Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdienen Frauen durchschnittlich weiterhin 22 Prozent weniger als Männer. Während die Lohnunterschiede sich im Westen in den vergangenen Jahren leicht angeglichen haben, sind sie im Osten sogar etwa größer geworden. Anlässlich des Equal-Pay-Day, der in diesem Jahr am 20. März stattfand, hat die SPD-Fraktion eine Aktuelle Debatte zum Thema „Entgeltgleichheit verwirklichen – Lohnlücke endlich schließen“ beantragt. Ihrer Ansicht nach, ist Transparenz eine wichtige Voraussetzung, um Einkommensgleichheit zu erreichen.
„Gerechtigkeitszwerg bei der Einkommensgleichheit“
„It’s a man’s world…” Die Aussage des Songs von James Brown aus dem Jahr 1966 gelte heute immer noch, auch wenn Frauen natürlich schon sehr viel erreicht hätten, sagte Katrin Budde (SPD) eingangs der Aktuellen Debatte. Am Ende zähle, was Frauen zwischen Daumen und Zeigefinger hätten und hier gebe es leider immer noch keine Gleichberechtigung. Derzeit betrage die durchschnittliche Lohnlücke 22 Prozent. Diese gesellschaftliche Ungerechtigkeit gehöre abgeschafft. Außerdem sei die Lohnlücke peinlich, denn in Europa belege Deutschland den drittletzten Platz in puncto Einkommensgleichheit. Budde sagte: „Der Wirtschaftsriese Deutschland ist ein Gerechtigkeitszwerg bei der Einkommensgleichheit“.
Die Ursachen für die Lohnunterschiede seien vielseitig: Frauen arbeiteten öfter in Teilzeit, typische Frauenberufe seien grundsätzlich schlechter bezahlt und im Zweifel seien es die Frauen, die sich für Familie und gegen Karriere entschieden. In der Folge führten die Lohnunterschiede zu geringeren Renten von Frauen und damit höherer Altersarmut. Aus all diesen Gründen unterstützt Budde die Initiative von Bundesministerin Schwesig, noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Die SPD-Abgeordnete beendete ihre Rede ebenfalls mit James Brown, der singt nämlich nicht nur „It’s a man’s world…”, sondern die Zeile geht weiter mit „…but it wouldn’t be nothing without a woman or a girl”.
Arbeitsgruppe auf Länderebene ist dran
Justizministerin Prof. Dr. Angela Kolb (SPD), die auch für Gleichstellungsfragen zuständig ist, stimmte ihrer Fraktionskollegin in allen Punkten zu und erläuterte, was auf Bundesebene derzeit versucht werde, um die Lohnlücke zu schließen. Demnach wurde eine länderübergreifende Arbeitsgruppe der Gleichstellungsminister gegründet, die Experten aus verschiedenen Ländern angehört habe. Daraus sind ungefähr 60 Handlungsvorschläge entstanden, die Anfang Juli bei der nächsten Konferenz der Gleichstellungsminister beraten werden sollen.
Nach Ansicht der Ministerin helfe nicht ein Gesetz allein, um die Situation zu ändern, sondern es sei ein ganzes Bündel an Maßnahmen notwendig. Über allem stehen jedoch die Lohntransparenz und die Überprüfung der Tarifverträge auf strukturelle Lohndiskriminierung. Außerdem sei es wichtig, dass sich auch im Bewusstsein der Arbeitgeber etwas ändere. Oftmals werde noch das Gefühl suggeriert, die Frauen seien ja selbst schuld, wenn sie in Teilzeit arbeiteten oder sich die geringer bezahlten Branchen aussuchten. Kolb denkt, „dass sich diese Dinge nicht durch den Markt regeln werden“, daher wolle sie sich dafür einsetzen, dass die Verbesserungsvorschläge konkret werden.
