Ziel des vorliegenden Antrags der AfD-Fraktion sei nicht die „sofortige Abschaffung“ des derzeitigen öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems. Vielmehr gehe es um die Ingangsetzung eines Prozesses, an dessen Ende eine umfassende Neuordnung stehe. Aus diesem Grund wollte die AfD-Fraktion eine Kündigung aller Staatsverträge, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffen, zum 31. Dezember 2016 erreichen. Der Antrag der AfD wurde am Ende der Debatte mit großer Mehrheit abgelehnt.
„Aktuelle Kamera 2.0“
In Sachsen-Anhalt gebe es 145 000 Menschen mit Beitragsschulden gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sagte André Poggenburg (AfD). Es handle sich nicht um einen Beitrag, sondern eher um eine Form der Besteuerung, da ihm kein individueller Nutzwert entgegenstehe. Mit dieser „Zwangsgebühr“ werde ein milliardenschwerer Medienkoloss finanziert.
Man habe keine Möglichkeit, sich dem zu entziehen, wenn keine entsprechende Nutzung stattfinde, kritisierte Poggenburg. Auch wenn laut AfD Ziel des Antrags „nicht die sofortige Abschaffung des derzeitigen öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems“ sei, wolle sie eine Neubewertung des Sendungsauftrags und ein neues Finanzierungskonzept.
Poggenburg kritisierte eine seiner Meinung nach lückenhafte Berichterstattung und nannte die öffentlich-rechtlichen Anstalten „systemtreues Staatsfernsehen“. Hier werde der westliche Wertekanon gegen eine freie und unabhängige Berichterstattung eingetauscht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe sich zu einer „Aktuellen Kamera 2.0 deplatziert“.
Programmautonomie sichergestellt
„Für den Antrag der AfD gibt es keinen hinreichenden Grund“, versicherte Kulturminister Rainer Robra (CDU). Bei der Rundfunkfreiheit handle es sich um ein besonderes Recht, der öffentlich-rechtliche Rundfunk leiste einen bedeutenden Beitrag bei der öffentlichen Meinungsbildung. Die Landesanstalten haben dabei die Aufgabe, die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Land Ausdruck finden zu lassen.
Das Leistungsangebot der öffentlich-rechtlichen Anstalten folge einer anderen Rationalität als das der marktwirtschaftlichen Anreize der privaten Anbieter. Den Anstalten komme die Programmautonomie zu, sie und ihre Gremien träfen die Entscheidungen über Inhalte und Form des Programms. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stehe nicht unter staatlicher Kontrolle; wie die AfD von systemtreuem Staatsfernsehen zu sprechen, sei schlichtweg abwegig, erklärte Robra. Die kontinuierlich novellierten Staatsverträge gebe es seit mehr als 25 Jahren auch in Sachsen-Anhalt. Diese würden in allen 16 Bundesländern intensiv beraten, eine breitere politische Debatte könne man sich nicht vorstellen, so Robra.
Dass die AfD aus diesem Konsens aussteigen wolle, sei nicht überraschend. Sachsen-Anhalt solle sich aber weiterhin als Teil der Ländergemeinschaft der Rundfunkordnung sehen und den Tabula-rasa-Antrag der AfD-Fraktion ablehnen.
Politische Verschleierungstaktik der AfD
Dr. Falko Grube (SPD) warf der AfD vor, nicht zu wissen, wovon sie rede: „Wenn Sie die Angebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht nutzen, frage ich mich, wie Sie Ihre Informationen darüber erhalten.“ Die AfD wolle die Rundfunkverträge aufkündigen, weil sie der Ansicht sei, sie würden schlecht über die Partei berichten. Das sei Teil der politischen Verschleierungstaktik der AfD: „Sie wollen bestimmen, was gute und was schlechte Inhalte sind“, sagte Grube an die AfD gewandt, „und weil Sie das hier im Landtag beschließen wollen, ist das nichts anderes als staatliche Zensur, und das ist mit den anderen vier Fraktionen hier nicht zu machen.“
Schräge Logik der AfD
Moderne Demokratie brauche auch einen modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, betonte Stefan Gebhardt (DIE LINKE). Natürlich erhalte man positive Rückmeldung, wenn man die Leute frage, ob der Rundfunkbeitrag abgeschafft werden solle. Man solle stattdessen aber fragen, wie die Leute mit den Konsequenzen umgingen: Was halten Sie davon, wenn es keinen MDR, keinen werbefreien Kinderkanal mehr geben würde? Die AfD verfolge eine schräge Logik: Weil es in Sachsen-Anhalt so viele Beitragsschuldner gebe, soll der Beitrag abgeschafft werden. Wegen der Steuerschuldner werde doch auch nicht die Steuer abgeschafft, sinnierte Gebhardt.
