Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt seit 16 Jahren „Stolpersteine“, die an Schicksale von Kindern, Frauen und Männern erinnern, die von den Nationalsozialisten verschleppt und ermordet wurden.
Ein Name in Messing lässt den Fußgänger kurz innehalten
In die Messingoberfläche der zehn mal zehn Zentimeter großen Betonquader sind die Namen und biografischen Daten der Opfer, der Zeitpunkt der Deportation und der Deportationsort eingraviert. Seit 1997 hat Gunter Demnig insgesamt 42500 Stolpersteine, die allesamt durch Spenden finanziert wurden, verlegt. Zu finden sind sie in den Fußwegen von mehr als 650 Städten in Deutschland, aber auch in 15 anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Österreich, Ungarn, Frankreich, Kroatien und Russland.
Für die Verlegung eines Stolpersteins muss zunächst bei der Stadtverwaltung eine „Genehmigung für das Verlegen von ‚Stolpersteinen‘ im öffentlichen Raum“ beantragt werden. Hierbei empfiehlt es sich, Archive und Geschichtsvereine einzubinden und um Rat zu den Quellen zu befragen. Durch die Verlegung, so Gunter Demnig, werde das Gedenken an den Ort zurückgeholt, wo das Unglück eines jeden Opfers begann: In seinem Zuhause. Alle Opferkreise finden durch das Projekt Berücksichtigung, so gibt es beispielsweise Stolpersteine für ermordete Juden, Sinti und Roma und Homosexuelle.
Das Projekt wurde im Jahr 2012 mit dem Marion-Dönhoff-Förderpreis für internationale Verständigung und Versöhnung ausgezeichnet und mit 20000 Euro gefördert. Trotz des regen Zuspruchs gab und gibt es aber auch Kritik. Diese kam unter anderem von der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. Sie hatte es als „unerträglich“ bezeichnet, die Namen ermordeter Juden auf im Fußboden eingelassenen Metallplaketten zu lesen, auf denen herumgetreten werden könne. Deutschlandweit gibt es bürgerschaftliches Engagement für und gegen die Verlegung der Erinnerungssteine. Gründe gegen die Verlegung sind neben der Meinung Knoblochs auch die Angst vor rechtsextremen Übergriffen oder – ganz banal – die Wertminderung der Immobilien, in deren Fußweg die einen Quadratdezimeter großen Plaketten eingelassen sind.
Die Familie Blumenfeld – Eine Geschichte aus Magdeburg
Eine Gruppe von Mädchen und Jungen der Evangelischen Grundschule hat sich mit ihren Lehrerinnen in der Walter-Rathenau-Straße in Magdeburg versammelt. Unmittelbar an der Stelle, wo einst die Königsstraße mit den Hausnummern 62-63 aufwartete, halten sie weiße Ballons in den Händen, die gleich in den Himmel steigen werden. An ihnen befestigt sind kleine Kärtchen, „Gegen das Vergessen“ steht auf ihnen geschrieben. Aufgeklappt geben die Kärtchen Informationen zur Aktion Stolpersteine preis. Die Ballons erinnern an die 1521 jüdischen Einwohner aus Magdeburg, die aufgrund der menschenverachtenden Politik der Nationalsozialisten in Konzentrationslager deportiert und ermordet oder in den Tod getrieben wurden.
Gegenüber dem Campus der Otto-von-Guericke-Universität setzte der Kölner Künstler Gunter Demnig unter großer öffentlicher Anteilnahme Stolpersteine in den Fußweg ein, die vor Ort an die Magdeburger Zirkusfamilie Blumenfeld erinnern, die auch weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und geschätzt war.
Die Steine im Fußweg lassen unsere Gedanken stolpern, sie machen uns erinnern an den Verlust von Menschen. Sie zeigen den Angehörigen, dass man sich ihrer gemeinsam erinnert. Elf Stolpersteine erinnern seit einiger Zeit nachdrücklich an die Blumenfelds – an Rosa, Alex, Alfons, Ruth, Olympia, Alfred, Alice, Willy, Fritz und Erich. Die Artisten, Clowns und Dresseure betrieben mit großem Erfolg den ersten festen und größten Zirkusbau Deutschlands. 2890 Sitzplätze hatte der Prachtbau in der Königsstraße, dazu Stallungen, ein Kino und Geschäfte. Vor allem die Reitdarbietungen gehörten zum täglichen Programm der Artisten und ihrer Helfer. 117 Jahre hatte das Familienunternehmen Tausenden Menschen durch harte Arbeit und eine unverwechselbare Leidenschaft die Faszination Zirkus näher, sie zum Weinen, Lachen und Staunen gebracht, bevor es 1928 seinen Betrieb aufgeben musste. In verschiedenen anderen Zirkussen priesen die Künstler ihr Können, doch der Arm der unmenschlichen NS-Gesetze griff nach ihnen auch außerhalb Deutschlands. Die Mitglieder der Familie wurden in den Jahren 1938 bis 1943 in die Konzentrationslager Buchenwald, Theresienstadt, Auschwitz und Majdanek deportiert und umgebracht.