Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hielt am Donnerstag, 2. Juni, seine erste Regierungserklärung in der 7. Legislaturperiode. Er stellte sie unter den Titel „Verlässlich, gerecht und nachhaltig – Kontinuität und neue Perspektiven für Sachsen-Anhalt“. Im Anschluss nahmen die Vertreter der Fraktionen Stellung zu den Aussagen des Ministerpräsidenten und brachten eigene Gesichtspunkte ein.
„Die Welt schaut auf Sachsen-Anhalt“
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU) warb mit seiner Regierungserklärung für eine Politik der Kontinuität und neuen Perspektiven. Man könne selbstbewusst und stolz auf das Land sehen, und nicht nur im Lutherjahr und beim Bauhausjubiläum schaue die Welt auf Sachsen-Anhalt. Seit 1990 stelle man sich den Herausforderungen der Gegenwart.
Der Umbau des Landes sei ein bespielloser Kraftakt gewesen, der mit der Unterstützung der Länder, des Bundes und der Europäischen Union geleistet worden sei. Es sei gelungen, die letzten Landeshaushalte ohne Neuverschuldung zu verabschieden und die Tilgung der Altschulden voranzubringen. Ein wichtiges Anliegen, bedenkt man, dass im Jahr 2019 der Solidarpakt II ausläuft und Sachsen-Anhalt dann finanziell noch mehr auf sich selbst gestellt sein wird.
„Wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, das ist die Reifeprüfung für unsere Gesellschaft“, betonte Haseloff. Es gehe darum, die Grundpfeiler der Gesellschaft – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Respekt – zu wahren. „Ausgrenzung und Abschottung, verbale Entgleisungen und Gewalt sind nicht akzeptabel.“ Eine gezielte und gesteuerte Zuwanderungspolitik führe zu wirtschaftlicher Stärkung und kultureller Bereicherung. Die Zahl der Flüchtlinge sei rückläufig. „Wir fördern Integration, aber wir fordern sie auch ein, das Erlernen der deutschen Sprache ist dabei ein integraler Bestandteil.“
Mehr Impulse für die Wirtschaft
Noch immer bestehe ein deutliches West-Ost-Gefälle in der Wirtschaftskraft der Länder. Der Arbeitsmarkt müsse weiterentwickelt werden, damit auch jene, die schwer Zugang fänden, vermittelt werden könnten. Unternehmensgründer sollen besser unterstützt, die Hochschulen noch bessere Keimzellen für Startups werden. Bereits in den Schulen soll für das Thema Unternehmensgründung geworben werden.
Ein Unternehmen zu gründen, sei eine hohe ethische Leistung – denn man übernehme Verantwortung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer. Das Fördermittelcontrolling soll im gleichen Zuge verbessert werden. Haseloff kündigte an, das Landesvergabegesetz evaluieren und weiterentwickeln zu wollen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll verbessert werden.
Indem das Landesmarketing weiterentwickelt werde, könne man Sachsen-Anhalt stärker als modernes, selbstbewusstes und weltoffenes Land präsentieren. Es sei ein anerkannter Medienstandort – auch für internationale Filmprojekte. Die Tourismuswirtschaft habe eine positive Entwicklung genommen, die Übernachtungszahlen stiegen kontinuierlich. Das Profil als Kulturreiseland müsse aber noch geschärft werden – Sachsen-Anhalt sei nämlich mehr als Reformation und Bauhaus. Im Koalitionsvertrag hat man sich darauf verständigt, jährlich ein Prozent, mindestens aber 100 Millionen Euro des Haushalts für die Kultur einzusetzen.
Kitas, Schulen, Hochschulen
In Sachen Bildung hat sich die Koalition einiges vorgenommen. Der Grund: „Nur mit Bildung gibt es eine gute Zukunft“, konstatierte Haseloff. An den Schulstrukturen an sich soll es keine Änderungen geben. Planungssicherheit für die Hochschulen zu schaffen, steht auf der Agenda, ebenso die Stärkung deren Autonomie. Durch eine Gesetzesnovelle soll beispielsweise in naher Zukunft die vollständige Übertragung des Berufungsrechts an die Hochschulen übergehen. Ab 2017 würden die Kosten für das Bafög in Höhe von 30 Millionen Euro vom Bund übernommen, die Landesmittel sollen dann direkt in die Hochschulen fließen. Es werde, kündigte Haseloff an, keine Privatisierung oder Teilprivatisierung der Hochschulklinika geben. Stattdessen würden ein Herzzentrum in Magdeburg und ein neues Bettenhaus in Halle errichtet.
Infrastruktur und Sicherheit
Auch in Sachen Infrastruktur hat die Koalition einiges auf dem Zettel: Man wolle attraktive und leistungsfähige Verkehrsverbindungen zu Wasser, Schiene und Straße und in diesem Jahr noch einen Landesradverkehrswegeplan. Flächendeckendes Internet in ganz Sachsen-Anhalt sei ein wichtiges Ziel, um benachteiligte ländliche Regionen zu stärken. „Auf dem Dorf oder in einer kleinen Stadt zu leben, darf kein Nachteil sein“, so der Ministerpräsident.
