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Plenarsitzung

Opposition fordert Rücktritt Bullerjahns

Der Streit um den Zinserlass für die Schlossgruppe Neugattersleben ist kurz vor der Sommerpause Thema einer hitzigen Aktuellen Debatte im Landtag gewesen. Auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde insbesondere die Rolle des Finanzministers Jens Bullerjahn beleuchtet. 

Ministerpräsident Haseloff warnte davor, „den vorliegenden Fall nicht zum Nachteil unseres Landes zu instrumentalisieren“ und bat die Opposition „um größere Zurückhaltung und eine vorurteilsfreie Herangehensweise“ bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Foto: W. Klapper/Landtag

Der Landesrechnungshofpräsident hatte den Steuernachlass in der vergangenen Woche öffentlich kritisiert und vertritt – entgegen der bisherigen Darstellungen des Finanzministeriums – die Auffassung, dass dieses sehr wohl an der Entscheidung beteiligt gewesen sei. Zudem sei die Entscheidung, der Schlossgruppe insgesamt 270 000 Euro Zinsen zu erlassen, nicht mit geltendem Steuerrecht vereinbar, heißt es aus dem Landesrechnungshof. Bei der Schlossgruppe Neugattersleben handelt es sich um Tochterfirmen einer Unternehmensgruppe, die mehrheitlich im Besitz der Familie des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Klaas Hübner ist.

Meister: Persönliche und politische Interessen trennen

Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erklärte, freundschaftliche Beziehungen zwischen Politikern und Unternehmern seien völlig normal und per se nicht skandalös. Allerdings müssten die persönlichen Interessen immer strikt von den politischen getrennt werden. Ob dies beim Zinserlass für die Schlossgruppe Neugattersleben der Fall gewesen sei, bezweifelte Meister. Auch wenn die genauen Entscheidungsfindungsprozesse nicht bekannt seien, würden die bisher bekannten Details und die zeitliche Abfolge der Ereignisse einen „bösen Schein“ ergeben. Aufgabe des Ministers wäre es, diesen zu entkräften und zur Aufklärung der Vorgänge beizutragen, dies geschehe jedoch nicht.

Meister argumentierte weiter, dass selbst von Regierungsseite das Vorgehen als „nicht die reine Lehre“ bezeichnet  wurde, für den Grünen-Abgeordneten schlicht ein Euphemismus für „rechtswidrig“. Selbst wenn es stimme, dass der Finanzminister nicht an der Entscheidung zum Zinserlass beteiligt gewesen sei, trage er dennoch die Verantwortung, weil er die Augen davor verschlossen habe, dass sein Freund steuerliche Vorteile erhalten hat. Harsche Kritik übte Meister auch an der nachträglichen Erklärung des Finanzministeriums, es handle sich bei dem Vorgang um eine „tatsächliche Verständigung“, diese sei jedoch nicht protokolliert und nicht schriftlich abgefasst, sondern nur mündlich getroffen worden. Sein Fazit: „Schon wieder hat die Landesverwaltung zu Gunsten eines Freundes rechtswidrig entschieden.“ Daher müssten unbedingt persönliche Konsequenzen erfolgen.

Ministerpräsident gibt Bullerjahn Rückendeckung

Die Opposition habe es zurzeit besonders schwer, weil die Regierungsarbeit gut funktioniere, wie der Nachtragshaushalt zeige, erklärte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). Sein Credo sei es immer gewesen, die Sachsen-Anhalter zu motivieren und nicht zu demotivieren. Er verurteilte die Verletzung des Steuergeheimnisses durch die öffentliche Debatte über den Fall und verwies darauf, dass das Finanzministerium umfangreiche Recherchen zur Aufklärung des Falls eingeleitet habe und bis Ende Juli umfassend Stellung dazu nehmen werde. Die politische Kultur gebiete es, diese Vorgänge abzuwarten, sagte Haseloff. Außerdem warnte er davor, „den vorliegenden Fall nicht zum Nachteil unseres Landes zu instrumentalisieren“ und bat die Opposition „um größere Zurückhaltung und eine vorurteilsfreie Herangehensweise“ bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.

Schröder: „oppositionelle Hau-Drauf–Methodik“

Die CDU-Fraktion habe in den letzten Wochen immer wieder betont, dass die Prüfungsmitteilungen des Landesrechnungshofes ernst zu nehmen sind und eine Aufarbeitung der Ereignisse notwendig ist. Eine „politische Vorverurteilung“ werde es mit der CDU jedoch nicht geben, erklärte CDU-Fraktionsvorsitzender André Schröder. Er begrüßte die Stellungnahme des Finanzministeriums und das darin formulierte Ziel im Nachhinein Transparenz in das Geschehen zu bringen. Dem Minister müsste nun auch die Möglichkeit gegeben werden, die Sachverhalte aufzuklären.

