Anlässlich der gemeinsamen Gedenkveranstaltung des Landtags und der Landesregierung für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2018 kamen Vertreter aus Politik und Gesellschaft im Magdeburger Plenarsaal zusammen. Die Gedenkrede hielt in diesem Jahr der frühere Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert. Es sprachen außerdem Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch und Schülerinnen der Berufsbildenden Schulen „Eike von Repgow“, Magdeburg.
Jeden Tag für Menschenrechte eintreten
Nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz seien die Ausmaße des Völkermords offenbar geworden, erinnerte Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch. Man müsse sich der Vergangenheit stellen, um ein Fundament für die Zukunft zu bauen, zitierte Brakebusch den früheren Bundespräsidenten Horst Köhler. Die Jugend von heute kenne den Nationalsozialismus nur aus Filmen und Büchern. Daher müsse man die Geschichte greifbar halten, indem die Zeitzeugen über sie erzählen.
„Wir alle müssen achtsam sein und dürfen eine neue Gefahr für unsere Demokratie gar nicht erst aufkommen lassen.“ Eine würdevolle Erinnerungskultur sei dafür notwendig. „Für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte müssen wir jeden Tag eintreten.“ Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus habe in Deutschland einen festen Platz in der Gesellschaft, betonte Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch.
„Erinnerung ist eine bleibende Aufgabe“
Es handele sich beim Holocaustgedenktag nicht „um noch einen Gedenktag“ in der Abfolge der verschiedenen Gedenktage in Deutschland, „es ist sozusagen der erste von ihnen“, sagte Bundestagspräsident a. D. Prof. Dr. Norbert Lammert. Er erinnerte an den industrialisierten Massenmord, der Millionen Menschenleben gekostet habe. In den fünf Jahren seines Bestehens seien allein im Konzentrations- und Vernichtunslager Auschwitz über eine Million Menschen ermordet worden – „das ist die Hälfte der Einwohner Sachsen-Anhalts“.
Für die Schrecken jener Jahre seien die Nachgeborenen nicht verantwortlich, für den Umgang mit der Vergangenheit aber schon, machte Lammert klar. Es sei eine bleibende Aufgabe, die Erinnerung an jene Zeit des Nationalsozialismus auch in den nachwachsenden Generationen wachzuhalten.
Der Weg nach Auschwitz habe mit der Zerstörung der Demokratie der Weimarer Republik begonnen, sie sei an ihrer eigenen Unfähigkeit und Unwilligkeit für gemeinsames Handeln gescheitert. Dies habe zur politischen Willkür und Allmacht der Nazis geführt. „Heute leben wir in Deutschland in einer Demokratie, aber sie erhält sich nicht von allein, sondern muss täglich gestaltet und verwaltet werden“, betonte Lammert. Die entsetzlichen Gewalttaten des NSU wie auch der islamistische Terror in Europa und der Welt hätten dies nachdrücklich bewiesen. Dem Antisemitismus müsse in Deutschland auf besondere Weise entgegengetreten werden.
„Beim Antisemitismus reden wir weder über ein rhetorisches noch mentales, sondern über ein handfestes Problem – auch in unserer Gesellschaft.“ Durchschnittlich zwei Mal pro Tag gebe es in Deutschland antisemitische oder antiisraelische Zwischenfälle. Die Zahl der ausländischen Täter stelle dabei nur eine sehr kleine Größe dar. Klar sei: „Wir nehmen diese Gewalt nicht hin und werden sie mit den rechtlichen Mitteln verfolgen.“
„Wer nach Deutschland kommt, wandert ins Grundgesetz ein“, auf dieser Basis werde das gemeinsame Leben gestaltet. „Das ist nicht verhandelbar.“ Das Grundgesetz sagt, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. „Aber die Würde des Menschen ist antastbar – nirgends sonst ist dies so bewiesen worden wie in Deutschland. Dieses Unrechts zu gedenken, schulden wir den Opfern“, schloss Lammert.
Erinnerungsarbeit junger Menschen
Berufsschülerinnen an den Berufsbildenden Schulen „Eike von Repgow“ in Magdeburg berichteten unter anderem von ihrem „Stolperstein“-Projekt und ihrem Engagement für das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus.
„Sorgen um unser Leben, unsere Existenz oder unsere Zukunft müssen wir uns nicht machen. Frieden und Wohlstand lassen es zu, so zu denken. Schnell vergessen wir, was die Millionen von Verfolgten des Nationalsozialismus, aber auch viele unserer Großeltern erleiden mussten. Tagtäglich bangten sie um ihr Leben“, erinnerte Lea Adam.
„Die Auszubildenden unserer Berufsschule sowie Lehrer und Lehrerinnen finden es sehr wichtig, dass die Erinnerungen nicht verblassen“, betonte Alina Mertsching. „Und dass das Leben und Leiden der verfolgten und ermordeten Menschen durch die Nazis durch vielfältige Formen nicht in Vergessenheit geraten. Sei es durch das Verlegen von Stolpersteinen, durch Theateraufführungen, Buchlesungen oder dem Besuch der früheren Konzentrationslager.“
Julia Uschmann und Janine Frank erinnerten indes an die Magdeburger jüdischen Familien Jankelowitz, Blumenthal und Reinhold, die allesamt Opfer des Holocausts wurden. Ihrer wurde später stellvertretend für alle Opfer an den Stolpersteinen gedacht.
Die Gedenkveranstaltung wurde musikalisch umrahmt von der Magdeburger Gruppe „Foyal“.