Das Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz soll noch in diesem Jahr novelliert werden, darüber hinaus werde ein Sonderförderprogramm für Einsatzgeräte und Fahrzeuge aufgelegt. Verbesserungen werde es auch im Bereich der Polizei geben, die Zahl der Polizeibeamten soll zunächst auf 6400, dann auf 7000 steigen. Die Arbeits- und Ausbildungspraxis in den Anstalten der Justiz soll ebenfalls verbessert werden. Die derzeitigen Justizstandorte im Land blieben erhalten. Spezielle Fortbildungen soll es für den Umgang mit Hasskriminalität geben.
Haseloff nannte seine neue Landesregierung eine „stabile Regierung der Mitte“. Die Chancen der Zuwanderung seien sehr viel größer als die Risiken; „nur ohne Verzagtheit werden wir das Land voranbringen“.
Poggenburg: „Unheiliger Pakt mit linksradikaler Kleinpartei“
Deutschland befinde sich in einer Zeit des Umbruchs und überfälliger Besinnung, erklärte André Poggenburg, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Man sei auf der Suche „nach einem Gleichmaß von alten Werten, Turboglobalisierung und Verfall nationaler Werte“. Viele Umbrüche sorgten für Ängste in der Bevölkerung, denn alles Neue sei nicht auch gleichzeitig etwas Gutes: „Die AfD folgt Gott sei Dank keiner ideologischen Entwicklung“, so Poggenburg.
Die Altparteien in Sachsen-Anhalt nähmen den Wählerwillen nicht ernst – aus dem niedersten Beweggrund, dem Festhalten an der Macht. Sie hätten sich zusammengeschlossen, um das Land gemeinsam zu regieren oder besser zu ruinieren. Sie seien einen unheiligen Pakt mit einer linksradikalen Kleinpartei (Grüne) eingegangen, dem niemals Positives entspringen könne, so Poggenburg.
Der Fraktionsvorsitzende bezeichnete die AfD als „langersehnte Alternative zum Merkel-Kartell“, die zur Erhöhung der Wahlbeteiligung geführt habe. Echte gelebte Demokratie erfahre erst mit der AfD einen wirklichen Aufschwung. Poggenburg kritisierte, dass es gerade von rot-rot-grüner Seite wenig Demokratieverständnis, Toleranz und Respekt für AfD-Wähler und -Abgeordnete gebe, die gerade nicht der Multikulti-Doktrin folgen wollen. „Hetze gegen die AfD“ warf er Ministerpräsident Haseloff und der grünen Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert vor.
Poggenburg wandte sich zudem gegen den „inflationären Gebrauch des Begriffes Rassismus“: Kein echter Flüchtling erreiche Deutschland, da sie alle über sichere Herkunftsländer kämen. Von einer notwendigen Einwanderung könne gar nicht gesprochen werden. „Deutschland und somit auch Sachsen-Anhalt haben genug eigenes Potenzial im deutschen Volk.“
Im Anschluss an den Redebeitrag Poggenburgs verließ die AfD-Fraktion geschlossen den Plenarsaal, um sich bei einer Demonstration zur Abwasserthematik vor dem Landtag zu zeigen. Die vier anderen Fraktionen hatten jeweils ihre dafür verantwortlichen Abgeordneten zur Demonstration entsandt. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde die Sitzung ohne die AfD fortgesetzt.
Pähle: Sorgen für einen sozialen Ausgleich
Dr. Katja Pähle, Vorsitzende der SPD-Fraktion, die direkt nach AfD-Landeschef Poggenburg sprach, eröffnete ihren Redebeitrag mit einem Zitat des deutschen Künstlers Max Liebermann: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Poggenburgs Rede sei eine Aneinanderreihung von Beleidigungen, Diffamierungen und Unterstellungen gegenüber den demokratischen Parteien gewesen. „Das ist keine Politik, das ist ‚Angst fressen Seele auf‘ – genau das macht diese Partei.“
Politik gerechter, verständlicher und bürgernäher zu machen, sei Teil des sozialdemokratischen Beitrags in der ungewöhnlichen und ungewohnten schwarz-rot-grünen Regierungskonstellation. Gemeinsam werde man für einen sozialen Ausgleich sorgen. Der Koalitionsvertrag beinhalte „konkrete Vorhaben, die wir umsetzen wollen“, darunter kommunal- und bürgerfreundliche Sofortmaßnahmen.
Laut Ansinnen der SPD sollen kleine und mittelständische Unternehmen gestärkt werden; auch der öffentlich geförderte Arbeitsmarkt soll aufrechterhalten werden. Jeder soll die Möglichkeit haben, sich sinnvoll in die Gemeinschaft einzubringen, so Pähle. Die Koalition arbeite an dauerhaft gesicherten Investitionen in die Bildung (frühkindliche Erziehung), die Hochschulen und in die Industrie.