Mit Blick auf die Opposition sagte Schröder, das Vorgehen der Opposition habe Methode, auch die Tagesordnung des Juli-Plenums strotze vor „oppositioneller Hau-Drauf–Methodik“. Anstatt wirkliche Aufklärung betreiben zu wollen, betrieben manche eine politische Vorverurteilung. Es sei wichtig, weitere Aufarbeitung zu leisten, die „Hau-Drauf-Kultur“ der Opposition lehnt die CDU-Fraktion allerdings ab, diese sei „unseriös“ und passe nicht zu den teils sehr komplexen Vorgängen. „Eine Beurteilung sollte nach der Erkenntnis und nicht nach Hörensagen erfolgen“, mahnte Schröder abschließend.

Dr. Thiel: Minister nicht mehr geeignet

Die Wahrheit sei in den vergangenen Tagen und Monaten nur „tröpfchenweise“ ans Licht gekommen, mit Transparenz habe dies wenig zu tun, kritisierte Dr. Frank Thiel (DIE LINKE). Der Finanzminister müsste sich über die Konsequenzen im Klaren sein, wenn er in Landtagsdokumenten falsche Aussagen mache. Thiel bezog sich dabei auf die Antworten des Finanzministeriums zu drei Kleinen Anfragen des Kollegen Leimbach zur Frage von Steuerprüfungen bei Unternehmen, an denen die IBG beteiligt war. Auch deshalb sei der Finanzminister für die weitere Amtsführung  nicht mehr geeignet.

Die Argumentation des Finanzministeriums zu dem Fall, überzeugt den Linken-Abgeordneten nicht. Thiel stellte die Frage, warum die Oberfinanzdirektion im vorliegenden Fall derart abweichend entschieden habe als üblich? Seine Fraktion teilt die Auffassung des Landesrechnungshofes, dass das Vorgehen der Oberfinanzdirektion der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen widerspricht und mit geltendem Steuerrecht nicht zu begründen ist. Allein die Landesregierung sei nicht in der Lage dies zu erkennen.

Budde mahnt, sich auf Sachebene zu konzentrieren

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katrin Budde plädierte dafür bei einer Sachbewertung der Vorgänge zu bleiben, dies sei für die politische Kultur am besten. Sie zeigte sich überzeugt, dass Finanzminister Bullerjahn seinen Teil zur Aufklärung beitrage und leisten werde. Es wäre zudem nicht das erste Mal, dass der Landesrechnungshof seine Meinung ändert, wenn entsprechende Vorwürfe durch Stellungnahmen ausgeräumt werden konnten. Den Vorwurf der Grünen, der Zinserlass sei rechtwidrig gewesen und es könne sich nicht um eine „tatsächliche Verständigung“ gehandelt haben, entkräftete Budde. Aus Sicht des Finanzministeriums habe das Vorgehen dazu beigetragen, Rechtsbehelfe und Kosten zu vermeiden und für steuerliche Mehreinnahmen gesorgt.

Für den Finanzminister spreche zudem eine Formulierung des Landesrechnungshofes, dass es „keine Anhaltspunkte“ für eine direkte Einflussnahme gebe, argumentierte Budde. Ihrer Ansicht nach belege dies, dass die Oberfinanzdirektion eigenständig entschieden habe. Sie bescheinigte Bullerjahn ein gutes Krisenmanagement, er habe alle Vorgänge rund um die Steuerprüfung  der Schlossgruppe Neugattersleben detailliert aufarbeiten lassen und konsequent öffentlich gemacht. An die Opposition gewandt erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende, sie könne nicht verstehen, wie innerhalb eines Monats aus einer Aktuellen Debatte „zum kollektiven Versagen der IBG“ ein „Fall Bullerjahn“ werden könne.

Prof. Dalbert sieht Ansehen der Politik in Gefahr

Natürlich sei es für den Ministerpräsidenten eine unbequeme Forderung, dass neun Monate vor den Landtagswahlen der Finanzminister zurücktreten soll, zeigte Grünen-Fraktionschefin Prof. Dr. Claudia Dalbert Verständnis. Im Zweifel wäre dies vielleicht das Ende der Koalition, würde zu vorgezogenen Neuwahlen führen und die Presselage sei derzeit ja auch schwierig, sagte Dalbert. Allerdings müsste jeder kleine Angestellte in Sachsen-Anhalt für seine Fehler gerade stehen, nur die Landesregierung übernehme für gar nichts Verantwortung. Dies könnte man den Menschen nicht mehr erklären, das mache sie wütend und bedrückt. Auf diese Weise entstehe nämlich der Eindruck: „man kann hier Politik machen und muss nicht die Verantwortung dafür übernehmen und das ist zum Nachteil unseres Landes.“ 

Am Ende einer Aktuellen Debatte werden keine Beschlüsse gefasst.