Ein Jahr der insgesamt fünf Jahre dauernden 8. Wahlperiode ist absolviert und ebenso lang ist auch Landtagspräsident Dr. Gunnar Schellenberger im Amt. Im Interview mit der Onlineredaktion des Landtags blickt er auf die ersten zwölf Monate als Präsident zurück.
Was empfinden Sie als Ihren größten Erfolg, worauf sind Sie besonders stolz im ersten Jahr im Amt des Landtagspräsidenten?
Die Herausforderungen der Gegenwart und der nahen Zukunft in unserem Land sind groß und sie werden wachsen. Als Präsident des Parlaments eines deutschen Bundeslandes ist es mir wichtig, dass wir uns gemeinsam diesen Herausforderungen als gewachsen zeigen, indem wir sie demokratisch erwachsen angehen. Ein Jahr Debattenkultur in neuer Zusammensetzung haben wir hinter uns. Einen langen Weg haben wir noch vor uns. Als Präsident habe ich mein größtes Ziel erreicht, wenn das aus regierungstragenden und oppositionellen Fraktionen und Abgeordneten bestehende Parlament seiner verfassungsgegebenen Rolle respektvoll und möglichst sachlich erfüllt, um die für das Land besten Lösungen zu erstreiten.
Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial in der Arbeit des Landtags im Allgemeinen und des Plenums im Besonderen?
Das Hohe Haus wurde durch unsere Verfassung auf den Namen „Landtag“ getauft und kann als einziges Verfassungsorgan auf eine unmittelbare Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger aufbauen. Es muss ruhig durch manch bewegte Zeiten steuern. Wir alle stehen hier in der Pflicht. Ich habe die Ehre, Präsident dieses Hauses zu sein. Gleichzeitig bin ich in die Pflicht genommen, das Geschick des Landtags so zu leiten, dass dieses Verfassungsorgan seinen Aufgaben zum Wohle der Menschen in Sachsen-Anhalt nachkommen kann. Darauf habe und werde ich mich konzentrieren. Unsere Diskussionen um Debattenkultur dürfen deren Inhalte nicht überlagern, ist sie doch ein entscheidender Faktor für Vertrauen in unsere Arbeit und Entscheidungen.
Die Arbeit der Landtagsverwaltung für parlamentarische Prozesse läuft dabei im Hintergrund wie ein verlässliches Uhrwerk. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen sich als Dienstleister für die Parlamentarier und sind stets ansprechbar für konstruktive Kritik. Hierfür bin ich sehr dankbar.
Die positive Außenwirkung des Landtags leidet mitunter unter den langen Bearbeitungszeiten von Anträgen und Gesetzentwürfen, aber auch unter dem Verhalten einzelner Abgeordneter im Plenum. Die Leute im Land fragen sich: Warum ist das so und was können Sie dagegen unternehmen?
Lange Bearbeitungszeiten von Anträgen und Gesetzentwürfen sind leider nicht immer vermeidbar. Um jedoch Verdruss in dieser Zeit entgegenzuwirken, ist wichtig, Interessierte kontinuierlich über den Status der Bearbeitung zu informieren. Auch hier gilt Transparenz. Das Verhalten der Abgeordneten im Plenum kann nicht mit dem der Kommunikation in einer Unterrichtsstunde oder einer Vorlesung verglichen werden. Im Plenum wird stets debattiert und auch gestritten. Das Verständnis hierfür ist manchmal schwierig. Jedoch ist für sein Verhalten in Plenarsitzungen jeder Abgeordnete selbst verantwortlich. Unsere Debatten laufen nach klaren Regeln ab. Werden diese überschritten, gibt es Sanktionsmöglichkeiten. Diese zu nutzen, obliegt der jeweiligen Sitzungsleitung. Leite ich die Sitzung, bleibt eine Ermahnung oft nicht aus. Den Ordnungsruf nutze ich bedacht, da er kaum steigerungsfähig ist. Ich setze vor allem auf gegenseitiges Verständnis und Respekt vor dem politischen Forum des Plenums, indem wir uns um die für das Land beste Lösung streiten und die Werte unserer Verfassung leben.