„Gesellschaftliches roll back verhindern"
Die Gerechtigkeitslücke müsse auch von Männern als solche verstanden werden, erst dann könnte das Problem wirklich gelöst werden, erklärte Wulff Gallert (DIE LINKE). Er kritisierte, dass zwar alle Fraktionen im Landtag am Rednerpult immer beteuerten, dass sie sich für gleiche Löhne einsetzen wollen, dass die Landesregierung aber in der Praxis nichts dafür getan habe. Die Zusammensetzung der Landesregierung selbst (nur eine Ministerin) sei ein schlechtes Beispiel dafür. Durch die AfD komme ein konservatives Familienbild gerade wieder in die Diskussion und auch in Reihen der CDU seien einige diesem gegenüber nicht abgeneigt, so der Linken-Abgeordnete. Seine Fraktion werde dafür kämpfen dieses „gesellschaftliche roll back“ zu verhindern, „in dem die Männer das Sagen haben und die Frauen nur dazugehören“.
Seiner Ansicht nach, verlange die Arbeitswelt den Menschen derzeit zu viel ab. Sie könnten nicht omnipräsent und immer noch flexiblerer sein oder permanent durch die Gegend geschickt werden (Arbeitsplätze außerhalb des Wohnortes). Diese Politik gehe zu Lasten der Familien und häufig der Frauen, weil sie dann auf die Karriere verzichteten. Gallert plädierte daher dafür, dass eine Personalpolitik entwickelt wird, die es Männern und Frauen ermöglicht, Familie und Beruf zu vereinbaren. Außerdem sprach er sich für das sogenannte „Gender Budgeting“ und die Abschaffung des Ehegattensplittings aus, das seiner Meinung nach eine Belohnung von Gehaltsunterschieden“ sei.
„Chancen- ist nicht gleich Ergebnisgleichheit"
Angela Gorr (CDU) sagte, dass auf Bundesebene im Koalitionsvertrag deutliche Schritt zur Lohnangleichung vereinbart wurden. Arbeitgeber und Gewerkschaften müssten an einem Strang ziehen, es wäre gut, wenn mehr Frauen bei Tarifverhandlungen am Tisch sitzen würden. Daneben gelte es jedoch auch noch „viele Hürden im Kopf zu überwinden“, die über ein Gesetz hinausgingen, so Gorr. Sie ermunterte Frauen, sich noch stärker in die Gremienarbeit einzubringen.
Die CDU-Abgeordnete erläuterte, dass Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren viel unternommen hätte, zum Beispiel um auf die Berufswahl von Mädchen einzuwirken. Trotzdem entschieden sich weiterhin viele für klassische Frauenberufe. Hier gelte es darüber nachzudenken, wie typische Frauenberufe finanziell besser anerkannt werden könnten. „Der Wert der Arbeit darf keine Frage des Geschlechts sein“, betonte Gorr. Der Staat könne jedoch nicht alles regeln und Chancengleichheit sei nicht identisch mit Ergebnisgleichheit.
Handlungsoptionen müssen genutzt werden
In Sonntagsreden seien sich zwar alle einig, dass die Lohnlücke abgeschafft gehöre, in der Realität sehe dies aber anders aus, kritisierte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Der Landtag und die Landesregierung könnten sehr wohl etwas tun, um die Situation zu verbessern, es müssten nur die richtigen politischen Weichen gestellt werden. Dalbert machte einige Vorschläge: Im Teilzeit- und Befristungsgesetz müsse die sachgrundlose Befristung abgeschafft werden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehöre weiter verbessert, nicht nur im Hinblick auf eine Babypause, sondern auch wenn es um die Pflege erkrankter Eltern geht.
Des Weiteren sprach die Grünen-Abgeordnete auch die – von ihrer Fraktion bereits mehrfach angesprochene – verbindliche Berufsorientierung ab der fünften Klasse an, ebenso wie das „Gender Budgeting“. Dalbert sagte, es liege an uns, ob wir so etwas in Sachsen-Anhalt einführen oder nicht. Darüber hinaus sei ein Entgeltgleichheitsgesetz unumgänglich, dieses müsste am Ende auch klare Fristen und Sanktionen für Firmen enthalten, die sich nicht daran halten. Außerdem sprach sie sich für ein Verbandsklagerecht aus, denn die Lohnungleichheit sei kein individuelles sondern ein gesellschaftliches Problem.
Am Ende der Aktuellen Debatte wurden keine Beschlüsse gefasst.