Die AfD halte nichts von freier Entfaltung, und sie schmücke sich auch noch damit, so Pähle. Es komme auf alle Partner der Zivilgesellschaft an, sich dem entgegenzustellen. „Wir haben viel dazugewonnen, indem Menschen und Ideen zu uns gekommen sind – nicht nur in den letzten Jahren, sondern Jahrzehnten und Jahrhunderten“, erklärte Pähle. Den Menschen, die zu uns kommen, soll eine Perspektive geboten werden. In der Integration sieht die SPD die Grundlage für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das Land könne seine Entwicklungspotenziale nur ausschöpfen, wenn sich jeder mitgenommen fühle.
Knöchel: Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg
Nach vierzig Minuten rassistischer Parolen habe die AfD dem Volk noch eine Audienz gewähren wollen, rekapitulierte Swen Knöchel, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, die Rede Poggenburgs und den anschließenden Auszug der Fraktion zu einer Kundgebung vor dem Landtag. Zu Sachsen-Anhalt habe sich Poggenburg allerdings nicht geäußert.
Knöchel freute sich, dass die Regierungserklärung Haseloffs nicht allein mehr die Sachzwanglogik der vergangenen Jahre unterbreitet habe. Der verbreitete Optimismus wirke aber bisweilen doch bemüht, Kritisches würde oftmals ausgeblendet. Haseloff solle klar sagen: Hier stehen wir und da wollen wir hin, auf diesem Weg.
Eine Fortführung des Alten sei nicht gewünscht. Knöchel habe den neuen Koalitionsvertrag zwar mit großem Wohlwollen gelesen, doch noch sei er ein Katalog des Sollens und Wollens. Die Zeit und die Finanzierung der Umsetzung des Geplanten seien noch unklar. Die Schwächen und Probleme der vergangenen Legislaturperiode sollen angegangen werden; aber die Koalition dürfe nicht alleine eine Reparaturbrigade sein.
Um Sachsen-Anhalt sei es nicht bestens bestellt, stellte Knöchel fest. Das in Deutschland verzeichnete Wachstum komme bei den unteren Schichten nicht an. Der von Haseloff vorgebrachte Paradigmenwechsel müsse sich jetzt im Land vollziehen. Für die Linken sei vor allem die Bildung (von der Kita bis in die Hochschulen) der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg.
„Echte und ernsthafte Politik“
Cornelia Lüddemann, Vorsitzende der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, betonte, dass die Koalition echte und ernsthafte Politik für die Neuausrichtung unseres Landes machen wolle. Die Politik solle verlässlich, gerecht und nachhaltig gestaltet sein. Die gemeinsame Politik solle freilich auch das Zeichen setzen, dass demokratische Parteien zusammenarbeiten können und sich für die Wahrung der Demokratie einsetzen. „Im Gegensatz zur AfD gilt unser Demokratieverständnis für alle Menschen.“
Politik solle mit den Menschen und Fachleuten gestaltet werden. Die Politik und die Veränderungen, zu denen sie führt, sollen vor Ort spürbar sein, sagte Lüddemann. Die Koalition sei von einem gemeinsamen Wollen getragen. Man wolle zeigen, dass tatsächlich im Interesse der Menschen umgesteuert werden könne.
Borgwardt: „Dreierbündnis der Vernunft“
Das Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen sei angesichts des Wahlergebnisses in Sachsen-Anhalt eine Koalition der Vernunft, betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Siegfried Borgwardt. Man habe miteinander diskutiert und gestritten und Kompromisse gefunden. Der Koalitionsvertrag sei eine solide Grundlage für die politische Zusammenarbeit der nächsten fünf Jahre.
Man werde dem Rassismus genauso entgegentreten wie der Intoleranz, die CDU stehe für Demokratie und ein weltoffenes Sachsen-Anhalt. Die besonderen Ängste und Sorgen eines Teils der Bevölkerung würden ernst genommen.
Mit einer soliden und nachhaltigen Finanzpolitik sollen wirtschaftliche Stärke und soziale Gerechtigkeit vorangebracht werden. Die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen stünden dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Bildungspolitik und der Umweltschutz. „Wir arbeiten akribisch an der Finanzausstattung der Kommunen, um ihnen mehr Planungssicherheit zu ermöglichen“, sagte Borgwardt.
Bei der Energiewende soll Sachsen-Anhalt seine führende Rolle behalten. Die Deichsanierung und die Schaffung von Retentionsflächen würden ebenso vorangebracht wie die Vollendung von Verkehrsprojekten (Westumfahrung Halle, Nordverlängerung A 14). „Lassen Sie uns gemeinsam zum Wohle des Landes und seiner Menschen an die Arbeit geben“, forderte Borgwardt die Mitglieder des Landtags abschließend auf.
Beschlüsse wurden am Ende der Regierungserklärung und der Aussprache nicht gefasst.