Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) sorgt für Unmut in Sachsen-Anhalt. In einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Finanzen hatten Bürgermeister und Landräte am Mittwoch, 5. November, Gelegenheit, ihre Sicht auf den Gesetzentwurf darzulegen und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge einzubringen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Kommunen im nächsten Jahr 92 Millionen Euro weniger als in diesem Jahr erhalten. 2016 will der Finanzminister noch einmal 116 Millionen Euro weniger zahlen.
Ergebnisse in Kürze
Im Rahmen der öffentlichen Anhörung haben sich alle anwesenden Oberbürgermeister und Bürgermeister gegen weitere Kürzungen im Zuge des neuen Finanzausgleichsgesetzes ausgesprochen. Stattdessen plädierten sie dafür, sich die nötige Zeit zu nehmen, um gemeinsam eine neue Berechnungsgrundlage für den Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen zu ermitteln. Bei weiteren Kürzungen könnten viele Kommunen die ihnen übertragenen Aufgaben nicht mehr vollständig erfüllen. Außerdem würde die Schere zwischen armen und reichen Kommunen in den nächsten Jahren größer werden. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden sprachen sich die Bürgermeister auch dafür aus, endlich ein Anreizsystem zu schaffen, damit sich Überschüsse für Kommunen auch lohnten und diese nicht mit dem nächsten FAG verrechnet würden.
Meinungen aus den einzelnen Kommunen
Heinz-Lothar Theel vom Landkreistag Sachsen-Anhalt erklärte, dass in dem Gesetzentwurf die Abschreibungsaufwendungen der Kommunen als Bemessungsgrundlage fehle, die jedoch wichtig für die Tilgungsraten sei. In diesem Jahr hätten die Landkreise 50 Millionen Euro getilgt, mit dem jetzt geplanten Tilgungssatz sei dies im nächsten Jahr nicht mehr möglich, so Theel. Außerdem lehnt der Landkreistag die Neuberechnung der Auftragskostenpauschale ab, da der Anteil für die Kommune dadurch höher werde. Bisher sei die Pauschale stärker aufgabenbezogen berechnet worden, dieses Modell sollte laut Theel beibehalten werden.
Die Kommunen müssten in der Lage sein, Überschüsse durch eigene Einnahmen erwirtschaften zu können, betonte Jürgen Leindecker vom Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt. Er plädierte dafür, dass beispielsweise Spenden und Sponsoring ohne Gegenrechnung im FAG bei den Kommunen verbleiben könnten und diese so einen gewissen Spielraum bekämen. Außerdem betonte er, dass die kommende Steuerschätzung im November für das nächste Jahr nicht so positiv ausfallen werde, wie noch die im Mai. Demnach sollten auch die aktuellen Zahlen im Entwurf für das FAG berücksichtigt werden. Grundsätzlich hätten die Kommunen in Sachsen-Anhalt durchschnittlich lediglich 60 Prozent der Steuereinnahmen einer westdeutschen Kommune, so Leindecker. Das FAG müsste dafür einen Ausgleich leisten.
Es sei kein Geheimnis, dass die Kommunen seit Jahren chronisch unterfinanziert seien, sagte Michael Ziche, Landrat des Altmarkkreises Salzwedel. Bei einer weiteren Kürzung der Zuwendungen aus dem FAG verfügten die Kommunen nicht mehr über die nötigen Einnahmen, um die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Den Vorwurf der unwirtschaftlichen Arbeitsweise und zu vieler Verwaltungsmitarbeiter wies er zurück. Nach Ansicht von Ziche hänge die finanzielle Schieflage der Kommunen vor allem mit den geringen Steuereinnahmen zusammen.
Städte plädieren für freies finanzielles Polster
Dr. Lutz Trümper, Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg, sieht im jetzigen FAG-Entwurf den Versuch, den Bedarf der Kommunen willkürlich runterzurechnen. Magdeburg habe im Vergleich zu anderen ostdeutschen Städten ähnlicher Größe die beste Quote bei den Gewerbesteuereinnahmen, die Verwaltung sei zudem extrem sparsam. Weitere Kürzungen durch das FAG seien daher nicht korrekt. Um den Eigenanteil bei verschiedenen Förderprogrammen, wie beispielsweise STARK III zu zahlen, müsste Magdeburg weitere Schulden aufnehmen. Dadurch würde wiederum der Kassenkreditbetrag weiter erhöht. Trümper empfahl, das finanzielle Plus der Kommunen bei diesen zu belassen, wenn es nachweislich für Tilgung oder Investitionen verwendet wird.
Für freie Spitzen – eigenes Kapital, das nicht mit dem FAG gegengerechnet wird – sprach sich auch Egbert Geier, Bürgermeister der Stadt Halle und Finanzbeigeordneter, aus. Nur so könnten die Standards im Bereich der kommunalen Infrastruktur gewährleistet werden. Zudem stellte er in Frage, was Konsolidierung bringe, wenn sie im FAG wieder abgeschöpft werde? Geier regte an, vor diesem Hintergrund die FAG-Berechnungsmethode zu überarbeiten.
