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Plenarsitzung

Grünes Band: Meinungen im Einzelnen

Der Ausschuss für Umwelt und Energie hat am Mittwoch, 14. August 2019, in einer öffentlichen Anhörung über den Entwurf eines Gesetzes „Grünes Band der Erinnerung Sachsen-Anhalt vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ beraten.

Der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde im Juni 2019 in den Landtag eingebracht und nun in einer öffentlichen Anhörung beraten. Dazu waren etwa 150 Anzuhörende aus Städten- und Gemeinden in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen eingeladen sowie Vertreter von Verbänden und Vereinen nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche.

Die Anzuhörenden im Einzelnen

Dr. Karl-Heinz Daehre vom Kuratorium „Naturmonument Grünes Band Sachsen-Anhalt“ erklärte: „Wenn unsere Generation der Zeitzeugen das nicht macht, wird es nicht mehr erfolgen.“ Bei Gesprächen mit Bürgern entlang der ehemaligen Grenze sei immer wieder betont worden: „Vergesst es nicht!“ Aufgabe des Kuratoriums sei es gewesen, einen Ausgleich zwischen Erinnerungskultur und Ökologie zu finden.

Daehre unterstrich: Im Zuge des Projektes dürfe es nicht zu Enteignungen kommen und die Frage der Trägerschaft müsste unbedingt geklärt werden, ebenso die finanzielle Ausstattung. Außerdem betonte er, wenn das Land Sachsen-Anhalt es ernst meine, benötigten die Kommunen auch genug Geld, um Erinnerungsprojekte umsetzen zu können. Die Überschrift hält das Kuratorium für „überfrachtet“. 

In den vergangen Jahren habe sich der ehemalige Grenzstreifen zu einer wahren „Schatzkammer der Natur“ entwickelt, daher werde die Ausweisung des Naturmonuments unterstützt, sagte  Dieter Leuphold, stellvertretender Vorsitzender vom BUND Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. Er würde sich wünschen, dass der Aspekt der Erinnerungskultur noch stärker finanzpolitisch abgesichert wird. „Das Grüne Band ist für uns eine Blaupause für das Thema Biotopverbund “ und ein hervorragendes und deutschlandweit einmaliges Beispiel. Außerdem sieht der BUND gute Perspektiven für eine nachhaltige Regionalentwicklung.

Städte- und Gemeinden unterstützen Vorhaben

Naturschutz und Erinnerungspolitik könnten nur gleichranging betrachtet werden, konstatierte Peter Weiß vom Landkreistag. Die ökologischen Ziele dürften die Nutzung der Erinnerungslandschaft nicht unnötig einschränken. So müssten beispielsweise Wege und Straßen für Veranstaltungen frei bleiben, gleiches gelte für die Gewässernutzug. Der finanzielle Aufwand von Unteren Naturschutzbehörden im Rahmen des Projektes sollte nicht unterschätzt und geprüft werden.

Der Altmarkkreis Salzwedel sei mit 132 Kilometer ehemaliger innerdeutscher Grenze besonders vom Gesetz betroffen, erklärte Landrat Michael Ziche. In den letzten zwei Jahrzehnten sei bereits viel erreicht worden in puncto Naturschutz und touristischer Vermarktung, zudem wurden Erinnerungsorte geschaffen, zum Beispiel das Museum Böckwitz. Der Landkreis hätte daher ein originäres Interesse am Naturmonument, so Ziche und egänzte: „Wir wünschen uns eine gleichwertige Gewichtung von Naturschutz und Erinnerungskultur“. Dabei sei es wichtig, die Akteure vor Ort mitzunehmen.

Petra Naumann, Bau-und Umweltamt des Landkreises Börde, erinnerte vor allem daran, wie wichtig es sei, dass die bestehenden Wege zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen weiter genutzt werden können. Insbesondere auf das Kulturgut „ Gedenkstätte Marienborn“ sollte besondere Priorität gelegt werden.