Transparent, seriös und lernfähig
Die Basis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätten 1945 die Westalliierten geschaffen. „Sie wollten die Menschen erreichen und für die Demokratie gewinnen und die braune Ideologie aus ihren Köpfen verbannen – dieser Auftrag ist nach wie vor aktuell“, konstatierte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).
Die Rundfunkstaatsverträge sicherten die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks; der Antrag der AfD sei als Generalangriff auf die Sendeanstalten zu verstehen. Die Kündigung der Verträge soll zu einer „Umgestaltung“ der Sendeanstalten führen; „aber man kündigt ja auch nicht den Mietvertrag, wenn man seine Wohnung renovieren will“.
Er sei faktisch auch falsch. Deutschland leiste sich nicht den teuersten Rundfunk der Welt, sondern befinde sich im europäischen Mittelwert, so Frederking. Der AfD sei nicht an einer sachlichen Diskussion gelegen, sondern sie wolle lediglich negative Stimmung machen. Der Antrag der AfD sei voll pauschaler Vorwürfe, ohne diese zu belegen. Es sei angeraten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk lieber konstruktiv zu kritisieren und weiterzuentwickeln, denn er sei nicht fehlerfrei – aber transparent, seriös und lernfähig.
Aufkündigung nicht der richtige Weg
Am 1. August 1984 habe in der Bundesrepublik das duale System des Rundfunks begonnen, die Trennung von öffentlich-rechtlich und privat, erinnerte Markus Kurze (CDU). Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kämen drei Funktionen zu: die Forumsfunktion, die Legitimations- und Kontrollfunktion sowie die Integrationsfunktion. Durch eine öffentliche Kommunikation sollen die Bürger als aktive Mitglieder der Gesellschaft partizipieren. Man müsse sich fragen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Aufgaben noch erfülle.
Mit 39 und 44 Prozent dominierten ARD und ZDF den Vergleich als Informationsanbieter mit den Privatsendern RTL, Sat.1 und ProSieben mit 24; 14 beziehungsweise 8 Prozent. Letztere betrieben die Ausweitung der Unterhaltung zu Lasten der Information. Nur die Formate des öffentlich-rechtliches Rundfunks böten die Möglichkeit, politische Themen gesellschaftlich zu diskutieren.
Man müsse sich allerdings der vielen Kritikpunkte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk annehmen, beispielsweise der Verwendung von einseitigem Bildmaterial bei der Flüchtlingskrise. „Wir müssen uns was einfallen lassen“, betonte Kurze, „aber die Aufkündigung der Verträge ist nicht der richtige Weg“.
Kündigung wegen zu großer Kosten
Die AfD habe den Antrag eingebracht, weil die Bürger mit dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unzufrieden seien, erklärte Mathias Lieschke (AfD). Er kritisierte die Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten an zahlreichen Unternehmen und Produktionsfirmen. Es sei insgesamt nur schwer nachzuvollziehen, wofür die Beiträge verwendet werden. Aufgrund der großen Kosten (in den Jahren 2013 bis 2016 arbeiteten die ARD mit 27,8 Milliarden Euro, das ZDF mit 8,9 Milliarden Euro und das Deutschlandradio mit 933 Millionen Euro) spreche sich die AfD für die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge aus.
Am Ende der Debatte wurde der Antrag mit 60:25:2 Stimmen abgelehnt.