Das von der Landesregierung initiierte Verkehrssicherheitsprogramm 2021 wurde Anfang September 2017 von Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch als Drucksache an den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr überwiesen. Die Mitglieder des Ausschusses setzten das Programm am Donnerstag, 9. November 2017, auf die Tagesordnung und führten ein Fachgespräch in öffentlicher Sitzung durch. Zu Wort kamen neben Vertretern der Landesregierung auch die Landesverkehrswacht Sachsen-Anhalt sowie der ADFC und der ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt.
Über die Eckpunkte des Landesprogramms
Die Verkehrssicherheitsarbeit der letzten Jahrzehnte habe sich maßgeblich verbessert, erklärte der Staatssekretär im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, Dr. Sebastian Putz. Von bundesweit über 20 000 Verkehrstoten in den 1970er Jahren sei die Zahl der Todesfälle auf knapp über 3 000 gesunken.
Im Mittelpunkt der Bemühungen um mehr Verkehrssicherheit stehe der Mensch selbst, „jeder Verkehrstote ist einer zu viel! Unser Fernziel ist die 'Vision 0': alle kommen an, keiner kommt um“, so Putz. Zielgruppenspezifische Maßnahmen sollen dafür umgesetzt werden.
Zum einen gehe es um die Mobilitäts- und Verkehrserziehung für Verkehrsteilnehmer selbst, zum anderen um mehr Aufklärung, beispielsweise über den Genuss von Alkohol, Medikamenten und Drogen im Straßenverkehr. Hier sollen die sogenannten Peer-Education-Projekte ausgebaut werden, also die Aufklärung durch Gleichaltrige über Gefahren von Drogen und Alkohol im Straßenverkehr. Zudem sollen mehr attraktive Mobilitätsalternativen für nicht mehr fahrtüchtige Senioren geschaffen werden.
Im Bereich der Infrastruktur sollen zukünftig mehr intelligente Verkehrssysteme zum Einsatz kommen. Nachdem Wildunfälle im Jahr 2016 zur Hauptunfallursache Nr. 1 geworden sind, sollen an stark belasteten Unfallstrecken vermehrt akustische und optische Geräte zum Einsatz kommen, um Tiere am Kreuzen der Straßen zu hindern. Im Landesprogramm werde sich darüber hinaus für den verstärkten Einsatz von neuen Fahrassistenzsystemen ausgesprochen. „Die Verbesserung der Verkehrssicherheit ist eine dauerhafte gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, betonte Staatssekretär Putz und warb für eine ressortübergreifende Zusammenarbeit aller Akteure.
Wortmeldungen beteiligter Institutionen
Der Vizepräsident der Landesverkehrswacht Sachsen-Anhalt, Wulf Hoffmann, betonte, es sei bemerkenswert, dass sich die Landesregierung selbst verpflichte, sich in der Zukunft in Sachen Verkehrssicherheit mehr zu engagieren. Seine Institution sei indes bei der Erarbeitung des Programms beteiligt gewesen. Im Sinne einer auskömmlichen Finanzierung der Verkehrssicherheit und Verkehrsprävention seien jedoch hier und dort Finanzierungslücken erkannt worden, beispielsweise bei den Jugendverkehrsschulen im Land, sagte Hoffmann. Die Verkehrswacht regt zudem an – vor dem Hintergrund der zu geringen Personaldichte bei der Polizei –, insbesondere an Unfallhäufungsstellen mehr stationäre Geräte zur Geschwindigkeitsüberwachung zu installieren.
„Es wird wichtig sein, dass die Vernetzung der unterschiedlichen Vereine und Verbände bleibt, die an der Erarbeitung des Verkehrssicherheistprogramms beteiligt gewesen sind“, zeigte sich zunächst Birgit Blaich-Niehaus vom ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt überzeugt. Deren Kollege Felix Höfinghoff ergänzte einige wichtige Punkte aus Sicht des ADACs: „Die zunehmende Digitalisierung hat einen enormen Einfluss auf sämtliche Handlungsfelder der Verkehrssicherheit.“ Auf der einen Seite positive, nämlich durch die guten Sicherheitshilfen durch Fahrassistenzsysteme, auf der anderen auch negative, da die Nutzung von Mediengeräten – zum Beispiel Smartphonenutzung beim Autofahren – das Verkehrsunfallrisiko erhöhten. Hier müsse der Medienkonsum stärkeren Eingang in die Verkehrsicherheitsbildung finden.
„Es gibt im Programm noch Verbesserungspotenzial hinsichtlich des Radverkehrs“, sagte Norman Dreimann vom ADFC Sachsen-Anhalt. „Es gibt keinen toten Winkel, Lkw-Fahrer müssen die entsprechenden Spiegel nur richtig nutzen“, auch löse die Nutzung eines Fahrradhelms nicht – wie es im Programm dargestellt werde – das Unfallproblem. Es müsse in der Öffentlichkeitsarbeit mehr über den Umgang von Auto- und Lkw-Fahrern mit Radfahrern im Verkehr informiert werden.
Thematisiert wurde zudem die Einrichtung oder Erweiterung von Tempo-30-Zonen im Straßenverkehr, sowohl vor schutzwürdigen Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen, aber auch in besonderen Straßenzügen, bei denen man vom Kriterium Verkehrsfluss abweichen können müssen dürfte. Die Planungs- und Überprüfungsmöglichkeiten seien vielfältig, man müsse sie nur ausschöpfen, so der einheitliche Tenor.