„Alles, was wir jetzt an der ehemaligen Grenze vorfinden, hat sich in den letzten 30 Jahren entwickelt, daher haben Landwirte vermutlich alles richtig gemacht“, konstatierte  Rüdiger Kloth, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Seehausen (Altmark). Dennoch findet er es gut, dass Umweltschutz und Erinnerungskultur mit dem Gesetzentwurf auf eine gleiche Stufe gestellt werden sollen. Den Landwirten seiner Gemeinde sei es am wichtigsten, dass die vorhandenen Wege – auch „Kolonnenwege“ –  weiter befahrbar bleiben. Dies sei auch für Feuerwehren wichtig. Er regte an, dass bei der Umsetzung mögliche Erinnerungsprojekte vor Ort auch unkompliziert und ausreichende finanziell gefördert werden.

Die Stadt Ilsenburg habe ein großes Interesse, die Erinnerung an die Zeit aufrecht zu halten. Dabei stehe der Gedenkgedanke im Vordergrund. Da es bereits Schutzszenarien vielfältiger Art gebe, fragte sich der Vertreter der Stadt, ob ein Gesetz wirklich nötig ist. Der Nationalpark Harz unterliege beispielsweise großen Restriktionen und Betretungsverboten. Insgesamt muss die touristische Infrastruktur erhalten und verbessert werden können. Eigentums- und Bewirtschaftungsflächen sowie Hochwasserschutz müssen sichergestellt.

Dr. Klaus George, Nationalparkverwaltung Harz, wünscht sich mehr Beteiligung bei konkreten Projekten vor Ort und fürchtet von neuen „Playern“ zurückgedrängt zu werden. Der Nationalpark Harz sei bereit, weitere Aufgaben zu übernehmen und bat darum, die Aufgaben vor Ort auch weiterhin übernehmen zu dürfen. Er sprach sich zudem dafür aus die „Pionierwälder“ in das Gesetz mit aufzunehmen, da nur sie das Grüne Band in manchen Teilen überhaupt sichtbar machten.

Zugänglichkeit muss gewährleistet sein

Bärbel Schön, Geschäftsführerin des Tourismusverbands Sachsen-Anhalt e.V., sei Authentizität ein wesentliches Merkmal des Erlebnistourismus, weshalb Touristen gelebte Orte und Stätten, im Gegensatz zu künstlich geschaffenen Erlebniswelten bevorzugten. Diese gebe es bereits jetzt punktuell entlang des Grünen Bandes. Schön sagte: „Nur was begangen und betrachtet werden kann, bleibt in der Erinnerung wach.“ Dazu gehöre auch der Grenzverlauf, sei dieser nicht mehr erlebbar, schwinde die Erinnerung an den Verlauf der innerdeutschen Grenze.

Der Landesverband Sachsen-Anhalt der Freizeitreiter und –fahrer in Deutschland e.V. steht dem Gesetzentwurf grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Lediglich mit dem Betretungsrecht sei der Verein nicht einverstanden, betonte Tinatin Eppmann. Damit entstünden neue Grenzen, da die unbefestigten Querwege laut Gesetzentwurf nicht mehr genutzt werden dürften. Sie schlug vor, das Wort „befestigte“ durch „naturfeste“ Wege zu ersetzen, um auch  zukünftig „grenzenloses Reiten“ zu ermöglichen.

Die Stadtverwaltung Helmstedt unterstützt das Gesetzesvorhaben ausdrücklich und kann nicht sehen, dass es zu einer neuerlichen Trennung zwischen Ost und West beiträgt, konstatierte Henning Konrad Otto. Die Entwicklung des Lappwaldsees von einem deutsch-deutschen Braunkohlerevier (von beiden deutschen Staaten gleichermaßen genutzt) hin zu einem Bade- und Freizeitgewässer sei ein länderübergreifendes, beispielhaftes naturnahes Projekt am Grünen Band. Otto plädierte dafür, die touristische Erschließung des Grünen Bandes als bedeutende Erinnerungslandschaft weiter auszubauen, sofern die Schutzzwecke nicht beeinträchtigt werden.

Konkretisierung bei einzelnen Punkten gewünscht

Dr. Ulrike Wendland vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie begrüßt den Gesetzentwurf. Mahnte jedoch, dass die Instandsetzung und Erhaltung alter Bauten nicht auf Dauer Ehrenamtlichen überlassen werden könne und plädierte für die Einrichtung eines Fonds. Wichtig sei auch eine Art Bestandsaufnahme welche Gebäude überhaupt noch da sind und in welchem Zustand.

