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Plenarsitzung

„Heißes Eisen“ Kommunalabgaben

Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften in Sachsen-Anhalt vorgelegt. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum bayerischen Kommunalabgabengesetz im vergangenen Jahr. Das Gesetz soll unter anderem die Verjährungsfristen bei Kommunalabgaben neu regeln und will zukünftig auch Spielraum für Gebührensenkungen bei Trink- und Abwasser ermöglichen beziehungsweise vereinfachen. Außerdem wurde das Gesetz in vielen Punkten an bundesrechtliche Vorschriften angepasst.

Mit der Änderung der kommunalabagbenrechtlichen Vorschriften sollen die Kommunen unter anderem Handlungsspielraum erhalten, um wettbewerbsfähige Wasser- und Abwassergebühren zu ermöglichen. Foto: Stefan Müller

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) erklärte eingangs, dass nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil auch in Sachsen-Anhalt Handlungsbedarf bestehe, weil es derzeit keine zeitliche Befristung im Kommunalabgabengesetz gebe. In Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Inneres und Sport habe man sich im Gesetzentwurf für eine Höchstfrist von zehn Jahren entschieden. Danach verfalle der Anspruch, noch offene Abgaben einzuholen. Beim Thema Altfälle habe man sich dazu entschieden, eine Übergangsfrist bis Ende 2015 zu gewährleisten. Stahlknecht verwies zudem auf die neue Möglichkeit der degressiven Gebührenbemessung. Damit könnten zukünftig Gebühren gegebenenfalls auch gesenkt werden.

Kürzeste Verjährungsfrist im Osten

Auch Silke Schindler (SPD) und  Ralf Wunschinski (CDU) hielten die Verjährungsfrist von zehn Jahren für angemessen. Schindler sagte, andere ostdeutsche Länder hätten weit längere Fristen: „Mit zehn Jahren haben wir in Sachsen-Anhalt die kürzeste Frist.“ Außerdem ermögliche die degressive Gebührenbemessung den Aufgabenträgern, zukünftig auch Anschlussnehmer ins System zu bringen, die bisher noch nicht beteiligt waren. Gleichzeitig betonte sie, dass es aber keinen Rechtsanspruch auf eine degressive Gebühr gebe, dies werde jeweils den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Positiv sieht Schindler auch, dass Beiträge nicht –  wie bisher – für das gesamte Verbandsgebiet berechnet werden müssten, sondern dass für neuerschlossene Gebiete auch eine Neukalkulation vorgenommen werden könne.

Spielräume durch degressive Gebührenbemessung 

Ralf Wunschinski sah in der Neukalkulation gleichermaßen die größten Möglichkeiten für die Kommunen, insbesondere bei der Neuansiedlung von Gewerbetreibenden. Bisher würden die gewerblichen Wasserverbraucher und Abwassererzeuger, die zentralen Ver- und  Entsorgungssysteme weitgehend meiden. Der neue Gesetzentwurf „soll den kommunalen Aufgabenträgern einen praktikablen Handlungsspielraum einräumen, um wettbewerbsfähige Wasser- und Abwassergebühren zu ermöglichen“, so Wunschinski. Außerdem sagte er, die degressive Gebührenbemessung müsse nicht automatisch von Nachteil für die „kleinen“ Verbraucher sein, insbesondere wenn es zu einer Steigerung der Gesamtleistung durch die Neuansiedlung von Gewerbe komme.

Nachteile für private Grundstückseigentümer befürchtet

Die Fraktion DIE LINKE hat in den geplanten Neuregelungen dagegen einen Verlierer ausgemacht, das seien in erster Linie „die Eigentümer selbstgenutzter Wohngrundstücke“. Linken-Abgeordneter Gerald Grünert sagte, die Diktion des Antrags bestehe darin, „die Finanzmittel aus den kommunalen Haushalten in den Landeshaushalt umzuverteilen und damit gleichzeitig die Belastung der Einwohner über die Kommunen zu verstärken.“

Grünert kritisierte außerdem die Übergangsfrist für Altfälle bis 2015, diese halte seine Fraktion für „frech“ und eine „bewusste Hinauszögerung zum Nachteil der Betroffenen“. Seiner Ansicht nach habe die Verjährung sofort zu erfolgen. Ein „Tabubruch“ sei die geplante Ausweitung der Beiträge für Kreisstraßen bezogen auf Nebenanlagen und Straßenoberflächenentwässerung (konkret für Gehwege und Parkplätze). Bisher war die Straßenoberflächenentwässerung von der Kommune zu tragen, nun werde beabsichtigt, weitere Kosten auf die Grundstückeigentümer abzuwälzen. Die Linken halten eine Verjährungsfrist von maximal vier Jahren nach Beendigung der Baumaßnahme für ausreichend, anstatt der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen zehn Jahre.

Gesetzentwurf eine gute Grundlage“

Der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN scheint eine Verjährungsfrist von lediglich vier Jahren hingegen etwas zu knapp. Grünen-Abgeordneter Olaf Meister gab zu bedenken, dass einige Bauvorhaben durchaus länger benötigten und komplexer seien. Es sei ein Gebot der Gerechtigkeit, dass die Kommunen ausreichend Zeit erhielten, um die Abrechnungen vorzunehmen. Daher hielt er den Vorschlag von zehn Jahren durchaus für sinnvoll.

Grundsätzlich sehen die Grünen in dem Entwurf eine „gute Grundlage“, auch die degressive Gebührenbemessung findet ihre Zustimmung. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die „kleinen Nutzer“, nicht die „großen Nutzer“ querfinanzieren, so Meister. Nachbesserungsbedarf sieht er dagegen in der Regelung für Altfälle. Meister halte die Frist bis Ende 2015 für zu lang. Er befürchtet einen „Run auf Altfälle“, um sie noch ins Ziel zu bringen. Dabei könnte auch so mancher rechtlich fragwürdige und umstrittene Vorgang entstehen.

Nach der ersten Beratung im Landtag ist der Gesetzentwurf federführend in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen worden. Dort wird er von den Ausschussmitgliedern weiter beraten, gegebenenfalls geändert und dann erneut im Plenum vorgelegt. Neben dem Innenausschuss sollen auch der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung, der Finanzausschuss und der Umweltausschuss beteiligt werden.

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung