Nachdem die Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen im März 1933 die politische Macht errungen hatten, setzten Adolf Hitler und seine politische Führungsriege den Antisemitismus als Staatsdogma um. Das von Joseph Goebbels geleitete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zeichnete für die mediale Verbreitung der antijüdischen Hetze (zum Beispiel durch Zeitungen, Radio und Boykottaktionen) verantwortlich. Diese gipfelte vorerst in der von den Nazis organisierten Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gegen Juden im gesamten Deutschen Reich. „Das Pogrom hinterließ nicht nur zertrümmerte Schaufenster, geschändete Gotteshäuser; es kostete unzähligen Menschen das Leben und markierte den Auftakt zur systematischen Entrechtung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung“, erinnert Landtagspräsident Detlef Gürth.
Offizieller Auslöser der Reichspogromnacht war das Attentat auf den NSDAP-Beamten Ernst Eduard vom Rath in Paris durch den 17-jährigen polnischen Juden Herschel Grynszpan. Der junge Mann hatte auf die Vertreibung seiner Familie aus dem Großdeutschen Reich aufmerksam machen wollen. Als „Vergeltung“ für den Mord an vom Rath wurden durch die SA und die SS über 1400 Synagogen und Versammlungsräume sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe im Deutschen Reich zerstört. Zudem wurden circa 30000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, von denen Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben.
Vor 76 Jahren brannten in Deutschland die Synagogen, wurden zahllose Geschäfte zerstört, viele Menschen allein aufgrund ihrer jüdischen Glaubenszugehörigkeit ermordet. Das späterhin „Reichskristallnacht“ genannte Pogrom der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler war nicht der Auftakt, wohl aber die Intensivierung des rassenideologischen Kampfes gegen die Demokratie, die Liberalität und Glaubensfreiheit – nicht zuletzt ein Kampf der Nazis gegen Menschlichkeit und Vernunft. Die Reichspogromnacht hat auch in unserer Zeit weder an Bedeutung noch an Relevanz verloren. Diese Zeit ist nicht nur bloße Geschichte, sondern eine stete Mahnung, wie jederzeit Menschen- und Bürgerrechte verlorengehen können. Den 9. November 1938 wird als Tag des Gedenkens bewahrt, denn er ist eines der Synonyme für die Schrecken des Nationalsozialismus.
„Für uns Deutsche ist der 9. November ein besonderes Datum, grundlegende historische Wendepunkte fanden an diesem Tag statt“, erklärt Landtagspräsident Detlef Gürth mit Blick auf die Geschichte. „Neben all jenen Ereignissen darf das individuelle und allgemeine Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus niemals verblassen. Nicht vergessen werden darf, dass Millionen Deutsche zusahen, wie ihre Nachbarn, der Hausarzt, die Spielkameraden der Kinder erst schikaniert, dann abtransportiert wurden. Nicht wenige haben sich erst schamlos bereichert und wollten am Kriegsende von nichts gewusst haben.“
Gedenken in Magdeburg und Halle
Bereits am Samstag, 8. November, findet in Magdeburg das Gedenken an die Pogromnacht von 1938 statt, beginnt doch nach jüdischer Tradition der Tag bereits am Vorabend. Eingeladen wird zu Gebeten sowie zu Gedenkworten mit Erinnerung und Mahnung. Kerzen und Blumen können zum Abschluss am Synagogendenkmal (Julius-Bremer-Straße) niedergelegt werden.
In Halle findet die zentrale Gedenkveranstaltung am Sonntag, 9. November, um 16 Uhr an der Gedenkstätte am Jerusalemer Platz statt. An dieser Stelle hatte sich früher die Jüdische Synagoge befunden, die in der Reichspogromnacht 1938 von den Nazis niedergebrannt wurde.
Die Reichspogromnacht im heutigen Sachsen-Anhalt; ZwischenRuf 3|2013 (PDF)