Das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU) unterbreitete Ergänzungen für einige unter Paragraf 3 genannte Biotope. Zudem schlug Heike Hoppe eine kartographische Darstellung vor, wo welche Rechtsvorschriften gelten sowie eine adäquate Beschilderung, um die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung zu erhöhen. Für Paragraf 9 schlägt das LAU eine Erweiterung der Verbote vor (z.B. das Einbringen gentechnisch veränderter Organismen und das Einbringen gebietsfremder Arten).

Grundsätzlich berücksichtige der vorliegende Gesetzentwurf die Belange der Landesstraßenbaubehörde, sagte Katrin Heucke. Sie wünschte sich jedoch eine intensive Einbeziehung in die Erstellung der Pflege- und Entwicklungspläne für das Schutzgebiet. In Paragraph 7 des Gesetzestextes sei eine  explizite Verankerung nötig, um Kompensationsmaßnahmen aus Eingriffsvorhaben der Straßenbauverwaltung innerhalb des Grünen Bandes zu verwirklichen. Damit würde ein wichtiger Baustein gelegt werden, um die Maßnahmen aus den Entwicklungsplänen realistischer umzusetzen.

Bauern- und Waldbesitzer lehnen Gesetz ab

„Wir stehen der Erinnerungskultur nicht entgegen“, betonte Olaf Feuerborn, Vorsitzender des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt eingangs seines Redebeitrags. Man sollte jedoch bedenken, dass es die Landwirte an der Grenze waren, die die Flächen wieder zu dem gemacht haben, was sie waren. Wenn nun Flächen für das Grüne Band genutzt werden sollen, dann müssten sie auf freiwilliger Basis getauscht werden. Der Bauernverband lehnt zudem strikt ab, dass Eigentümer nicht mehr selber entscheiden dürfen, wie sie ihre Flächen bewirtschaften können. Jegliche Form von Enteignungen wurde strikt abgelehnt.

Christian Apprecht, vom Bauerverband Börde, ergänzte, es gehe vielleicht auch um eine „symbolische Beeinträchtigung“, die in der Praxis eventuell gar nicht so ausgeprägt sein wird. Dennoch wollten sich die Landwirte ungern Vorschriften zum Thema Bewirtschaftung machen lassen.

Der Bauernbund Sachsen-Anhalt e.V. lehnte den Gesetzentwurf ebenfalls, weil damit eine neue „grüne Grenze“ entstehen würde. Die Landschaften entlang des Kolonnenweges machten bereits deutlich, dass die Menschen in Ost und West zusammengehören. Das geplante Naturmonument würde dem entgegenwirken. Die betroffenen Eigentümer des Gebietes hätten zudem keinen Einfluss auf mögliche Durchführungsverordnungen, eine einvernehmliche Lösung sei damit ausgeschlossen. Zudem fehlten dem Bauernbund eindeutige Aussagen zu Entschädigungsmitteln.

Die Kombination von einem Erinnerungs- und Naturschutzprojekt passen irgendwie nicht so richtig zusammen, zumindest so wie sie geplant sind, meinte Ulrich Böcker, Geschäftsführer von Familienbetriebe Land und Forst Sachsen-Anhalt e.V.  Die Ökologie tendiere zur Ausbreitung und die Erinnerungskultur zu einer gewissen Statik.

Der Waldbesitzerverband Sachsen-Anhalt e.V. Ist überzeugt: „Die Erinnerung an die Grenze wird durch das Naturschutzprojekt missbraucht.“ Es handelt sich um eine zweite „gefühlte Enteignung“, es würden Verbote ausgesprochen, Restriktionen angedeutet und Werte zunichtegemacht. Was die Menschen genau erwarte, sei noch unklar. Ein Naturmonument sei aber in jedem Fall ein Naturschutzgebiet, in dem es Maßnahmen geben wird, die über das Maß der Sozialpflichtigkeit des Grundbesitzes hinausgingen. Nach Meinung des Waldbesitzer e.V. solle der Grenzzaun von 1989 mittels des Grünen Bandes symbolisch wieder errichtet werden. Daher werde der Gesetzentwurf in dieser Form abgelehnt, gleichzeitig sollten Erinnerungsorte dennoch geschützt werden.

