Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Das Ende der noch jungen Demokratie

In diesem Jahr feiert der Landtag von Sachsen-Anhalt sein 32-jähriges Bestehen – wohlgemerkt nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1990. Die parlamentarische Tradition der Jetztzeit und nahen Zeitgeschichte reicht allerdings bis ins Jahr 1946 zurück. Seinerzeit nämlich hatte das nach dem Zweiten Weltkrieg gebildete Land Sachsen-Anhalt bereits einen Landtag, und das zwei Legislaturperioden lang. Bis er sich am 25. Juli 1952 selbst auflöste.

Im Stadtschützenhaus in Halle (Saale) trat am 18. November 1946 der am 20. Oktober 1946 gewählte Landtag der Provinz Sachsen zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Geburtsstunde der Demokratie im neuen Sachsen-Anhalt?! Kaum sechs Jahre später stimmten die Abgeordneten des zweiten Parlaments allerdings aufgrund des Drucks vonseiten der DDR-Staatsführung hinsichtlich einer politischen Strukturreform (Schaffung der Bezirke, zentralisierte Verwaltung) am 25. Juli 1952 einem Gesetz über die Selbstauflösung des Landtags zu. Das Projekt Demokratie war gescheitert, die SED baute ihre diktatorische Macht gnadenlos aus…

Prof. Dr. Everhard Holtmann im Interview mit der Onlineredaktion des Landtags von Sachsen-Anhalt.

Prof. Dr. Everhard Holtmann im Interview mit der Onlineredaktion des Landtags von Sachsen-Anhalt. Das Interview fand genau dort statt, wo sich der Landtag seinerzeit auflöste.

Forschungsprojekt im Auftrag des Landtags

Im Auftrag des Landtags von Sachsen-Anhalt startete das Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. (zsh), einem An-Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, im April 2021 ein Forschungsprojekt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der ersten beiden Landtage von Sachsen-Anhalt (1946–1952) und der Lebenswege seiner Mitglieder. Unter Leitung des Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Everhard Holtmann wird der Prozess der autoritären Rückbildung des Länderparlamentarismus in der SBZ bzw. frühen DDR nachgezeichnet und analysiert.

Erste Ergebnisse liegen bereits vor, wie Holtmann in einem Videointerview pünktlich zum Jahrestag der Selbstauflösung (25. Juli 1952) berichtet. So beantwortet er Fragen rund um die historische Einordnung der beiden Nachkriegslandtage in Sachsen-Anhalt, zur Zusammensetzung und zu den wichtigsten Aufgaben. Und dies genau an dem Ort, wo sich der Landtag seinerzeit selbst auflöste, in der früheren Artilleriekaserne in Halle (Saale), die heute vom Zoll genutzt wird. Holtmann wagt auch schon einen ersten Blick auf die Gründe, die letztlich zur Auflösung des Parlaments führten und inwieweit dieser Teil des Parlamentarismus trotz des Zeitsprungs von siebzig Jahren auch heute noch von Interesse ist.

Gesetz- und Amtblatt vom 26. Juli 1952, in dem das verabschiedete Gesetz über die Auflösung des Landtags verkündet wurde.

Das soeben verabschiedete Gesetz wird im Gesetz- und Amtsblatt des Landes Sachsen-Anhalt verkündet. Die Abgeordneten setzen ihre Arbeit demnach in den Bezirkstagen fort...

Besonderheiten der Landtage aufzeigen

Mit dem Projekt will der Landtag von Sachsen-Anhalt einen weiteren Beitrag zur Geschichte des Parlamentarismus in der Region des heutigen Sachsen-Anhalt sowie  zur Identitätsstiftung des Landes und seiner demokratischen Strukturen leisten.

Das singuläre Merkmal des 1. Landtags von Sachsen-Anhalt nach dem Zweiten Weltkrieg bestand darin, dass nach seiner Konstituierung alsbald eine Umkehrung der demokratischen Institutionenbildung in der Richtung einer Entdemokratisierung eintrat; dies mit Hilfe parlamentarischer Praktiken, die nicht zuletzt das Ergebnis einer bei den Wahlen knapp verfehlten SED-Mehrheit waren.

Zum Forschungsvorhaben gehören auch die Recherche und wissenschaftliche Auswertung von regionalem und überregionalem Archivmaterial für den Zeitraum von 1946 bis 1952 mit dem Ziel, die biografischen Daten der ehemaligen Abgeordneten zu verdichten und darstellen zu können. Unter Einbeziehung auch des 2. Landtags (1948–1950) wird die Untersuchung somit eine biografische und die systemische Dimension aufweisen.