In Zeiten von Populismus und Fake News erscheint es besonders wichtig, jungen Menschen schon früh demokratische Werte zu vermitteln und ins politische Leben zu integrieren. Welchen Beitrag leistet da der Landtag?
Ich bin froh, dass wir wieder viele Besuchergruppen im Landtag begrüßen können, die sich mit den internen Prozessen auseinandersetzen. Viele Schulkassen nutzen das Angebot und besuchen unseren Landtag direkt und holen sich live einen Eindruck. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir seit März dieses Jahres mit einem eigenen Kanal bei Instagram und Facebook vertreten sind. Gerade für junge Leute sind diese vielgenutzte Plattform. Wir möchten damit diese Zielgruppe besser erreichen und ihnen die Arbeit im Parlament so transparent wie möglich zeigen. Jeder soll die Möglichkeit haben, sich über Anträge, Gesetzentwürfe und die Arbeit in den Ausschüssen schnell und einfach zu informieren. Traditionell sind wir sehr gern Schauplatz für den Wettbewerb Jugend debattiert und ähnliche Veranstaltungen. Jeder darüberhinausgehenden umsetzbaren Idee stehe ich offen gegenüber.
Eines ihrer wichtigsten Ziele am Beginn der 8. Wahlperiode war, den Landtag und dessen Arbeit in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Haben Sie dieses Ziel schon erreicht?
Ich habe am Anfang gesagt, ich möchte ein gläsernes Parlament. Selbstverständlich haben wir uns weiterentwickelt. Besser werden können wir immer. Das ist ein ständiger Prozess. Auf Instagram, Facebook und Twitter wird mittlerweile regelmäßig über die alltägliche Arbeit des Landesparlaments berichtet, also Politik erlebbar gemacht. Für mich ist dies ein wichtiger Schritt zum gläsernen Parlament. Eine neu eingeführte Beitragsserie möchte ich hervorheben, die ich sehr schätze: Vor jeder Landtagssitzung wird die Tagesordnung veröffentlicht, indem ich als Präsident mit einer kurzen Videobotschaft die wichtigsten Themen vorstelle.
Mit einer VR-Brille sollen sich Besucher bald direkt in einer Landtagsdebatte wiederfinden und aus einer neuen Perspektive erleben können.
Wichtig ist mir, auch über die Grenzen unseres Bundeslandes hinauszublicken. Der Länderabend ist hierfür ein neues Veranstaltungsformat des Landtags. Die Veranstaltung strebt die Vertiefung der bereits intensiven Beziehungen zwischen einem Land und Sachsen-Anhalt an. Dafür soll der parlamentarische Austausch gefestigt, die bereits bestehenden bilateralen Beziehungen gepflegt sowie der kulturelle Austausch gefördert werden.
Was sind die nächsten großen Projekte, die auf Ihrem Plan stehen?
Den eingeschlagenen Weg für ein gläsernes Parlament möchte ich weitergehen, um die Bedeutung der Demokratie deutlich zu machen, ihre Wertschätzung zu fördern und zu zeigen, dass es sich lohnt und auch notwendig ist, stets um sie bemüht zu sein. Der Landtag bedarf einer baulichen Ertüchtigung. Umzusetzen sind im Wesentlichen sicherheitstechnische Empfehlungen des LKA, die Gewährleistung technischer Anforderungen an Serverräume, die Herstellung einer gesicherten Stromversorgung sowie zum Beispiel marode Fenster zu ersetzen. Es sollte uns auch gelingen, dem Foyer als Zugang zum Plenarsaal im weiteren Sinne zu einem offeneren und freundlicheren Gesicht zu verhelfen.