Auf 342 Kilometern Länge verlief im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt bis 1990 die innerdeutsche Grenze. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sind zwischen 1949 und 1989 insgesamt 75 Menschen an eben jener Grenze ums Leben gekommen. Weitere 31 Frauen und Männer, die im heutigen Sachsen-Anhalt lebten, kamen an anderen innerdeutschen Grenzabschnitten, an der Berliner Mauer und am „Eisernen Vorhang“ ums Leben.
Um an diese Opfer zu erinnern, informiert die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Birgit Neumann-Becker, in einer neuen Ausstellung im Landtag auf elf Tafeln über das Grenzregime an der innerdeutschen Grenze, erläutert mehrere Einzelfälle und listet erstmalig alle bekannten Todesfälle mit sachsen-anhaltischem Bezug auf. Der Titel der Ausstellung lautet: „An der Grenze erschossen. Erinnerungen an die Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Sachsen-Anhalt“.
Über die Opfer mit Sachsen-Anhalt-Bezug
Von den genannten 106 Todesopfern mit einem Bezug zum heutigen Sachsen-Anhalt wurden 13 Personen an der Berliner Mauer und am Berliner Außenring getötet.
Nach derzeitigem Stand kamen sieben Menschen aus Sachsen-Anhalt in Polen, Ungarn, Bulgarien und der CSSR ums Leben.
Die Todesopfer waren überwiegend männlich: 80 Prozent von ihnen waren jünger als 35 Jahre. Über die Hälfte der Menschen wurde erschossen, 14 Prozent starben durch Minen und Selbstschussanlagen und rund zehn Prozent ertranken in Grenzflüssen.
Eine Begleitbroschüre (siehe unten) gibt Auskünfte über die Methoden der wissenschaftlichen Recherche und listet in mehreren Tabellen die über 100 Todesfälle sowie Einzelheiten zum Geschehen auf.
Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch begann ihre Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung mit einem Zitat des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Dieser habe einmal gesagt: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Für das Thema der Ausstellung könnte kein Zitat passender sein, meinte Brakebusch.
Mahnung und Erinnerung zugleich
Da sie jahrelang an der innerdeutschen Grenze gewohnt habe, sei dies für sie eine besonders wichtige Ausstellung, die ihr sehr ans Herz gehe. Die Ausstellung liefere einen sehr wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Geschehnisse an der innerdeutschen Grenze. „Das Gedenken an die Opfer ist Mahnung und Erinnerung zugleich“, so Brakebusch.
Die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Birgit Neumann-Becker, erinnerte in ihrer Rede daran, wie wichtig die Aufarbeitung auch für die Hinterbliebenen der Opfer sei. Einige von ihnen würden erst dadurch – Jahrzehnte später – erfahren, was wirklich mit ihren Familien und Freunden geschehen ist. Denn man dürfe nicht vergessen, jeder dieser Menschen hatte eine eigene Geschichte. Vielen sei nach ihrem Tod eine öffentliche und würdige Bestattung verwehrt worden, so Neumann-Becker. Bis heute würden Familien schwer an den Verlusten und Erinnerungen tragen.
Ausstellung als Gesprächsangebot
Außerdem betonte die Landesbeauftragte, Birgit Neumann-Becker, dass sie mit der Ausstellung einen Gesprächsprozess in der Gesellschaft in Gang setzen möchte – zu der Frage: „Wie wollen wir das Erinnern und Gedenken an die Opfer zukünftig gestalten?“ Daher wird die Ausstellung nach einer Woche im Landtag auf Wanderschaft in Schulen, Rathäuser und Vereine in ganz Sachsen-Anhalt gehen.
Schülerinnen und Schüler der Klasse 11a des Naumburger Domgymnasiums stellten im Rahmen der Ausstelungseröffnung ihr Projekt zum Gedenken an das NaumburgerMaueropfer Christian Peter Friese vor. Der Landesvorsitzende des Verbands der Opfer des Stalinismus Sachsen-Anhalt e. V., Dr. Carl-Gerhard Winter, sprach ebenfalls ein Grußwort.
Die Ausstellung ist bis 27. Februar 2019 im Landtag von Sachsen-Anhalt zu sehen.