Gregor Modos, Vorsitzender vom Verband für Wald und Wild e.V., kritisierte mögliche praktische Einschränkung für Anwohner und Nutzer vor Ort, beispielsweise das Einsehen von Gebietskarten und das Nutzen von Kraftfahrtzeugen. Obwohl er den Gedanken, Erinnerungskultur und Naturschutz zu verbinden grundsätzlich lobenswert findet, gab er zu bedenken,ob das Gesetz wirklich nötig sei. Denn Flora und Fauna hätten sich in den letzten 30 Jahren auch ohne Gesetz entwickelt. 

Unterschiedliche Ansichten über Trägerschaft

Bei Gesprächen entlang der Grenze habe sie in den letzten Monaten viele bemerkenswerte Geschichten gehört. Es lohne sich diese zu bewahren, auch deshalb halte sie das Projekt „Naturmonument“  für eine sehr gute Idee, erläuterte Birgitt Neumann-Becker, Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Sachsen-Anhalt. Alle Relikte der Grenzanlage sollten unter Schutz gestellt werden können. Sie plädiert für eine paritätische Trägerschaft  von umwelt- und erinnerungspolitischen Trägern. Sie selbst plant im nächsten Jahr  kleinere Projekte unterhalb von 5000 Euro entlang des Grünen Bandes zu unterstützen. Die Einrichtung eines Fachbeirates werde begrüßt, in diesen sollten aber auch Vertreter der Opferverbände, Kirchen und lokale Vereine aufgenommen werden.

Maik Reichel, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, begrüßt die Initiative ebenfalls, insbesondere, dass die Belange des Naturschutzes und der Erinnerungskultur gleichranging betrachtet werden. Er könne keine erneute Trennung durch das „Grüne Band“ erkennen, sondern das Naturmonument ermögliche es die Erinnerung aufrecht zu halten. In Tschechien und der Slowakei gebe es bereits ähnliche Projekte, die gut funktionierten.

Für Jürgen Stadelmann, Vorsitzender der Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt, ist das Grüne Band ein Vorhaben der gesamten Landesregierung. Die Frage der Trägerschaft müsste seiner Ansicht nach so geklärt werden, dass die Pläne praktisch umsetzbar und für die Umsetzung später genügend Gelder vorhanden sind. Als Eigentümer der Flächen habe die Stiftung bereits jetzt gewisse Aufgaben zu erfüllen, diese werde sie auch weiterhin gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Partner vor Ort übernehmen. 

Die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Direktor Dr. Kai Langer, begrüßt den Gesetzentwurf ausdrücklich, hält die geplante Teilung der Trägerschaft jedoch für nicht umsetzbar und spricht sich stattdessen für nur einen einzigen Träger aus. Außerdem äußerte er sich noch zum Titel des geplanten Naturmonuments: „Grünes Band der Erinnerung Sachsen-Anhalt“ reiche als Titel seiner Ansicht nach völlig aus, die Ergänzung: „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ halte er für unnötig und inhaltlich sogar falsch.

Dr. Reinhard Ruge von der 50Hertz Transmission GmbH (sie betreibt das Höchstspannungs-Stromnetz in den alten Bundesländern), geht nach Sichtung des Gesetzentwurfes davon aus, dass es keinerlei Probleme geben wird, die den Netzausbau gefährden würden. Mit den genannten Ausnahmeregelungen bleiben alle geplanten Projekte möglich, wie beispielsweise der Ausbau des Netzes zwischen Helmstedt und Wolmirstedt.

Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) ist stark vom geplanten Gesetzesentwurf betroffen, da das Gebiet des Nationalen Naturmonumentes Flächen umfasst, auf denen die LMBV noch umfangreiche berg- und wasserrechtlichen Sanierungsmaßnahmen durchführen muss, erklärte ein Sprecher. Anders als die 50Hertz GmbH schätzte er ein, dass die vorliegenden Verbote diese Maßnahmen aller Voraussicht nach erheblich beeinträchtigen und gefährden. Dies betreffe insbesondere das Gebiet des ehemaligen Tagebaus Wulfersdorf. Die LMBV schlägt vor, dass für alle noch geplanten Sanierungsmaßnahmen Ausnahmeregelungen ermöglicht werden.