewinnung.
Kritisch sehen die Grünen, Mobilitätsangebote zu privatisieren und also gewinnbringend zu orientieren. „Die öffentliche Daseinsvorsorge, also das Schienennetz, gehört in die öffentliche Hand. Wir Grünen wollen kein privates Schienennetz.“ Die Schiene werde vom Bund schon zu lange stiefmütterlich behandelt.
Wiederverstaatlichung bloßer Populismus
„Der Schienenverkehr ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, die verantwortungsvoll von der Landesregierung behandelt werden muss und auch wird“, versicherte Frank Scheurell (CDU). Abellio habe die Fehler zum Fahrstart eingeräumt. Inhaltliche Gründe für eine Abmahnung gebe es aber nicht. Das Unternehmen habe sich in einer europaweiten Ausschreibung gegen seine Konkurrenz durchgesetzt. „Abellio ist also entsprechend leistungsfähig.“
Es habe sich gezeigt, dass alle Fahrunternehmen sich in einem gemeinsamen Dilemma – nämlich dem Fachkräftemangel – befänden. „Auch der Staatskonzern, die Deutsche Bahn, habe mit Personalproblemen zu kämpfen“, sagte Scheurell. Vor diesem Hintergrund seien Forderungen nach Vertragskündigung oder Wiederverstaatlichung bloßer Populismus. Die Folgen wären für die Fahrgäste und das Land unabsehbar.
Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.