In fünf bis zehn Jahren werde die Armut in unseren Städte zu sehen sein, prognostizierte Köthens Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander. Wenn die Kommunen kein Geld mehr hätten, um den Eigenanteil für die Förderprogramme aufzubringen, würde die Lücke zwischen armen und reichen Kommunen immer größer werden. Die Städte würden seit Jahren auf Verschleiß gefahren. So würde beispielsweise in Köthen immer nur die Hälfte der eigentlich notwendigen Maßnahmen im Straßenbau erledigt. Außerdem kritisierte Zander die unbotmäßige Komplexität des FAG-Rechenmodells. Des Weiteren fehle ein Anreizsystem für Kommunen, wie sie erwirtschaftete Überschüsse behalten könnten. Hier sah Zander das Finanzministerium in der Pflicht, Vorschläge zu machen, und nicht die Kommunen.
Ähnlich äußerte sich Robby Risch, Oberbürgermeister der Stadt Weißenfels. Bei der jetzigen finanziellen Situation könnten keine Investitionen mehr getätigt werden, ohne sich weiter zu verschulden und damit steigende Kassenkredite zu generieren. Dadurch verschlechtere sich die Liquiditätslage der Kommunen stetig und nicht zuletzt leide das Selbstbestimmungsrecht einer Kommune, so Risch. In der momentanen Lage könne man am Finanzmarkt relativ günstig an Geld kommen, dieses sollte laut Risch auch für Investitionen genutzt werden.
Am Ende der „finanziellen Nahrungskette“ sah sich der Verbandsbürgermeister der Gemeinde Seehausen/Altmark, Robert Reck. Wenn es bei den jetzigen Mitteln bliebe, fehlten seiner Gemeinde im nächsten Jahr 600 000 Euro. Reck hält es grundsätzlich nicht für schlecht, sich mit anderen Gemeinden zu vergleichen, das beim FAG angewandte Modell sei jedoch auch für ihn nicht richtig nachvollziehbar. Er äußerte den Verdacht, dass die Verbandsgemeinden – ähnlich wie die Städte – künstlich positiv gerechnet würden. Reck erklärte zudem, dass im Verwaltungsbereich nicht weiter gespart werden könne. Selbst die Einführung des E-Governments könnte sich die Verbandsgemeinde nicht leisten, weil die Software dafür schlicht zu teuer sei.
Silke Wolf, Bürgermeisterin der Stadt Oebisfelde-Weferlingen, kündigte an, sich demnächst aus den Förderprogrammen des Landes gänzlich zurückzuziehen, weil die Stadt einfach kein Geld mehr für die Eigenbeteiligungen habe. Weitere Kredite wolle die Stadt nicht aufnehmen. Wolf sprach sich dafür aus, dass die vom Bund versprochenen Entlastungen für die Kommunen in Höhe von einer Milliarde Euro auch bis zu den Kommunen durchgereicht werden müssten. Mit den jetzigen Mitteln könne die Stadt Oebisfelde-Weferlingen nicht einmal den Ist-Zustand halten. Wolf prognostizierte: „In zwei Jahren kann ich den Rathaus-Schlüssel hier abgeben!“
Geld vom Bund an Kommunen weiterreichen
„Egal wie man rechnet, das Geld wird nicht mehr, sondern nur anders verteilt“, betonte Prof. Dr. Hans-Günter Hennecke vom Deutschen Landkreistag. Als einziger Anzuhörender brachte er den Blick von außen auf das sachsen-anhaltische System des Finanzausgleichs in die Diskussion ein. Seiner Ansicht nach müssten die Kosten für die notwendigen Ausgaben der Kommunen qua Verfassung vollständig übernommen werden.
Für Hennecke stellt sich zudem die Frage, wie das Land zukünftig seine Kassenkredite abbauen wolle. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung sei Sachsen-Anhalt mit deutlichem Abstand Spitzenreiter unter den neuen Ländern. Daher sei es nötig, das vorhandene System weiterzuentwickeln. Hennecke riet dem Ausschuss, die derzeitige Rechenformel zum Finanzausgleich noch einmal neu aufzustellen. Wenn der Bund schon seine Schatulle öffnen und die Kommunen entlasten wolle, sollte dies auch bei diesen ankommen. Zudem würden die Kommunen in Sachsen-Anhalt überproportional von der Entlastung profitieren.
Die Mitglieder des Ausschusses für Finanzen werden sich mit den Argumenten aus den Kommunen auseinandersetzen und vermutlich in ihrer nächsten Sitzung eine Beschlussempfehlung für den Landtag formulieren.